Oldtimer-Sammler Peter Mullin:Die Schönheit und ihr Preis

Dieser Bugatti Brescia Typ 22 lag über 70 Jahre im Lago Maggiore.

Dieser Bugatti Brescia Typ 22 wurde 2009 aus dem Lago Maggiore geborgen, nachdem er dort 1937 versenkt wurde.

(Foto: Dominic Fraser)

Der Amerikaner Peter Mullin ist einer der renommiertesten Autosammler der Welt. Sein Museum in Oxnard bei Los Angeles birgt unschätzbare Werte. Auf Tuchfühlung mit "Amerikas Mr. Bugatti" beim Concours d'Elegance in Pebble Beach.

Von Eckhard Schimpf

Mut zur Farbe, das prägt diesen Peter Mullin. Zumindest optisch. Rote Mütze, blau-weiß kariertes Hemd, weiße Hose, grüner Gürtel, gelbe Strümpfe, braune Slipper und ein dunkelblauer Blouson mit der Aufschrift "The Mullin Museum". Der groß gewachsene Weißhaarige, der da auf der Quail-Lodge im kalifornischen Carmel-Valley plaudernd im Rattansessel hockt, ist einer der bedeutendsten Automobilsammler der Welt.

Das bunte Outfit von "Amerikas Mr. Bugatti" könnte täuschen. Mullin ist ein wirklicher Herr. In Deutschland gilt dieses Kompliment zuweilen als verfänglich. Zu viel Gestriges, zu viel vom verblichenen Herrenreitertum, vom Verachtungsblick einer herrschenden Klasse haftet daran. Dennoch ist diese Vokabel manchmal unerlässlich, weil sie dem Begriff des Gentleman am nächsten kommt. Dazu gehören ein leiser, vornehmer Charakter sowie Stil und Bildung. Peter Mullin (73) besitzt das alles.

Die anregendste Woche des Jahres

Jedes Jahr im August durchlebt der ehemalige Finanz- und Versicherungsmanager, der einst ein Netz von einigen hundert Firmen dirigierte, die für ihn anregendste Woche des Jahres. Mullin präsentiert dann auf der Halbinsel Monterey seine rollenden Schätze beim Concours d'Elegance in Pebble Beach und auf der Rennstrecke von Laguna Seca, wo er auch selbst ins Lenkrad greift. In diesen Tagen automobiler Hochstimmung - weltweit gibt es nichts Vergleichbares - badet Peter Mullin geradezu in allgemeiner Anerkennung. Sie tut ihm wohl.

Mit seinem Mullin Museum in Oxnard bei Los Angeles hat er einen Solitär der Motorwelt geschaffen. Dort parken mehr als 100 perfekt restaurierte Automobile der 1920er- und 1930er-Jahre, in erster Linie Bugatti. Darunter ist auch einer von zwei noch existierenden Modellen des Typs Atlantic; den anderen besitzt Ralph Lauren. Allein solch eine Rarität ist heute etwa 60 Millionen Dollar wert. Das MullinMuseum, komplett im Stil eines Pariser Auto-Salons der 1930er-Jahre arrangiert, ist ein 300-Millionen-Dollar-Projekt, eingeweiht 2010. Es darf als Gesamtkunstwerk gelten. Mullin betont: "Es ist ja nicht nur Automobil-Bühne und eine Bugatti-Heimat. Es ist auch eine Hommage an die Art-Deco-Bewegung, die zwischen 1920 und 1940 unendlich viel beeinflusste. Architektur, Malerei, Skulpturen, Möbel, Lampen und eben auch Autos. Es war eine ,goldene Ära' des Designs."

Das Automuseum von Peter Mullin.

Das Automuseum von Peter Mullin etwas außerhalb von Los Angeles. Vor dem Gebäude parken stilecht mehrere Bugatti Veyrons.

(Foto: Dominic Fraser)

Mit dem Vater beim Autorennen

Wie entsteht eine solche Auto-Leidenschaft? Mullin, Jahrgang 1941, erinnert sich: "Als Junge stand ich an der Straße und erkannte jeden vorbeifahrenden Wagen. Jeden Typ. Ich wurde dabei nie müde." War das vom Vater übertragen? "Mein Vater, Sohn irischer Einwanderer, arbeitete als Öl-Chemiker bei Mobil, heute Mobil-Exxon. Ich fuhr mit ihm ständig zu Autorennen." Mullin lächelt: "Aber mein Vater sagte nie, ,dieser Wagen läuft 150 Meilen oder schau Dir mal den Motor an'. Er sagte immer nur, welches Öl der Motor braucht. Komisch. Ich aber achtete längst auf andere Dinge. Auf Design zum Beispiel."

Mullins erstes Auto war 1957 - da war er gerade 16 - ein Chevrolet Bel Air. Anfang der 1960er-Jahre kaufte er sich einen Porsche-Carrera 356. Es war die Zeit, als er Wirtschaftswissenschaften studierte - und nebenbei noch Kunst. "Da entwickelte sich irgendwie meine Liebe zu französischen Autos. Es hatte nichts mit einer Neigung zur französischen Lebensart zu tun, wohl aber faszinierten mich die Formen und Linien von Skulpturen. Zuerst die von Auguste Rodin, dann auch die Arbeiten von Rembrandt Bugatti - wie der ,Schleichende Panther' zum Beispiel."

Mit einem Delahaye fing die Sammelleidenschaft an

Autosammler Peter Mullin

Autosammler Peter Mullin gilt als "Amerikas Mr. Bugatti".

(Foto: Dominic Fraser)

Das erste klassische Auto, das Mullin ins Auge stach, war ein Delahaye - "wieder durch die Linien, die Zweifarbigkeit, die Form insgesamt. Ich konnte den Namen Delahaye nicht mal buchstabieren. Dann folgten ein Voisin, ein Delage und schließlich entdeckte ich einen Talbot Lago von 1948. Ausgerechnet auf dem Golfplatz von Pebble Beach, wo ich vorher noch nie gewesen war. Und schließlich stieß ich zwangsläufig auf Bugatti. Mein erster war ein 37 A, ganz schön schnell."

Die heiße Liebe zu Bugatti wuchs. Es folgten ein 35er, ein 51er und nach vielen, vielen anderen Modellen schließlich als Krönung der Atlantic. "Ich lernte alles über die Marke, die Technik, die Historie und die künstlerisch so enorm begabte Familie. Und dann dieser Mensch, Ettore Bugatti. Faszinierend in seiner Genialität, in seiner Grenzenlosigkeit, in seinem Habitus." Schließlich verliebte sich Mullin auch in die Skulpturen von Bildhauer Rembrandt Bugatti, Ettores Bruder. Ihm widmete die Alte Nationalgalerie in Berlin eine brillante Ausstellung, die gerade zu Ende ging. Hat Peter Mullin sie besucht? "Natürlich. Im Juli, am Tag des Finales der Fußball-WM. Merle und ich wohnten im Hotel Adlon und waren plötzlich völlig überrascht, als sich um das Brandenburger Tor herum eine irrsinnige Menschenmenge versammelte."

Eine gewisse Extravaganz muss sein

Peter Mullin blickt auf seine Armbanduhr - natürlich eine Bugatti-Uhr. Im Hufeisenformat wie die Kühler der Marke. Lunch-Time auf der Quail-Lodge. Am nächsten Tag sehen wir ihn wieder. Bei den Historic-Races im nahen Laguna Seca, umtost vom Lärm der Rennmotoren. Peter Mullin, im hellblauen Overall, klettert in einen seiner drei hellblauen Delahaye-Sportwagen. Doch damit ist die Spaß-Woche für ihn noch nicht vorbei. Am Sonntag sitzt er vor seinem Pavillon direkt auf dem Golfplatz von Pebble Beach. Wie immer schön bunt gekleidet. Mit Strohhut, grünen Strümpfen und einer orangefarbenen Krawatte zum hellblauen Hemd. Eine gewisse Extravaganz muss sein. Natürlich hat er den Concours auch schon gewonnen. Trotzdem kommt er jedes Jahr wieder. Es ist ein Ritual.

Peter Mullin ist mit diesem flirrenden Küstenstrich südlich von San Francisco so verwoben, dass er neben seinem Hauptwohnsitz in Brentwood längst auch ein Haus in Big Sur besitzt. Wobei, Haus ist eher untertrieben. Es ist ein Anwesen, das den Atem stocken lässt. So groß wie der Fürstensitz in Monaco. Minutenlang rollen Besucher auf der gewundenen Privatallee die steile Felsküste hinab, bis ein architektonisches Juwel aus Glas und Stahl sichtbar wird. Betreut von einem Dutzend dienstbarer Geister. Mit Bibliothek, Musikzimmer und Malstudio für Gattin Merle. Mit lichtdurchfluteten Räumen, in denen sanft Vivaldis "Vier Jahreszeiten" schweben. Mit Luxus jeder Art und diversen Sitzecken, die jeweils einen anderen Blick auf die Gischtwogen des Pazifiks gestatten, auf Wale und Seelöwen.

Ein Kapitalist, der sich seiner Verantwortung stellt

Was so etwas kostet? Mullin zuckt die Schultern: "Mir hat mal einer 75 Millionen geboten. Aber warum sollte ich verkaufen? Leider bin ich zu selten hier." Genau so selten wie auf seinem italienischen Gut in Umbrien, wo er Wein, Honig und Olivenöl produziert und artgerecht Schweine züchtet.

Ein glückliches Leben? Vielleicht. Zumindest teilt Ehefrau Merle, die aus Budapest stammt, die Autoleidenschaft ihres Mannes. Die sechs Kinder der beiden - Peter hat vier, Merle zwei - sind da etwas distanzierter. Und vielleicht könnte man den bunten Mullin sogar als einen Grünen bezeichnen. Warum? Mullin erklärt nicht ohne Stolz: "Wir haben in unserem Museum Solartechnik, Windturbinen und ein begrüntes Dach. Damit sind wir zu 100 Prozent unabhängig von fremder Energie." Noch eine Überraschung? Mullins soziale Ader. Er unterstützt Kliniken, Schulen, Universitäten, ein Design-Center, eine Musik-Hochschule. Ein Kapitalist, der sich seiner Verantwortung stellt. Gehört er zu den Reichen im Land? Mullin: "Ich? Reich? Nein. Schauen Sie die anderen hier an. Das sind Milliardäre!" Dann schweigt er und blickt in den blauen Pazifikhimmel.

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