Einsame Täler, dünne Nebelschwaden, geheimnisvolle Lichtspiele und mittendrin ein Pferd - so sieht wohl das Klischee eines Island-Urlaubs aus. Die Überprüfung des Klischees in der Realität zeigt manchmal aber etwas anderes, nämlich starke Geländewagen anstelle netter Ponys.
Das erzählt der gebürtige Dresdner Henry Kröher, der als Tourismusmanager jedes Jahr mehrere Monate auf der Insel lebt. Denn die Isländer mögen zwar ihre Pferde, aber noch mehr mögen sie Pferdestärken und breite Reifen - und so toben sie sich mit ihren Offroadern auf den Hochlandpisten aus und rauben den 1-PS-Touristen die Illusion, die Isländer würden besonders umweltbewusst leben.
Tatsächlich weist Island die höchste Pro-Kopf-Dichte an Geländewagen weltweit auf. In einem Land, das nur 50 Kilometer Autobahnen hat, aber 12.000 Kilometer Schotterpisten, ist das erst einmal nicht verwunderlich. Doch der Wirtschaftsboom des vergangenen Jahrzehnts, der jetzt ein jähes Ende fand, hatte die Isländer zu wahren Auto-Fetischisten werden lassen. Banker zeigten ihren neuen Reichtum, indem sie mit einem blitzenden Porsche 911 Reykjaviks Einkaufsmeile Laugavegur auf und ab fuhren. 88 Prozent der Hauptstädter stiegen täglich in den eigenen Wagen.
Die vier Prozent, die mit dem öffentlichen Bus fuhren, galten als Hippies und Asoziale. Inzwischen reisen deutsche Porsche-Fans nach Island, um die auf Pump finanzierten Sportwagen zu Schnäppchenpreisen aufzukaufen. Die Party ist vorbei. Doch das Faible für dicke Geländewagen, umgebaute Land Rover und Landcruiser mit gewaltigen 38-Zoll-Ballonreifen ist geblieben. "Da hat sich eine richtige Industrie entwickelt", erklärt Kröher. "Rund ein Dutzend Spezialwerkstätten auf der Insel rüsten Geländewagen zu Super-Offroadern um, mit Funkgeräten, Spezialnavis und Kompressor zum Anpassen des Reifendrucks."
Das brachte ihn auf die Idee, die Allradler für Selbstfahrertouren im Tourismus einzusetzen. Sein Mentor Jón Baldur ermutigte ihn. Baldur führt seit vielen Jahren ein Reiseunternehmen in Island, hat in München Fahrzeugbau studiert und ist ein Paradebeispiel des einheimischen Auto-Fetischisten. Gemeinsam investierten sie in den Umbau von acht Land Rover des Typs Defender 110. Solche Klassiker mit Leiterrahmen, Starrachsen, wenig Elektronik und ohne Luftfederung sind am besten für das Tuning geeignet.
Land Rover Freelander TD4e:Für England, James
Der Freelander ohne Offroad-Fähigkeiten wäre wie die Queen ohne Krone. Beim neuen TD4e mit Start-Stopp-System gilt daher: Sparen ja - aber keine Kompromisse im Gelände.
Dann tüftelten sie spektakuläre Routen auf den Hochlandpisten aus: im Winter über Schnee und Eis, im Sommer durch brusthohe Flüsse, querfeldein, oder am Meeresstrand entlang. Im vergangenen Jahr gingen sie mit ihrem Programm an den Start. Zu den Kunden gehören neben Touristen auch Firmen, die die Touren für Team-Building-Zwecke und als Mitarbeiter-Incentives buchen. Ein zweifelndes "Hier soll man Auto fahren können?" haben Kröher und Baldur dabei schon öfter gehört. Denn die Routen sind anspruchsvoll, das Schalten mit einem Differentialgetriebe und das Fahren auf Schnee erfordern Fingerspitzengefühl und Übung. "Wir sprechen deutlich an, was man besser nicht tun sollte", sagt Kröher.
Dass umweltfreundlichen Besuchern der Insel diese Form des Tourismus wenig gefallen könnte, haben Baldur und Kröher eingeplant: Um ihrem Unternehmen, so spritfressend die Geländewagen auch sind, trotzdem einen umweltfreundlichen Anstrich zu geben, wird mit einem Teil des Reisepreises eine Entschädigung für den Kohlendioxid-Ausstoß der Autos bezahlt und die Brennstoffzellen-Forschung für umweltfreundliche Antriebstechniken unterstützt. Damit es sich mit reinem Gewissen durch die einsamen Täler röhren lässt.