Offroad durch Afrika:Schlaglöcher, groß wie Badewannen

Offroad-Tour durch Botswana

Brücken gibt es in Botswana kaum. Also muss man mit dem Auto durch den Fluss.

(Foto: Specht)

Von 10 000 Kilometern Straße in Botswana sind nur 4000 befestigt. Und selbst die sind kaum zu befahren.

Von Michael Specht

Neue Autos vorstellen kann jeder. Alles poliert, alles frisch, alles bestens. Was soll da schon schiefgehen? Wie aber bewährt sich ein Wagen, der mehr als 60 000 Kilometer auf dem Buckel hat, die meisten davon auf unbefestigten Straßen? Der von Deutschland bis nach Südafrika und wieder zurück gefahren ist und dem in seinem Autoleben irgendwo zwischen Island und Chile alles abverlangt wurde? "Da muss man beim Verschleiß eigentlich die zehnfache Laufleistung ansetzen", sagt Matthias Göttenauer, einer der Geschäftsführer von Experience, einem Offroad-Veranstalter aus Fulda. Dem 49-jährige Outdoor-Spezialist gehören ein halbes Dutzend VW Amarok. Einer diente unter anderem dem Volkswagen-Motorsport-Werksteam als Servicefahrzeug bei der Rallye Dakar. Schlimmeres kann man einem Serienauto eigentlich kaum zumuten.

Volkswagen zögerte daher zunächst, als Göttenauer der Nutzfahrzeug-Sparte in Hannover vorschlug, den geschundenen Pritschen-Lastern erneut auf die harte Tour zu kommen und mit ihnen das südliche Afrika unter die Räder zu nehmen. Insgesamt mehrere Tausend Kilometer Off-road-Abenteuertour. Eine Herausforderung mit einem nicht unerheblichen Risiko. Doch letztlich siegte das Vertrauen in die Robustheit des Amarok. Der Vorstand willigte ein.

In Botswana dient das Heer der Pick-ups nur einem Zweck

Schon beim Landeanflug auf Maun (sprich: Máu:n) in Botswana sieht man aus dem Kabinenfenster, dass da unten normale Personenwagen in der Minderheit sind, dagegen fahren Pick-ups soweit das Auge reicht. Und alles wird damit transportiert: Baustoffe, Brennholz, Tiere, Menschen. Nicht selten hockt eine ganze Schar Kinder auf der Pritsche. Sitze? Gurte? Fehlanzeige. Isofix-Befestigungen? Nie gehört. Bei uns hätte diese Art der Beförderung sicher einen Großeinsatz der Polizei zur Folge. Hier stört es niemanden.

Das Leben in Afrika ist anders, ursprünglicher, weniger perfektioniert. Erst recht in Botswana, das uns im Dezember bei Temperaturen von mehr als 40 Grad Celsius empfängt. Botswana, das etwa so groß ist wie Frankreich, wird zu 80 Prozent beherrscht vom riesigen Trockengebiet der Kalahari-Steppe. Maun gilt als Tor zum berühmten Okavango-Delta. Dort können Touristen das perfekte "African Wildlife" erleben. Dutzende Lodges bieten nicht nur exklusive Aufenthalte, sondern auch sogenannte Game Drives an, Touren durch die Wildreservate, meist in speziell hergerichteten Toyota Land Cruiser. Und die Chancen stehen recht gut, dass einem dabei die "Big Five", nämlich Löwe, Leopard, Büffel, Elefant und Nashorn, vor die Linse laufen.

Nur 4000 Kilometer Straße sind befestigt

Die Beobachtung von wilden Tieren ist zu einem wichtigen Wirtschaftszweig in Botswana geworden, die erzielten Gewinne werden unter anderem zum Artenschutz und zum Kampf gegen Wilderer verwendet. Letztere haben es besonders auf das Nashorn abgesehen. Ein Horn kann auf dem Schwarzmarkt bis zu 100 000 Euro bringen und wird in Teilen Asiens immer noch als vermeintlich potenzsteigerndes Mittel gehandelt. "Absoluter Schwachsinn, biologisch sind die Hörner nichts anderes als Fingernägel", ärgert sich unser Ranger Steve, der uns auf wenige Meter an die urzeitlich wirkenden und tonnenschweren Tiere heranbringt. Selbst fahren dürfen wir in diesen Reservaten, die teils bis zu 75 000 Hektar große sind, nicht. Aus gutem Grund. Wer will sich schon wie "Essen auf Rädern" fühlen? Aber auch so bieten Botswana, das angrenzende Simbabwe und das nördliche Südafrika genügend andere Auto-Abenteuer. Das liegt schon an der Infrastruktur in diesen Ländern.

Allein in Botswana sind von etwa 18 000 Kilometern Straße nur etwa 4000 Kilometer befestigt, viele Straßen und Wege sind staubige "gravel roads". Den Amaroks und uns Fahrern wird hier alles abverlangt: groß wie Badewannen sind die Schlaglöcher bisweilen, Unterspülungen, tiefe Spurrillen und Waschbrett-Pisten martern das Fahrwerk und verlangen am Steuer höchste Konzentration. Dazu kommt, dass wir uns die schmale Piste mit Rindern, Ziegen und Eseln teilen, die unmittelbar am Straßenrand das letzte bisschen Grün aus der trocknen Erde rupfen. Oft genug stehen die Viecher auch direkt auf der Straße oder überqueren sie unvermittelt - mit nicht immer optimalem Ausgang. Kadaver in unterschiedlichen Verwesungszuständen sind stumme Zeugen links und rechts des Fahrstreifens.

Badewannengroße Schlaglöcher

Umso schöner, wenn die Sand- und Schotterpisten einmal relativ eben verlaufen. Mit schnurrendem Diesel fegen unsere Amarok mit bis zu 120 km/h dahin, lange Staubfahnen im Schlepptau. Eine wunderbare Art, Auto zu fahren. Zumal bald schon wieder anspruchsvollere Aufgaben warten. "Kein Afrika-Trip ohne die obligatorische Flussüberquerung", sagt Tour-Guide Matthias Göttenauer. Meist jedoch geht es da um ein paar knietiefe Pfützen, etwas Sand und Geröll. Der Flusslauf, an dem sich unser Tross sammelt, hat es allerdings in sich. Nicht ohne Grund gibt es hier einen Fährbetrieb, wenn auch nicht ganz nach deutschem Maßstab: ein paar Bretter auf einen Ponton genagelt, dazu ein Geländer mit - immerhin - einigen Rettungsringen und daneben ein kleines Beiboot mit Außenbordmotor. Kapazität der Fähre: ein Auto. Wegen der knappen Zeit entscheidet Afrika-Experte Matthias daher nicht zur Über- sondern zur Durchfahrt.

Es erfordert einigen Mut, ein unbekanntes Gewässer auf diese Art zu durchqueren. Grundregel Nummer eins: Immer vorher zu Fuß durchs Wasser, um Untergrund und Tiefe zu checken (Krokodile sollen hier keine drin sein, bestätigten uns die Einheimischen). Regel Nummer zwei: Nie fahren, ohne dass ein zweites Auto am Ufer bleibt, das einen notfalls wieder herausziehen kann. Amarok-Anführer Göttenauer, bereits bis zur Hüfte im Wasser, streckt den Daumen nach oben und ist sich sicher: Der allradgetriebene Pick-up wird es packen.

Offroad durch Afrika: Elefanten bekommen Autofahrer in Deutschland eher selten zu sehen.

Elefanten bekommen Autofahrer in Deutschland eher selten zu sehen.

(Foto: Specht)

Die Füße bleiben trocken

Jetzt nur noch die Differenzial-Sperre einschalten und ab in die schmutzig-braunen Fluten. Im Schritttempo. Schneller wäre nicht gut, weil der Wagen sonst aufschwimmen würde und die Räder die Bodenhaftung verlieren. Der Amerok sinkt bedrohlich tief ein, Wasser strömt über die Motorhaube. Doch liegen Elektronik und der Ansaugstutzen für die Luft glücklicherweise noch höher. Auch unsere Füße bleiben trocken, kein Tropfen ist in den Innenraum gedrungen. Als wäre nichts gewesen erreicht der Konvoi das Ufer auf der anderen Seite - übrigens sehr zum Erstaunen des Fährmanns, der in diesem Moment vermutlich schon seine Geschäftsgrundlage davonschwimmen sah.

Die Amarok-Tage im südlichen Afrika waren nicht nur geprägt von unvergesslichen Momenten, sondern zeigten auch, wie anders man hier mit dem Auto umgeht, wie anders die Ansprüche an Mobilität sind, wie wenig das Auto als Statussymbol dient und wie sehr Robustheit und Zuverlässigkeit zählen. Keiner stört sich an Kratzern und Steinschlägen im Lack, keiner an einem halben Millimeter zu viel Spaltmaß am Armaturenbrett und schon gar keiner vermisst irgendwelche elektronischen Hilfen wie Abstandsradar, Einpark-Pilot, Spurhalte-Assistent, oder so Sachen. Was hier zählt ist der Zweck und das Mittel. Nichts anderes.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: