Elektromobilität:Bulli unter Strom

Elektromobilität: Zusammen mit eClassics will Volkswagen alte T1, genannt "Bulli", zu Elektroautos umbauen.

Zusammen mit eClassics will Volkswagen alte T1, genannt "Bulli", zu Elektroautos umbauen.

(Foto: Volkswagen Nutzfahrzeuge)

VW will seinen Transporter-Klassiker in Serie als Elektroauto umbauen. Das Ergebnis bringt nicht nur Oldtimer-Fans zum Schwärmen. Ganz uneigennützig ist das Projekt aber nicht.

Von Felix Reek

"Ich bin verliebt!", schreibt ein ehemaliger Kollege mitten in der Nacht als Kurznachricht. Darunter nicht etwa das Bild eines anderen Menschen, sondern der Link zu einem neuen VW Bulli. Es gibt wohl nur wenige Autos, die direkt so eine emotionale Reaktion hervorrufen. Der zwischen 1950 und 1967 hergestellte T1, genannt "Bulli" ist eines von ihnen. Und jetzt ist er wieder zurück. Beziehungsweise: In der Neuzeit angekommen. Denn dieser Oldtimer besitzt nun einen Elektromotor, mit dem der T1 bis zu 200 Kilometer Reichweite schaffen soll. Eigentlich wollten Volkswagen Nutzfahrzeuge und das auf Elektroauto-Umbauten spezialisierte Unternehmen eClassics ihre Studie auf der Techno Classica im März vorstellen, doch daraus wurde aus bekannten Gründen nichts mehr. Deswegen erfolgt die erste Ansicht jetzt erst einmal rein virtuell.

Basis des Elektro-Oldtimers ist ein Sondermodell Samba aus dem Jahr 1966, den eClassics vollkommen umbaute. Der Motor sitzt weiterhin im Heck, leistet nun aber statt der ratternden 44 PS des Boxer-Aggregats 83 elektrische PS. Die Höchstgeschwindigkeit steigert sich von 105 auf 130 km/h. Gleichzeitig wurde das Fahrwerk modernisiert, die Akkus befinden sich mittig im Unterboden. Die Komponenten stammen aus den aktuellen Stromer-Modellen von VW. Der E-Bulli soll so an Schnellladesäulen mit bis zu 50 kW in 40 Minuten 80 Prozent seiner Reichweite tanken können.

Im Innenraum gibt es eine Art modernisierte Version des ursprünglichen Interieurs. Der Einfluss der Fünfziger- und Sechzigerjahre ist nicht zu übersehen, die Sitze sind mit zweifarbigem Leder bezogen, der Boden besteht aus Massivholz, das an Schiffsdielen erinnert. Das Radio sieht zwar antik aus, verfügt aber über DAB+, Bluetooth und einen USB-Anschluss.

"Ab 65 000 Euro"

Nur wenn es um den Preis geht, halten sich VW und eClassics bedeckt. Denn der E-Bulli soll nicht nur eine Studie bleiben, Kunden können den elektrischen Bulli genau so kaufen. "Ab 65 000 Euro" heißt es in der Pressemitteilung von Volkswagen, doch das ist nur die halbe Wahrheit. eClassics bietet mehrere Varianten für den Umbau eines Bullis an. Die günstigste ist, ein Umbau-Kit zu erwerben und die Umrüstung in einer zertifizierten Werkstatt durchführen zu lassen. Nummer zwei ist, den eigenen Oldtimer mit den E-Komponenten der aktuellen Stromer von VW wie eGolf, ID3 und eUp zu kombinieren. Im Falle eines T1 sind das die erwähnten "ab 65 000 Euro". Etwas günstiger ist ein T2 oder T3, hier kostet die Elektrifizierung durch eClassics mindestens 53 000 Euro.

Die dritte Variante ist das Komplettpaket wie im jetzt vorgestellten E-Bulli - Oldtimer, Antrieb, Batterien und Umbau zusammen. Preis laut eClassics "auf Anfrage", normalerweise das Synonym für "ziemlich teuer". Bereits im letzten Jahr präsentierten Volkswagen und der E-Oldtimer-Spezialist einen elektrifizierten VW Käfer, 100 000 Euro sollte dieser kosten. Der Preis für einen VW Bulli wie den jetzt vorgestellten dürfte noch extremer ausfallen. Gerade das Sondermodell Samba mit seinen 21 Fenstern ist die am meisten gesuchte Baureihe des T1, bis zu 100 000 Euro kosten restaurierte Exemplare bei Auktionen. Ohne Elektrifizierung und Komplettumbau.

Umbau bedeutet bei einem Oldtimer Wertverlust

Doch wozu das alles? Wer solch einen Klassiker in ein Elektroauto verwandelt, zerstört zwangsweise seinen Marktwert. "In dem Moment, wo die Antriebseinheit derart umgebaut wird, ist das Fahrzeug historisch gesehen nicht mehr relevant", erklärt Norbert Schroeder vom TÜV Süd. "Wirtschaftlich macht das keinen Sinn", so der Oldtimer-Experte. Die Kosten sind immens, nach der Umrüstung verliert der Bulli zudem das H-Kennzeichen.

Trotzdem scheint es einen Markt für die Elektro-Klassiker zu geben, auch wenn es nur eine extreme Nische ist. Seit Jahren widmen sich viele kleine Firmen dem Umbau von Oldtimern. Besonders beliebt sind der VW Bulli und der VW Käfer. Zelectric in Kalifornien beispielsweise verwandelt sie nach und nach in Elektroautos. Auch in Deutschland gibt es neben eClassics Unternehmen wie Voltimer, die versprechen, theoretisch jeden Oldtimer mit einem E-Motor ausrüsten zu können. Hinzu kommen kleine Anbieter, die Replikas der Klassiker mit dem alternativen Antrieb ausrüsten.

Das positive Image der Klassiker soll auf die Elektroautos abfärben

Die Margen sind aufgrund der geringen Stückzahlen allerdings gering. Trotzdem versuchen sich auch größere Hersteller an der Elektrifizierung ihrer klassischen Modelle. Es geht ihnen dabei allerdings um etwas anderes. Aston Martin baute 2019 beispielsweise einen DB6 um, mit dem Hinweis, dass dies für alle Modelle zwischen 1958 und 1972 möglich sei. Kostenpunkt: 225 000 Euro. Jaguar stellte 2018 seinen elektrischen E-Type Zero vor, erhielt viel positive Resonanz, kündigte aber bereits ein Jahr später an, das Projekt aus wirtschaftlichen Gründen einzustellen. Der Zweck war trotzdem erfüllt: positive PR.

"Das Thema Emotion wird hier extrem transportiert, als Promotion der Zukunft", erklärt Norbert Schroeder vom TÜV Süd. Die Hersteller verknüpfen die positiven Assoziationen mit den Marken-Klassikern mit dem oft noch ambivalenten Verhältnis zu der neuen Antriebstechnologie. So wie jetzt auch Volkswagen. "Der Bulli und der Käfer, das sind immer noch der Deutschen liebstes Kind. Die stehen für etwas", so der Oldtimer-Experte. Neue Modelle können diese emotionale Ebene oft (noch) nicht bedienen. Aber vielleicht ändert sich das demnächst. 2022 will VW den ID.7 auf den Markt bringen. Einen von Grund auf neuen Elektro-Bus. Ganz in der Tradition des Bullis. Wem das zu modern ist, der kann bis dahin auf den E-Bulli zurückgreifen.

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