Opel Astra:Mit neuem Format

Der neue Astra muss für Opel Hoffnungsträger und Rettungswagen zugleich sein. Vom Dasein als ewiger Golf-Rivale soll er sich jedoch verabschieden. Die erste Ausfahrt

Günther Fischer

Irgendwie seltsam, aber: Wir haben Opel schätzen gelernt, Opel ist in wie schon lange nicht mehr. Und das ausgerechnet in schwersten Krisenzeiten. Der Insignia hat ohnehin schon unser Herz erobert, nun will es der neue Astra endgültig richten. Zudem soll die Geschichte einer deutschen Rivalität - Kadett gegen Käfer, Kadett gegen Golf, Astra gegen Golf - nach Jahrzehnten endgültig zu Ende gehen. Zumindest wenn es nach dem möglichen neuen Opel-Chef Carl-Peter Foster geht: "Ich bin zufrieden, wenn wir mit dem neuen Astra sicher auf Platz zwei landen."

Opel Astra: Ein rundum stimmiger Auftritt. Nur schade, dass sich der äußere Größenzuwachs nicht im Innenraum wiederfindet.

Ein rundum stimmiger Auftritt. Nur schade, dass sich der äußere Größenzuwachs nicht im Innenraum wiederfindet.

(Foto: Foto: oh)

Neue Bescheidenheit? Kaum. Der Grund dürfte eher sein, dass die Rivalität nur noch wenig Sinn macht. Hinterherfahren mag man nicht mehr, zudem ist der Auftritt der Rüsselsheimer äußerst eigenständig und gelungen. Wobei der neue Astra erheblich vom großen Bruder Insignia profitiert: bei der Sichel- und Pfeilgrafik in den Scheinwerfern vorne und hinten, bei der Gestaltung der Mittelkonsole und des Armaturenbretts und, und, und. Aber: Alles gereicht dem Astra zum Vorteil. Kein Wunder, dass die Opelaner trotz der Absage des Duells mit einer "Eroberungsquote von dreißig Prozent" rechnen.

Mit seinem coupéartigem Dach wirkt der neue Astra auf Anhieb anziehend. Und er ist gewachsen: in der Länge um 17 Zentimeter auf 4,42 Meter, in der Breite um sechs Zentimeter. Das erlaubt zumindest schon mal einen beeindruckenden Auftritt. Nach dem Einsteigen macht sich aber eine leise Enttäuschung breit: Der Größenzuwachs ist innen nicht wirklich zu spüren. Vor allem nicht im Fond: Ab Schuhgröße 43 verhakt man sich am schmalen Türausschnitt, die Bein- und Fußfreiheit ist eher mäßig, das der äußeren Linie geschuldete abfallende Dach kommt dem Kopf doch sehr nahe.

Ganz anders im vorderen Bereich: Hier ist die Mittelklasse in der Kompaktklasse angekommen, die Sitze sind gut, der Verstellbereich groß, hier erweist die der Astra als äußerst erwachsenes Auto. Und wie beim Insignia gilt auch hier: Auf den ersten Blick ist die Mittelkonsole ein etwas überfrachtetes Knöpfchenparadies, aber nach kurzer Eingewöhnungszeit findet man sich prima zurecht.

Kleinerer Motor, agileres Auto

Der Kofferraum fiel mit 370 Litern Fassungsvermögen kleiner aus als beim Vorgänger - mit umgelegten Sitzen sind es 1235 Liter (Vorgänger: 380-1295 Liter). Dafür gibt es eine sogenannte Flex-Floor-Einlage (90 Euro; Serie bei Sport- und Cosmo-Ausstattungen), mit deren Hilfe sich der Kofferraum teilen und eine Ladekante vermeiden lässt. Selbst die Hutablage kann man völlig im Kofferraumboden verstecken. Der Innenraum wiederum glänzt mit einer Vielzahl von wirklich praktischen Ablagen - insgesamt sind 25 Liter zusätzliches Stauvolumen vorhanden. In den Seitentaschen der Türen kann man für die große Fahrt nun sogar voluminöse Eineinhalb-Liter-Flaschen unterbringen.

Zum Marktstart werden vier Benziner und vier Dieselversionen mit Leistungen zwischen 95 und 180 PS an angeboten. Wir fuhren den Top-Diesel 2.0 CDTI mit 118 kW / 160 PS in der Cosmo-Ausstattung (Sechsgang-Automatik; 27.405 Euro) und den 1.4-Turbo-Benziner mit 103 kW / 140 PS in der Sport-Ausstattung (Sechgang-Schaltung; 22.425 Euro). Trotz aller Kraft fühlte sich der große Diesel etwas nasenbärig an und erwies sich bei weitem nicht so spritzig und durchzugsstark wie erhofft. Unsere Sympathie galt schnell dem neuen 1,4-Liter-Triebwerk: Der Astra fühlte sich damit leicht und spritzig an, der Motor drehte willig auch aus unteren Bereichen hoch und das Turboloch glich eher einer Delle. Auch die Eckdaten stimmen: 205 km/h Spitze, Euro 5 und ein Verbrauch, der sich bei 5,9 Liter einpendeln soll.

Erstaunlich ist auch, wie elegant und leise der neue Astra Straßenunebenheiten wegbügelt - wenn das adaptive Flex-Ride-Fahrwerk ab Bord ist (930 Euro Aufpreis): Auf die "Tour"-Taste gedrückt - und schon ist das komfortabelste von drei Stoßdämpferprogrammen eingestellt. Wer die "Sport"-Taste drückt, den verwöhnt der Astra mit verschärfter Gasannahme und einer direkteren Lenkabstimmung. Dann erweist er sich als ein fahrdynamisch äußerst ansprechendes Auto: leicht untersteuernd und ziemlich wendig. DAs ESp regelt gefühlvoll, zickige Reaktionen blieben aus.

Eine neue Vorderachse nach Art des Insignia und das wiederentdeckte Watt-Gestänge zur Abstützung der hinteren Verbundlenkerachse tragen da natürlich einiges dazu bei. Auto-Hersteller müssen also nicht immer einen übergroßen Entwicklungs-Aufwand treiben. Auch mit einfacheren Mitteln lassen sich prima Ergebnisse erzielen.

Modernste Motortechnik ist noch Mangelware

Viel Arbeit haben die Entwickler in die Geräuschdämmung gesteckt - ein Unterfangen, das sich in jeder Hinsicht ausgezahlt hat. Erst ab Tempo 130 wird es an den Außenspiegeln ein wenig lauter - aber da soll laut Opel bis zum Verkaufsstart noch nachgearbeitet werden.

Was uns bei aller Sympathie fürs Auto aber dennoch fehlt, ist ein wenig mehr von der Technik, die bei den meisten Mitbewerbern längst selbstverständlich ist: Es gibt weder eine Start-Stopp-Automatik noch eine Schaltpunktanzeige, auch Benzindirekteinspritzung oder Kompressor sind für die Motoren nicht zu haben. Außerdem kosten wirklich sinnvolle Gadgets einiges an Aufpreis: das "Opel-Eye" - eine Frontkamera zur Verkehrsschilderkennung - ist für 525 Euro zu haben oder das prima Navi mit eingespeistem Reiseführer ab 1150 Euro. Für das adaptive Fahrlichtsystem AFL+ werden gar 1250 Euro fällig.

Schade nur, dass die preiswerten und sparsamen Ecoflex-Modelle - wieder einmal - mit großer Verspätung nachgereicht werden: Der Astra 1.4 Selection (ab Frühjahr 2010) kostet dann nur 15.900 Euro (Fünfgang-Getriebe), ist allerdings eher mager ausgestattet: Selbst eine manuelle Klimaautomatik muss dann extra bezahlt werden. Alle anderen Astras sind ab Dezember zu haben.

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