Opel Corsa E im Fahrbericht:Im konservativen Lager

Opel Corsa E Fünftürer

Der Einstiegspreis des neuen Opel Corsa liegt bei 11 980 Euro. Der Fünftürer ist 750 Euro teurer.

(Foto: Adam Opel AG)

Der Erfolg ist zu Opel zurückgekehrt - und mit ihm das Selbstbewusstsein. Umso erstaunlicher, dass die Macher des neuen Corsa der Mut verlassen hat. Reicht es trotzdem, um die starke Konkurrenz zu überflügeln?

Von Thomas Harloff, Frankfurt/Main

Es ist paradox. Da ist der Corsa seit über acht Jahren auf dem Markt, und plötzlich liegt er an der Spitze der Zulassungsstatistik im Kleinwagen-Segment. 5912 Autokäufer entschieden sich im September für den in Eisenach und Saragossa gebauten Opel - fast 2000 mehr als für den ebenfalls betagten Škoda Fabia und knapp 100 mehr als für den kürzlich aufgefrischten VW Polo. Dennoch bringen die Rüsselsheimer Strategen zum Jahreswechsel die neue, fünfte Generation des Corsa zu den Händlern. Ist das ein unnötiger Zug, da der seit 2006 angebotene Corsa D noch gut funktioniert?

Nein, Opels Entscheidung ist goldrichtig. Denn die September-Zahlen waren für den Corsa ein Ausreißer nach oben. Seit Jahresbeginn liegt der Polo in der Absatz-Hitparade mit fast 6500 mehr verkauften Autos weit vorne. 2013 gewann der Wolfsburger das Rennen gar mit knapp 19 000 Autos Vorsprung. Und hinter dem Führungsduo lauert der neue, gelungene Škoda Fabia, der im November zu den Händlern kommen wird, als nächster ernstzunehmender Konkurrent.

Außen Evolution, innen Revolution

Für Opel hängt vom Erfolg des Kleinwagens viel ab. Es gilt, den mit den letzten Neuvorstellungen Mokka, Adam und Insignia Facelift begonnenen Aufschwung fortzuführen. Deshalb setzen die Rüsselsheimer beim Corsa auf Bewährtes. Beispiel Design: Von vorne ist er erst auf den zweiten Blick vom kleineren Adam zu unterscheiden, hinten ein geschrumpfter Klon des Astra GTC. In der Seitenansicht hat sich im Vergleich zum Vorgänger kaum etwas geändert. Man könnte das Team um den federführenden Designer Carsten Aengenheyster mit dem Vorwurf der Mutlosigkeit konfrontieren - was man gegenüber den Kollegen in Wolfsburg oder im tschechischen Mladá Boleslav in schöner Regelmäßigkeit tut. Doch die haben meist das Argument der Absatzzahlen auf ihrer Seite, was die konservative Herangehensweise der Opel-Gestalter umso verständlicher macht.

Das Cockpit des Opel Corsa E.

Im Innenraum macht der neue Opel Corsa in allen Bereichen einen Schritt nach vorne.

(Foto: Axel Wierdemann; Adam Opel AG)

Im Corsa-Innenraum setzt Opel jene Aufräumarbeiten fort, die schon der Adam und der Insignia über sich ergehen lassen mussten. Wo einst unzählige Knöpfchen und Drehregler die Mittelkonsole überfrachteten, rahmen nun nur noch wenige Tasten den Sieben-Zoll-Touchscreen des je nach Ausstattung zwischen 300 und 950 Euro teuren Intelli-Link-Bediensystems ein. Die wichtigsten Funktionen lassen sich nun über das Lenkrad oder das übersichtliche Touchscreen-Menü steuern - ein großer Schritt vorwärts gegenüber dem Vorgänger.

Schöner wohnen im neuen Corsa

Auch die Materialauswahl und das Platzangebot haben lobende Worte verdient. Haptisch angenehme Soft-Touch-Kunststoffe und schicke Applikationen in Metall-, Klavierlack- oder farbiger Ausführung lassen den Innenraum des Vorgängers schlagartig altbacken und langweilig aussehen. Platz gibt es vorne und hinten genug. In puncto Kniefreiheit sogar besonders viel, da die Rückseiten der Vordersitze in diesem Bereich über eine Aussparung verfügen - eine simple, aber wirkungsvolle Lösung. Der Kofferraum fasst 285 Liter, ist gut geschnitten und verfügt über zusätzlichen Stauraum unter dem Laderaumboden. Maximal stehen 1090 (Dreitürer) oder 1120 Liter (Fünftürer) für das Gepäck zur Verfügung.

Dennoch ist das Interieur nicht frei von Schwächen. Zum einen sitzt die Klimaregelung etwas zu tief in der Mittelkonsole. Ob die im Lendenwirbelbereich ungewöhnlich geformten und mit zu weichen Außenwangen ausstaffierten Vordersitze auf Dauer unbequem werden, muss ein ausführlicher Test zeigen. Bereits auf den ersten Probefahrten wurden aber die Mängel des Navigationssystems offensichtlich. Die auf einem mit dem Auto per USB verbundenen iPhone (auch Android wird von dem System unterstützt) installierte und etwa 50 Euro teure Software "BringGo" scheiterte mehrfach, die richtige Route zu laden, stürzte hin und wieder ab und hatte Probleme mit der deutschen Grammatik.

Könnte man das letzte Manko als charmante Eigenheit akzeptieren, nervt das abrupte und rigorose Unterbrechen der Musikunterhaltung bei Navigationsansagen ungemein. Wenn die Lieblingstitel immer wieder unvermittelt unterbrochen werden, wünscht man sich insgeheim die gute alte Straßenkarte zurück - oder ein mobiles Navi an der Windschutzscheibe. Schon erstaunlich, dass die Autobauer mit ihren internetbasierten Navigationslösungen solche Schwierigkeiten haben, denn auch im neuen Škoda Fabia wirkte die Orientierungshilfe unausgereift.

Gute, aber nicht perfekte Motoren

Opel Corsa E Dreitürer

Opel bietet den neuen Corsa mit Drei- und Vierzylindermotoren an - darunter zwei Diesel.

(Foto: Adam Opel AG)

Herrscht in dieser Hinsicht Gleichstand zwischen den Neuauflagen der Kleinwagen, zeigt sich nach Probefahrten mit beiden Konkurrenten: Motorenseitig liegt der Škoda vorne. Dessen Topmotor, ein 110 PS starker Vierzylinder-Benziner mit 1,2 Litern Hubraum, überzeugt mit Durchzugsstärke und harmoniert sehr gut mit dem Getriebe. Dieses Niveau erreichen die neuen, in diesem Leistungsbereich angesiedelten Corsa-Aggregate nicht. Zwar sichern die 100 und 115 PS starken Benzinmotoren souveränes Vorankommen, sind leise und kultiviert. Aber bei niedrigen Drehzahlen mangelt es ihnen im Vergleich zum Fabia-Triebwerk an Kraft, weshalb bei Zwischenspurts oft heruntergeschaltet werden muss. Das bereitet wegen der etwas zu langen Schaltwege des Sechsgang-Getriebes kein völlig ungetrübtes Vergnügen.

Die Gleichartigkeit der beiden Corsa-Motoren überrascht, da sie auf völlig verschiedene Konzepte setzen. Zwar verfügen beide Varianten über Turboaufladung, aber der leistungsschwächere Motor arbeitet mit vier Zylindern und 1,4 Liter Hubraum, während der stärkere weniger als einen Liter Hubraum auf nur drei Brennräume verteilt. Dafür ist der Vier- dem Dreizylinder im maximalen Drehmoment überlegen (200 statt 170 Newtonmeter). Beim Fahren lässt sich jedoch kaum ein Unterschied feststellen. Übrigens auch im Verbrauch: Während des Tests lag der Durchschnittsverbrauch beider Modellvarianten laut Bordcomputer bei etwas über sechs Litern - Opel gibt für beide Motoren Normverbräuche zwischen 4,9 und 5,3 Liter an.

Agilität statt Komfort

Hessisch-herzhaft präsentierte sich das Fahrwerk des neuen Opel Corsa. Der Grund: Die Testwagen rollten der schickeren Optik wegen auf 17-Zoll-Felgen und Breitreifen mit schmalem Querschnitt. Wer diese Räder ordert, bestellt ungefragt das Sportfahrwerk dazu. Das bewahrt sich zwar einen gewissen Restkomfort, aber gerade Querfugen und Schlaglöcher kommen nur unzureichend gedämpft am verlängerten Rückgrat der Insassen an. Wer es eher sanft mag, greift besser zu kleineren Rädern und belässt es beim normalen Fahrwerk. Von Vorteil ist die straffe Abstimmung dagegen in Kurven. Erlebnisorientierte Fahrer werden die Kombination aus Sportfahrwerk, breiten Reifen und feinfühliger Lenkung schnell zu schätzen lernen.

Der Kofferraum des Opel Corsa E.

Der Kofferraum des neuen Corsa fasst 285 Liter. Praktisch ist der zusätzliche Stauraum unter dem Ladeboden.

(Foto: Adam Opel AG)

Eine traditionelle Opel-Tugend sind vernünftige Preise. Der neue Corsa setzt diese Tradition fort. Das Einstiegsmodell, ein 1,2-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 70 PS, kostet 11 980 Euro. Die Serienausstattung ist zwar überschaubar, aber höhere Ausstattungsniveaus, zwei weitere Türen, moderne Assistenzsysteme und zusätzliche Extras gibt es für moderate Aufpreise. Gleiches gilt für die stärkeren Motoren: Die 100-PS-Variante kostet mindestens 13 780 Euro. Der 115-PS-Dreizylinder, für den Opel nicht die Basisausstattung "Selection" anbietet, startet bei 16 390 Euro.

Nach der Probefahrt des neuen Corsa verfestigte sich der erste Eindruck: Um zum Maßstab in seiner Klasse zu avancieren, hätte Opel mehr Mut beweisen und nicht nur in Sachen Innenraumambiente und Bedienkonzept große Fortschritte machen müssen. Motoren, Fahrdynamik und Platzangebot sind zwar besser als beim Vorgänger, aber eben nicht gut genug, um etwa den neuen und ähnlich teuren Škoda Fabia zu überflügeln. In Sichtweite behält er die Konkurrenz aber allemal, was dem Corsa weiterhin gute Chancen verschafft, das Rennen um die Spitze der Verkaufscharts in seinem Segment offenzuhalten.

Die Reisekosten zur Präsentation des Opel Corsa in Frankfurt/Main wurden teilweise vom Hersteller übernommen.

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