Opel Insignia 2.0 Turbo 4x4:Das Auto gegen die Krise

Opel schiebt seit geraumer Zeit Extraschichten - nur für den Insignia. Sind die vielen Vorschusslorbeeren gerechtfertigt? Ein Praxistest

Günther Fischer

Stuss und Genuss Opel - ist ein deutsches Auto. Und Opel steht, wie Der Spiegel kürzlich schrieb, trotz aktueller Krise "immer noch für die Solidität und Biederkeit der fünfziger Jahre, für Familiensinn und Wirtschaftswunder, für die Grundlagen von allem also. Heute wird die Marke für dieses Image oft belächelt, aber einen Opel gibt es bei fast jeder Familie zumindest im Fotoalbum."

Opel Insignia 2.0 Turbo 4x4: Wäre Opel nur immer so gewesen: Der Insignia hätte das Zeug, um Opel aus der Krise zu fahren.

Wäre Opel nur immer so gewesen: Der Insignia hätte das Zeug, um Opel aus der Krise zu fahren.

(Foto: Foto: oH)

Zumindest bei uns gab es nirgendwo je einen Opel. Und wenn mir vor zehn, fünfzehn Jahren jemand gesagt hätte, dass ich mich dereinst für einen Opel würde begeistern können, den hätte ich doch glatt für verrückt erklärt. Doch genau das ist eingetreten: Mit dem Insignia fährt ein Opel vor, der aufs Angenehmste mit dem bisherigen bieder-braven Design bricht und in dem man sich auf Anhieb wohlfühlt. Der zu erkennen gibt, dass er mehr als nur Mittelklasse sein will. Der Audi und BMW ärgern möchte.

Das Zeug dazu hat er: Man steigt ein und fühlt sich wohl. Noch nie hat Opel so gelungen mit dem Licht gespielt. Alle Bedienelement sind angenehm beleuchtet, die Farben und Materialien passen, auch wenn die Mittelkonsole etwas mit Knöpfchen überfrachtet scheint. Aber auch da kann schnell Entwarnung gegeben werden: Alles ist logisch strukuriert und kann intuitiv und damit schnell erfasst werden. Design ist zwar immer Geschmackssache - aber selten passt bei einem Auto so viel so gut zusammen wie beim Insignia. Außen wie innen.

Das LED-Tagfahrlicht ist der Schuss Extravaganz für die Front des Opels, das adaptive Lichtsystem die nötige Prise Innovation: Das automatische Auf- und Abblenden funktioniert so perfekt, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt.

Saft und Kraft Der 220 PS starke Motor schiebt an wie ein Großer: Der Vierzylinder-Turbo geht in Antritt und Laufkultur glatt als V6-Imitat durch. Zusammen mit der exakten Lenkung und der verstellbaren elektronischen Dämpferabstimmung (Normal, Tour und Sport ist möglich) ergibt das ein extrem handliches, wunderbar handzahmes Auto, bei dem - bei allen sportlichen Qualitäten - der Komfort nicht abfällt: kein Knarzen, kein Knistern, kein Wanken, kein Nicken und im empfehlenswerten Tourmodus sogar an der Grenze zur Perfektion. Nur dann und wann rumpelt die Hinterachse - aber: Es kann nicht alles sofort perfekt sein und im Autofahrer-Alltag stört es nicht wirklich. Andere Hersteller - Sie wissen schon, welche - haben auch Jahre gebraucht, um so gut zu werden, wie sie heute sind.

Es ist leider einmal mehr der Verbrauch, den wir uns anders wünschten. Da entwickelt Opel ein grundlegend neues Auto - nur keinen adäquaten Motor dazu. Der Vierzylinder ist zu durstig: Wir verbrauchten durchschnittlich 10,6 Liter. Eine Start-Stopp-Automatik, die vielleicht ein bisschen sparen helfen könnte, ist erst gar nicht zu haben, auch andere Effizienz-Maßnahmen sind momentan nicht in Sicht. Immerhin: Eine Eco-Version soll im Herbst folgen.

Und noch etwas: Ohne Allradantrieb (optional) sollte man seinen Insignia erst gar nicht bestellen. Er hilft gewaltig, die Kraft des Motors perfekt auf die Straße zu bringen - der Insignia ist dann ganz in seinem Element, sehr zur Freude des Fahrers.

Das Auto gegen die Krise

Family und Friends Der Innenraum ist im 4,83 Meter langen Wagen großzügig geschnitten, wenn auch nicht üppig. Fahrer und Beifahrer haben keinerlei Grund zur Klage. Der etwas geringere Kopfraum im Fond ist der abfallenden Dachlinie des Insignia und damit der Schönheit geschuldet, aber auch damit lässt sich leben: Wie oft sitzen schon wirklich große Menschen im Fond? Nur bei kurvenräubernder Fahrt würde man sich Sitze mit etwas mehr Beinauflage und Schulterhalt wünschen.

Das Kofferraumvolumen des Stufenhecks lässt sich von 500 Liter durchs Umlegen der Rücksitzlehnen auf 1010 erweitern (beim Fünftürer von 520 auf 1465 Liter) - das ist ausreichend für jede Urlaubsfahrt. Auch mit Familie.

Wunsch und Wirklichkeit Vielleicht ließe sich die Knöpfchenparade an der Mittelkonsole doch etwas reduzieren? Irritierend ist nur der Drehknopf am Mitteltunnel, angebracht hinter der Schaltung: Er erlaubt zwar einen Schnellzugriff auf Radio, Navigation (ab Edition-Ausstattung serienmäßig dabei!) und andere Funktionen, die Bedienelemente verdoppeln sich aber dadurch. Schwerer wiegt allerdings der Umstand, dass man mit seiner Jacke oder seinem Pullover öfter mal an diesem Knopf hängen bleibt - und dann ungewollt die Dinge beeinflusst. Zumal gerade dieser Drehknopf sehr berührungssensibel ist.

Die Serienausstattung ist im Grunde geradezu vorbildlich, etwas erklärungsbedürftig ist lediglich die Tatsache, dass Opel für die hinteren elektrischen Fensterheber Aufpreis verlangt - immerhin 375 Euro.

Gut ... ... natürlich, dass Opel mit dem Insigina endlich wieder ein Aushängeschild hat. Aber ... ... ganz ohne kleine Irritationen geht es offensichtlich nicht. Aber andere Hersteller haben auch lange gebraucht, um wirklich erstklassig zu werden. Und: Hätte es nicht ein anderer Name sein können, der an die traditionsreiche Oberklassen-Vergangenheit Opels anknüpft, an Autos, die Diplomat, Admiral oder Senator hießen? Also ... ... ganz unumwunden: ein Volltreffer, ein klasse Auto zu einem fairen Preis. Hätte Opel doch bloß die ganze Zeit solche Autos gebaut.

Opel Insignia 2.0 Turbo 4x4 (Sechsgang-Schaltgetriebe): 162 kW / 220 PS; max. Drehmoment 350 Nm bei 2000-4000 U/min; 0-100 km/h: 7,8 sec.; Vmax 240 km/h; Testverbrauch 10,6 l (Werksangabe: 9,2 l); Euro 5, CO2: 215 g/km; Preis (Edition-Ausstattung): 34.935 Euro

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