Oldtimer-Markt:Nur die Liebe zählt

Wer einen Oldtimer kaufen will, braucht viel Geduld und einen kühlen Kopf - die Erfahrungen eines Suchenden.

Georg Kacher

Es sind schon viele Oldtimer-Frühlinge ins Land gegangen, aber noch keiner war so hektisch wie dieser. Die Wertsteigerungs-Rallye nimmt immer dramatischere Formen an: Mercedes 300 SL Roadster plus 50.000 Euro in den letzten sechs Monaten, seltene NeunElfer von Porsche plus 20 Prozent seit Jahresanfang, gute Zwölfzylinder-Ferrari längst jenseits von Gut und Böse.

Zu Beginn der Achtziger ging es ähnlich hektisch in der Branche der PS-Jäger und Sammler zu, doch diesmal ist noch mehr Tempo drin. Warum? Stefan Luftschitz, Inhaber des Oldtimer-Imperiums C.F. Mirbach: "Vor allem aus China, Russland und Indien kommen immer mehr Wohlhabende, die sich für alte Autos interessieren. Da die Anzahl der verfügbaren Fahrzeuge endlich ist, ziehen die Preise weiter an."

Stimmt. Wir sitzen in der zweiten Reihe der Dorotheum-Auktion für historische Automobile in Schloss Fuschl. Gegen 500 Euro Einsatz gibt es die Bieterkarte mit der Nummer zwölf - Herzklopfen und feuchte Hände sind gratis. Doch irgendwie kommt die Veranstaltung nicht so recht in Schwung. Nur mein ganz persönlicher Traum, ein vorher gründlich auf Schwachstellen abgeklopftes dunkelblaues Mercedes 280 SE 3.5 Cabriolet, bringt leider deutlich mehr als die 90.000 Euro, plus zehn Prozent Aufgeld, die der Kopf dem Bauch als Limit gesetzt hatte.

Danach bestimmt das große Gähnen die Versteigerung, 17 der 26 Exponate bleiben unverkauft. Ernst Pilger, Experte für historische Fahrzeuge: "Manche Verkäufer haben unrealistische Preisvorstellungen. Außerdem scheuen viele potente Bieter die Öffentlichkeit, weshalb die besten Geschäfte oft erst im Nachverkauf laufen." So auch im Falle des perfekten 300 SL Roadster und der liebevoll gepflegten Pagode, die nach harten Verhandlungen erst drei Tage später ein neues Zuhause finden.

Besitzer und Kunde lernen sich fast nie kennen

Während in Amerika die meisten hochkarätigen Autos bei großen Auktionen die Besitzer wechseln, machen in Deutschland auf Klassiker spezialisierte Händler den Deal. Die beiden Großen der Branche heißen C.F. Mirbach und Auto-Salon Singen. Der in der Sammlerszene nicht unumstrittene Ruf, der ihnen vorauseilt, liegt zum Teil daran, dass viele Fahrzeuge auf Kommissionsbasis verkauft werden: Der Einbringer zahlt eine Gebühr auf den möglichst hohen Verkaufspreis, der Händler kümmert sich um die Vermarktung. Weil sich Besitzer und Kunde fast nie kennenlernen, steht und fällt die Seriosität des Angebots mit dem Vermittler. "Vor allem im Hochpreis-Segment kaufen wir aktiv an", behauptet Stefan Luftschitz, "die Autos stehen nicht auf dem Papier, sondern bei uns in der Halle."

Nur die Liebe zählt

Noch spezieller als Mirbach & Co. sind jene Händler aufgestellt, die sich auf bestimmte Fabrikate oder auf besondere Epochen eingeschossen haben. Mario Bernardi aus Hannoversch-Münden konzentriert sich zum Beispiel fast ausschließlich auf Ferrari. "Das Problem liegt heute ganz eindeutig beim Nachschub von guten, im Idealfall originalen Autos", weiß der Italo-Experte. Wir werden auch bei Signore Bernardi nicht fündig, denn die drei Ferrari, die weniger als 100.000 Euro kosten, sind ausschließlich für kleine drahtige Italiener gebaut. Und selbst die trägen V12-Coupés aus den Siebzigern sind inzwischen richtig teuer. Wenn das so weitergeht, wird man eines Tages sogar den ungeliebten Mondial in Gold aufwiegen.

Bei Mercedes in Fellbach kann man Klassiker ab Werk kaufen. Zum Beispiel eine weitgehend unbehandelte Pagode für immerhin 65.000 Euro, inklusive eines guten Gefühls in Form einer Ein-Jahres-Garantie. Mondpreis oder Marktwert? "Restaurierte Autos gibt es wie Sand am Meer", weiß Center-Leiter Uwe Weischedel, "aber ein Fahrzeug, das abgesehen vom Lack absolut original ist, hat Seltenheitswert und seinen Preis."

Wir suchen weiter, gleich nebenan bei Kienle, dem wohl bekanntesten Spezialisten für Sammlerautos mit dem Stern. Hier wird neu aufgebaut, was hohe Wertsteigerung und entsprechenden Imagezuwachs verspricht: Pagoden ab 150.000 Euro, den 300 SL als Flügeltürer kaum unter 400.000 Euro, Vorkriegsmodelle nach Vereinbarung. Trotzdem stehen die Hallen halb leer, denn selbst der in dieser Branche so beliebte US-Reimport hat längst chronische Zündaussetzer.

Logisches Notensystem mit einigen Schwächen

Wer mit kleinem Geld auf Autosuche geht, der orientiert sich vor allem an Fachzeitschriften wie Markt oder Motor Klassik, im Internet an Spezialseiten wie Classic-Driver und Hemmings. Eine Sonderrolle genießt das amerikanische Magazin Sports Car Market, das detailliert von allen wichtigen Auktionen berichtet. Zur Bewertung werden meist die Classic Data-Noten von "1" (Neuzustand) bis "5" (Teileträger) herangezogen. Diese Einstufung klingt logisch, bietet aber nur ungefähre Anhaltspunkte, die von Land zu Land und von Anbieter zu Anbieter variieren. Ein Auto mit der Note "2" kann man bedenkenlos kaufen, nur finden wird man es kaum. Tom Fischer, der in Brannenburg hochwertige Oldtimer restauriert, bringt das Problem auf den Punkt: "Die Kunst liegt nicht darin, viel Geld in ein Auto zu investieren, sondern eines auszusuchen, in das bereits der Vorbesitzer viel Geld investiert hat."

Nur die Liebe zählt

Die Suche nach dem großen Mercedes Cabrio entpuppt sich als die Mutter aller Sackgassen. Ein Kollege will in der Schweiz ein Einzelstück mit Luftfederung aufgetan haben, doch die Spur verläuft im Sande. Im Schwäbischen schnappen mir zwei Franzosen einen soliden 280er buchstäblich vor der Nase weg. In Düsseldorf erweist sich ein großspurig als mit "2 plus" angepriesenes Ersthand-Auto als ausgebleichte und noch dazu aufgeschnittene Kalifornienkiste mit hässlichen Blinkerwarzen.

In Amerika bietet der als seriös bekannte Händler Dearborn Auto ein passendes Auto an - inklusive Fracht, Zoll, TÜV und Umsatzsteuer aber sprengt der graue Flachkühler den finanziellen Rahmen. Bei einem Abstecher in die Steiermark passt dann alles - bis zur Probefahrt. Der Hobel zieht nach links, als wäre der Vorbesitzer ein Altkommunist gewesen, die Lenkung hat mehr Spiel als eine Pokerrunde, die Bremse ist eine Absichtserklärung, Motor und Getriebe verkehren nur über ihre Anwälte miteinander.

Wer Oldtimer kaufen will, muss leiden. Es gibt keine Erfolgsformel, nur wenig gute und viele schlechte Erfahrungen. Und: Man braucht Zeit, etwas Glück und natürlich gute Beziehungen - zu Clubs, zur Szene, zu den Händlern und Insidern, die teilweise den Markt und damit die Preise bestimmen wie der BMW-Sammler und Immobilien-Tycoon Stefan Schörghuber.

Lange Wochenenden in der Garage

Wenn es gar nicht klappen will mit dem Traumauto, dann muss man eben umdenken und das Spektrum der Wünsche etwas breiter anlegen - der Autor weiß, wovon er spricht. Denn von nun an zählen auch offene Bentleys zu den Objekten der Begierde. Bei der Dorotheum-Auktion wechselte ein SII Continental mit Park-Ward-Karosse für 80.000 Euro den Besitzer. Kein perfektes Auto, aber eine ziemlich gute Entschuldigung für viele lange Wochenenden in der beheizten Garage.

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