Süddeutsche Zeitung

Opel Meriva:Durchgehend geöffnet

Ein ungewöhnliches Türkonzept ist das augenfälligste Merkmal des neuen Opel Meriva. Und er fährt sich auch so erwachsen, wie er aussieht.

Jörg Reichle

Für Autos zum Leben hat Opel schon länger ein Händchen. Der variable Zafira erschien 1999 und dominierte lange den Markt der Kompaktvans. 2000 folgte der winzige Agila und 2003 schloss der Meriva als dritter Van die Lücke zwischen den beiden. Mit Erfolg, mehr als eine Million wurden seitdem in Europa verkauft.

Dass die neue Generation nun auf die tiefe Flaute im europäischen Autogeschäft trifft, ist eher ein unglücklicher Zufall. Dabei hätte der jüngste Minivan durchaus ein günstigeres Umfeld verdient, so freundlich und nett wie er sich gibt. Der etwas spröde Ernst des Vorgängers ist weicheren Linien gewichen, Insignia und Astra lassen das Familiendesign durchscheinen.

Seine eigene Note hat er kleine Van aber trotzdem, dank schwungvoller Kanten, akzentuierten Flächen und vor allem durch die spielerisch-witzige Welle, mit der die hinteren Seitenfenster nach unten über die Ufer treten. Letzteres sieht von außen hübsch aus und hat von innen den Vorteil, dass zum Beispiel Kinder von der Rückbank aus prima nach draußen sehen.

Und dann natürlich diese Türen. Nicht dass es hinten angeschlagene Fondportale nicht auch woanders gäbe, aber Rolls- Royce, Mazda RX-8 oder Mini Clubman sind nun mal so selten im Straßenbild, dass man diese Zugangsform noch immer als originell bezeichnen darf.

Die Vorteile leuchten ein. Mütter werden zu schätzen wissen, dass sie die Kleinen ohne rückenschädigende Verrenkungen in den Kindersitz und wieder herausbekommen, und so mancher Rentner dürfte über den hindernisfreien Zugang zu den Rücksitzen froh sein, den ihm die extra weit öffnenden Portale gewähren.

Überhaupt gehört der Meriva ja zu denjenigen Autos, die eher von innen nach außen erdacht wurden - unter anderem mit jeder Menge Ablagen, einer verschiebbaren Box auf der Mittelkonsole und Rücksitzen, die sich in der zweiten Reihe aufpreisfrei nicht nur seitwärts und der Länge nach verschieben, sondern bei Nichtgebrauch auch bündig im Wagenboden versenken lassen. Das Ganze passiert ohne viel Aufhebens und mit wenig Kraft entweder vom Innenraum aus oder von hinten aus dem Kofferraum, von dessen Größe (400-1500 Liter) wir angenehm überrascht sind. Ein Golf Plus, obwohl eine Klasse über dem Meriva, muss sich da knapp geschlagen geben.

Womit wir beim Thema Wachstum wären, denn leider macht der Trend zur Vergrößerung nach Insignia und Astra auch vor dem Meriva nicht halt. Fast 20 Zentimeter auf 4,29 Meter hat der einstmals kleine Van in der Länge zugelegt, vor allem an der Nase, die für den Fahrer - trotz erhöhter Sitzposition - nun schlechter zu überblicken ist. Außerdem bringt das Wachstum, auch Breite und Radstand haben zugenommen, etwa 100 Kilogramm Mehrgewicht mit sich.

So ist es denn auch keine Kunst für den früheren Mini, einerseits mit einem großzügigeren Raumgefühl zu punkten und insgesamt den Eindruck zu erwecken, er sei doch recht erwachsen geworden. Die Gestaltung des lichten Innenraums, in dem wir zahlreiche Elemente von Insignia und Astra wiederentdecken, tut ein Übriges, auch wenn da und dort etwas speckig glänzende Kunststoffe an den Umstand erinnern, dass es sich hier um ein Auto für Normalverdiener handelt.

Das muss kein Handicap sein, vor allem nicht in diesen Zeiten. Günstige 15900 Euro stehen ganz am Anfang der Preisliste, dafür gibt es den Basisbenziner mit 100 PS und die einfachste der drei Ausstattungen namens Selection, Edition und Innovation. Leider waren von den zum Verkaufsstart verfügbaren Motoren zur Modellpräsentation an der Ostsee nur die beiden stärksten Benziner zu fahren, die zwar einen guten Eindruck hinterließen, aber mit 120 respektive 140PS doch eher mehr Leistung bieten, als unbedingt nötig. Auch die beiden Diesel, von den der kleinere einen besonders niedrigen Verbrauch verspricht, müssen noch auf die erste Testfahrt warten. Drei weitere Selbstzünder, ein 1,3-Liter mit 95PS und zwei 1,7-Liter mit 110 und 130PS sind für später angekündigt.

Mit den Benzinern jedenfalls ist der Meriva angenehm nervenschonend zu bewegen. Die elektrohydraulische Lenkung ist zielgenau und sensibel genug für die Straßenoberfläche, das Geräuschniveau bleibt auf der Autobahn selbst mit dem Fünfganggetriebe im Rahmen, auch wenn der Sechsgangschalter im stärksten Benziner natürlich seine Reize hat, indem er Drehzahl senkt und Nerven schont. Wie sich die Sechsstufenautomatik bewährt, wird noch zu prüfen sein.

Dass sich der neue Opel so erwachsen fährt, wie er aussieht, steht nach den ersten Testfahrten fest, die recht komfortable Federung hat einen nicht geringen Anteil daran. Und weil zwischen Hamburg und Travemünde Kurven in Serie so selten sind wie, sagen wir, blaue Störche, musste der Minivan auch nicht besonders dynamisch tun. Ein freundliches Familienauto eben.

Daten und Preise

Opel Meriva 1.4 Ecotec: 74 kW (100 PS); max. Drehmoment: 130 Nm bei 4000 U/min; 0-100 km/h: 13,9 s; Vmax: 177 km/h; Verbrauch (lt. Werk): 6,1 l Super; CO2: 144 g/km; Euro 5; Grundpreis: 15.900 Euro

1.4 Ecoflex: 88 kW (120 PS); 175 Nm bei 1750-4800 U/min; 11,5 s; 188 km/h; 6,1 l Super; 143 g/km; Euro 5; 17.270 Euro

1.4 Ecotec: 103 kW (140 PS); 200 Nm bei 1850-4900 U/min; 10,3 s; 196 km/h; 6,7 l Super; 156 g/km; Euro 5; 20.150 Euro

1.7 CDTI Ecotec Automatik: 74 kW (100 PS); 260 Nm bei 1700-2550 U/min; 13,9 s; 172 km/h; 6,4 l; 168g/km; Euro 5; 19.400 Euro

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Quelle:
SZ vom 26.12.2010/gf
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