Oldtimer-Festival in Goodwood:Auf Tuchfühlung mit automobilen Legenden

Goodwood, Oldtimer

Autokarneval mit Anfassen: das Goodwood Revival 2013

(Foto: JWO)

Bunte Hüte und altes Eisen: Jedes Jahr treffen sich nahe der kleinen Ortschaft Goodwood im Südosten Englands knapp 200.000 Menschen, um die alte britische Rennsporttradition zu zelebrieren - und sich selbst.

Von Jürgen Wolff, Goodwood

Nick Mason hat so gar nichts mehr von einem Rocker. Der Drummer von Pink Floyd, der an diversen legendären Stücken zumindest mitgeschrieben hat und seit den Anfängen dabei ist, macht eher den Eindruck eines humorvollen älteren Herrn - mit schütterem Haar, Doppelkinn und tiefen Falten im Gesicht. Das letzte Studioalbum der Band stammt von 1994, der letzte gemeinsame Auftritt war 2005. Der mittlerweile 69jährige Mason hat längst eine andere Passion gefunden: Er sammelt Autoklassiker.

Autokarneval

Interessiert sich inzwischen eher für klassische Sportwagen: Pink-Floyd-Schlagzeuger Nick Mason

(Foto: JWO)

Die automobilen Schmuckstücke, darunter ein Ferrari 250 GTO, verstauben allerdings nicht in Masons Garage - sie dürfen immer wieder mal an die frische Luft und auf die Rennstrecke. Der ideale Parcours: das Goodwood Revival, das jährlich im September im britischen West Sussex, südöstlich von London stattfindet.

Knapp 200.000 Besucher reisen zu dieser mittlerweile wohl größten europäischen Veranstaltung für klassische Rennwagen an. Die Hotels sind im Umkreis von 100 Kilometern ausgebucht, der Zielort ebenso weit im Voraus ausgeschildert und der Stau vor den Einfahrten der Parkplätze kilometerlang. Bis man an der Rennstrecke angekommen ist, muss man erst einmal eine Kirmes mit alten Fahrgeschäften, Imbissbuden und Verkaufszelten durchqueren.

Auf den Ländereien des Earl of March and Kinrara in der Nähe der ansonsten eher verschlafenen Städtchen Chichester und Westerton lebt nicht nur Britanniens Automobiltradition auf, sondern auch der Glanz des alten Empire. Denn zeitgenössische Kostüme sind auf dem weitläufigen Gelände nicht nur gewünscht - in manche Bereiche wie das Fahrerlager kommt man ohne 50er-Jahre Outfit und Krawatte erst gar nicht hinein.

Autokarneval

Wer ins Fahrerlager will, sollte zeitgenössisch gekleidet sein.

(Foto: JWO)

Vor allem die britischen Besucher zelebrieren das mit Inbrunst. Tweet-Sakkos für die Herren, die Damen tragen Petticoat und ausgefallene Frisuren und Handtaschen. Die Hutmacher der Gegend müssen wohl einige Überstunden leisten. Ringsum auf den zu Parkplätzen umgewandelten Wiesen und Äckern stehen an dem Wochenende mindestens ebenso viele Oldtimer und Edelschlitten wie im Fahrerlager - von Alfa bis Bentley, von Jaguar über Ferrari bis Rolls-Royce.

Der altes Glanz des Empire

Das Outfit alleine allerdings reicht in Goodwood nicht: In einem großen Zelt wird zur Musik der 1940er bis 1970er Jahre getanzt, Mütter schieben ihren Nachwuchs in Kinderwagen über den Rasen, die im Raketen-Stil der 50er Jahre gestaltet sind, angeheuerte Cricket-Nachwuchsteams marschieren in Schuluniformen über die Wege. Dazwischen immer wieder kleine Gruppen in zeitgenössischen Outfits: ein Team von Tennisspielern, Straßensänger oder Trupps von Freizeit-Soldaten, die mit geschultertem Gewehr und Weltkriegsuniformen über das Gelände marschieren. Hier mag man den Verlust der alten Größe des Emipre noch nicht so ganz akzeptieren.

Ach ja, mit alten Rennwagen hat das Ganze natürlich auch zu tun. Nirgendwo sind so viele klassische Rennwagen an einem Ort vereint. Im Paddock parken säuberlich nach Marke und Baujahr geordnet Seite an Seite ganze Reihen von roten Alfa Romeo, grünen Aston Martins, Maseratis oder Lotus-Fahrzeugen. Dazwischen Corvettes und Cobras aus den USA, vereinzelte Mercedes, einen kleinen Pulk von Minis. Ein Schwerpunkt des diesjährigen Goodwood-Festivals liegt auf dem Ford GT. Unter den Zeltdächern wird am vergangenen Wochenende aus Anlass des 50. Geburtstages des Ford-Boliden wohl knapp die Hälfte der weltweit noch existierenden GT-Flotte gestanden haben. Insgesamt dürften Rennwagen im Wert von einigen hundert Millionen Euro den Rasen des Lords zerstört haben.

Eine Besonderheit von Goodwood war schon immer, dass die Zuschauer ganz nah ran dürfen. Ohne Probleme ein Cockpit zu fotografieren oder unter das aerodynamische Blechkleid eines alten Formel 1-Wagens zu blicken, das ist in Goodwood im Gegensatz zu vielen anderen weit exklusiveren Veranstaltungen problemlos möglich.

Autokarneval

Rennen statt Glänzen: Auf dem Goodwood Revival schenken sich die Piloten nichts.

(Foto: JWO)

Das Publikum ist Teil der Show, nicht nur in Sachen Outfit. Und bei den Rennen wird den rasenden Vermögensanlagen nichts geschenkt. Ihre Fahrer, darunter zum Beispiel Jochen Maas und Tom Kristensen, jeweils in einem Ford Galaxie 500, Rauno Aaltonen auf einem Austin Mini Cooper S, Johnny Cecotto im BMW 1800, Mark Blundel oder "Mr. Bean"-Darsteller Rowan Atkinson im Ford-Lotus, oder eben Nick Mason in seinem Frazer Nash - sie alle wollen gewinnen. Vom Blech- bis zum Totalschaden reicht die Spanne. Es gibt kein Pardon. Das Publikum freut's - und die Restauratoren auch.

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