Oldtimer als Wertanlage:Rollendes Kapital

Lesezeit: 5 min

Mehr und mehr Anleger investieren ihr Geld lieber in teure Oldtimer statt in Wertpapiere. Auf speziellen Auktionen wechseln seltene Exemplare den Besitzer. Davon profitieren vor allem einige exklusive Auktionshäuser.

Jochen Arntz

Es ist, als entdeckte man eine bessere Welt. Eine Welt, in der die Vergangenheit golden, die Gegenwart glänzend und die Zukunft rosig erscheint. Eine Welt, in der man mit alten Dingen neues Kapital schafft und in der Sammler und Liebhaber mit ihrer Leidenschaft kein Geld verlieren, sondern glauben, ein Vermögen verdienen zu können. Es geht um Kunst, im weitesten Sinne, um Auktionen und Unikate, doch in dieser Welt wird nicht mit Bildern oder Plastiken gehandelt. Hier werden alte Autos versteigert, und die Leute, die diese Welt bevölkern, trifft man bei Auktionen in Monaco oder London, in Pebble Beach in Kalifornien oder auf Amelia Island, einer Insel vor Florida. Und manchmal trifft man sie auch in Deutschland, im Ruhrgebiet, wenn das britische Auktionshaus Coys im Frühjahr auf der Oldtimermesse Techno Classica in Essen den Hammer fallen lässt.

Auktionen gelten als Fundgrube für Schnäppchenjäger. Man kann dort aber auch zu viel bezahlen: Laut Experteneinschätzung ist dieser 1973er Lamborghini Espada die 70.150 Euro nicht wert, die ein Kunde im Februar 2011 in Paris für den Wagen hingeblättert hat. (Foto: dpa-tmn)

Es ist noch nicht so viele Jahre her, da waren Auto-Auktionen in Deutschland ein schräges Kaufvergnügen für Snobs und reiche Fans, doch das hat sich mit den derzeitigen Krisen deutlich verändert. Oldtimer sind Anlageobjekte geworden, versprechen sie doch deutlich höhere Renditen als Tagesgeld und oft sogar bessere Aussichten als Aktien. Zumindest dann, wenn man sich als Anleger die schönen Autos noch ein wenig schöner rechnet und die Kosten für Unterbringung und Pflege nicht ganz genau mit in die Rechnung aufnimmt. Und das tun viele, die lieber ein altes Auto in der Garage als ein Papier im Depot haben.

Die Märkte sind gut", sagt Michael Haag, der auf der Essener Messe das Londoner Auktionshaus Coys vertritt. Viel mehr muss er dazu auch nicht sagen, weil sich im Moment für diesen Optimismus kaum eine Einschränkung findet. Die Fachpresse berichtet Monat für Monat von Versteigerungspreisen auf Rekordhöhe, und die Auktionshäuser suchen in ganzseitigen Anzeigen Objekte zur Versteigerung. Das kanadisch-amerikanische Unternehmen "RM Auctions", eines der großen der Branche, versteigerte vergangenes Jahr nicht nur einen alten Porsche, den einst der Schauspieler Steve McQueen gefahren hatte, für weit mehr als eine Million Dollar - es erzielte 2011 überhaupt traumhafte Ergebnisse.

Nicht anders ging es Gooding, den Versteigerern aus Santa Monica, die Autos für insgesamt 131 Millionen Dollar unter den Hammer brachten. Zum Beispiel auch einen Ferrari 250 Testa Rossa. Er war mit gut 12,5 Millionen Euro das teuerste versteigerte Auto. In Essen, wo Coys alljährlich Ende März eine große Auktion veranstaltet, geht es um andere Summen. Doch ganz kleine sind es auch hier nicht, das zeigt schon ein Blick in den Katalog.

Oldtimer als Geldanlage
:Lohnenswerte Beispiele

Nicht alle bringen ihr Geld auf die Bank und nicht jeder ist auf der Suche nach einer wertstabilen Immobilie in bester Lage. Immer mehr Autofans nutzen Old- und Youngtimer als Geldanlage.

Beispiele.

In einer großen Messehalle haben die Auktionatoren von Coys die Autos aufgestellt, unter anderem einen Mercedes 300SL Flügeltürer aus den fünfziger Jahren. Wer ihn haben will sollte 400.000 bis 500.000 Euro flüssig haben - das ist der Schätzpreis - und sich im Büro von Coys einen gelben Bieterzettel geholt haben. Nur mit einem solchen Zettel in der Hand darf man mitsteigern. Der Mann in der blauen Jacke, der bei der Auktion ganz hinten im Publikum steht, hat beides. Das Geld und den Zettel. Und er hat eine große Gelassenheit.

Als der Auktionator vorne am Pult schließlich 435.000 Euro als letztes Gebot aufruft und fragt, ob jemand noch höher gehen wolle, da wartet der Mann in der blauen Jacke einen kleinen Moment, nickt dann kaum sichtbar. Der Auktionator fragt: "War das ein Ja?" Da nickt der Mann noch einmal kurz. Und lächelt. Der Hammer fällt dann bei 440.000 Euro, der Mann hat den Flügeltürer. Und er tut das, was so viele Gewinner tun. Sie verschwinden diskret aus dem Publikum und tauchen ebenso diskret später wieder im Auktionsbüro auf.

Solche Kunden wissen natürlich, dass es mit dem sogenannten Hammerpreis nicht getan ist. Hinzu kommen zehn bis 15 Prozent Aufgeld für den Auktionator und die Mehrwertsteuer. Und die Käufer wissen in der Regel auch sehr genau, worauf sie geboten haben: Zwei Tage konnten die Interessenten in Essen vor der Auktion die Autos inspizieren - eine genaue Begutachtung ist ausdrücklich erwünscht.

Und wenn jemand am Ende doch nicht bezahlen kann? "Wir haben eigentlich keine Ausfälle", sagt Michael Haag von Coys. Er erinnert sich nur an einen Fall, und den gab es ausgerechnet in Monaco. Manche Auktionshäuser verlangen vor der Versteigerung Bankbürgschaften von den Bietern. Grundsätzlich ist es ein Geschäft auf Vertrauen, manchmal aber müssen später Anwälte bemüht werden. Das gilt auch für einen anderen Aspekt: Genau wie im Kunstmarkt geht es im wirklich teuren Oldtimergeschäft meist um Unikate, zumindest um unwiederbringliche Originale. Das macht sie rar und teuer. Und zu einem lohnenden Ziel für Fälscher. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Zumal die Grenzen zwischen einem komplett restaurierten und einem kopierten Auto nicht immer ganz genau zu ziehen sind. Den Markt haben solche Zweifel allerdings nie nachhaltig getrübt.

Der Auktionator in Essen treibt mit kleinen Witzen ("Ich weiß, der Mann neben Ihnen wird Ihnen das Geld leihen.") und großer Geduld die Gebote höher. Er achtet auf seine Kollegen, die an den Telefonen sitzen und Bieter betreuen, die nicht persönlich in der Halle sein können. Oft sind gerade die Telefonbieter besonders beharrlich. Aber manchmal ist alles vergebens. Dann lässt der Auktionator beim letzten Gebot den Hammer fallen und sagt: "Sorry, not for that Price." Es gab also einen Mindestpreis für das Auto, der wurde nicht erreicht. Oft möchten Anbieter mit solchen Limits den Marktpreis ihres Wagens testen, auch dafür sind die Versteigerungen gut.

Villa d'Este: Klassiker-Auktion
:Träume unterm Hammer

Das gab es noch nie: Bei der italienischen Klassiker-Auktion Villa d'Este werden sechs Unikate der Designschmiede Bertone versteigert. Neben diesen faszinierenden Studien verblassen sündhaft teure Bugattis oder seltene Ferraris fast zu Lückenfüllern im Katalog.

Das Publikum der Essener Auktion ist, zumindest was die Kleidung betrifft, nicht ganz so spektakulär, wie es die Autos sind. Die Leute, die hier mitbieten, sehen nach Casual Friday im Büro aus, Jackett und Jeans. Wer es ein wenig mondäner wünscht, sollte am zweiten Mai-Wochenende nach Monaco fahren und dort die Versteigerungen von Coys, Bonhams und RM besuchen. Bei der RM-Auktion in Monte Carlo reicht die Spanne von einem Mini, der mit 12.000 bis 15.000 Euro geschätzt ist bis zu einem Ferrari, der mehr als vier Millionen bringen soll.

Wer nicht so weit reisen und neben einem guten Instinkt für Investitionen auch einen gewissen Kunstsinn unter Beweis stellen möchte, fährt Mitte Mai zur Automobilia-Auktion des Hauses Seidel und Friedrich nach Ladenburg. Dort wird die Kollektion eines Porsche-Sammlers versteigert. Dabei geht es auch um einige Autos, vor allem aber um Bücher, Fotos, Kataloge und Souvenirs rund um die frühen Porsche-Jahre. Die Sammlung ist wertvoll, sie wurde von einem Mann zusammengetragen, der sich nur Milou nennt und auch nicht mehr über sich preisgeben möchte. Man wird ihn nicht verraten, wenn man sagt, dass er im Hauptberuf mehr mit Kunst als mit Autos zu tun hat. Er kennt das Geschäft mit den seltenen und schönen Dingen bestens. Im Vorwort für den Auktionskatalog, in dem seine Sammlung vorgestellt wird, schreibt er dennoch: "Die Sammlung verkaufe ich in der Hoffnung, dass Passion (und nicht Geld) gewinnen wird."

Man wünscht es ihm, und sollte es in Ladenburg so kommen, hätte man tatsächlich eine bessere Welt entdeckt. Eine, in der die Vergangenheit nicht nur ein Renditeversprechen für die Zukunft ist.

© SZ vom 16.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: