Ölkonzerne und der Wettbewerb:Frust an der Zapfsäule

Tankstelle: Günstig tanken

Immer günstig und zum fairen Preis tanken? Schön wärs.

(Foto: Ina Fassbender/dpa)
  • Rohöl ist so billig wie seit sechs Jahren nicht, aber der Benzinpreis ist kaum gesunken.
  • Ausgerechnet seit Einführung der Markttransparenzstelle für Kraftstoff weichen Öl- und Kraftstoffpreise immer stärker voneinander ab.
  • Während das Bundeskartellamt und der Mineralölverband dafür einfache Erklärungen haben, fordern ADAC und Verbraucherschützer noch mehr Transparenz.

Von Silvia Liebrich und Jan Willmroth

Autofahrer haben derzeit, so scheint es, wenig Grund zu klagen. Die Preise an den Tankstellen sind seit Wochen so günstig wie lange nicht. Und das, obwohl die Mineralölkonzerne diese in der Ferien- und Reisezeit eher erhöhen.

Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die Benzinpreise noch deutlich niedriger sein müssten: Seit Monaten sinkt der Ölpreis. In der vergangenen Woche fiel er bis auf 40 Dollar pro Barrel (etwa 159 Liter). So niedrig war er seit sechseinhalb Jahren nicht mehr. Trotzdem müssen Autofahrer in diesen Tagen für einen Liter Super E 10 im Schnitt etwa 1,40 Euro zahlen. Das sind nur knapp zehn Cent weniger als vor einem Jahr. Allerdings war Öl damals mit knapp 100 Dollar mehr als doppelt so teuer wie heute - ein Vergleich, der deutlich macht, dass Mineralölkonzerne die sinkenden Ölnotierungen nur zum Teil an ihre Kunden weitergeben.

"Keiner senkt seine Preise stärker als unbedingt notwendig"

Und noch etwas fällt auf: dass Benzin- und Ölpreis ausgerechnet seit Einführung der Markttransparenzstelle für Kraftstoff immer stärker voneinander abweichen. Das zeigt eine Datenanalyse der Süddeutschen Zeitung (siehe Grafik). Dabei sollte dieses Instrument, das im Dezember 2013 eingeführt wurde, Autofahrern den Rücken stärken und - so hofften zumindest viele - für günstige und faire Preise sorgen.

Ölkonzerne und der Wettbewerb: SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg, Mineralölverband

SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg, Mineralölverband

Es war der damalige Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), der die Transparenzstelle in der alten schwarz-gelben Bundesregierung durchsetzte. Er wolle so den "Preisexzessen" an den Tankstellen ein Ende setzen, versprach er vor drei Jahren. Die Spritpreise hatten gerade Höchstwerte erreicht, Konsumenten fühlten sich abgezockt. Das Bundeskartellamt, bei dem die Transparenzstelle angesiedelt ist, stellte in einer Sektoruntersuchung Wettbewerbsverzerrungen auf dem Tankstellenmarkt fest. Nur fünf große Anbieter - Shell, Esso, Aral, Total und Jet - dominieren den deutschen Markt.

"Auch die Mineralölkonzerne nutzen die Transparenzstelle"

Klar war allerdings schon damals, dass nicht nur Konsumenten, sondern auch Tankstellenbetreiber ihren Nutzen ziehen können aus der staatlichen Meldestelle, an die alle 14 000 Stationen in Deutschland seit eineinhalb Jahren jede einzelne Preisveränderung umgehend melden müssen. Mineralölkonzerne haben ebenfalls Zugriff auf diese Daten - und besitzen so die Möglichkeit, ihre Preise gezielter zu steuern. Oder sie nutzen sie gar für neue Geschäftsmodelle wie Shell mit einer Kundenkarte (siehe Kasten).

Geschäftsmodell

Die Konzerne haben sich lang gegen die Transparenzstelle gesträubt, doch sie bringt ihnen auch Vorteile. Vorher mussten sie sich über die Preise der Konkurrenz selbst informieren, nun erhalten sie diese von der staatlichen Datensammelstelle. Laut Gesetz sind Tankstellenbetreiber verpflichtet, Preisänderungen bei Super E 5, Super E 10 und Diesel spätestens nach fünf Minuten zu melden. Shell hat daraus ein Geschäftsmodell entwickelt. Das Unternehmen wirbt damit, dass Inhaber einer bestimmten Kundenkarte höchstens zwei Cent je Liter mehr zahlen müssen, als an der günstigsten Tankstelle in der Umgebung. Das Angebot komme gut an, sagt eine Shell-Sprecherin: "In der Spitze haben wir an einem einzigen Tag 7800 Neukunden registrieren können." Das Beispiel zeige, dass die Konzerne auf das gestiegene Preisbewusstsein der Autofahrer reagierten, heißt es dazu beim Kartellamt. Silvia Liebrich

Auch beim ADAC, Deutschlands größtem Autofahrerverband, ist das bekannt. "Transparenz gibt es nie nur für einen. Auch die Mineralölkonzerne werden die Möglichkeiten der Transparenzstelle ganz konsequent nutzen. Da bestand für uns nie ein Zweifel", sagt Jürgen Albrecht, Kraftstoffmarktexperte beim ADAC. Die Konzerne könnten sich gegenseitig so noch besser im Auge behalten. "Keiner senkt seine Preise stärker als unbedingt notwendig", glaubt er. Ob die Transparenzstelle eine Ursache dafür sei, dass die Anbieter den sinkenden Ölpreis nur teilweise weitergeben, könne er aber nicht sagen. "Auffällig ist aber, dass die Benzinpreise auch im Vergleich zum Diesel noch immer deutlich zu hoch sind."

Relativ starker Wettbewerb

Der Ökonom Manuel Frondel geht schon länger dem Verdacht nach, dass die Entwicklungen am Ölmarkt nicht bei den Kunden an der Tankstelle ankommen. Die Hypothese, dass es doch so ist, konnte er allerdings noch nie zurückweisen. "Wie wir es auch betrachten, bislang finden wir nur Evidenz dafür, dass die Ölpreisentwicklung eins zu eins an die Kunden weitergegeben wird", sagt der Leiter des Fachbereichs Umwelt und Ressourcen beim Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsforschungsinstitut in Essen. Aus den Daten gehe hervor, dass es einen relativ starken Wettbewerb unter Tankstellenbetreibern gebe.

Verbraucherschützer sind skeptischer. Es könne nicht sein, dass die Unternehmen bei steigenden Rohstoffkosten ihre Preise erhöhten, im umgekehrten Fall aber die zusätzlichen Gewinne einstrichen, schimpft Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, der sich auf eine eigene Studie beruft. Die zeige deutlich, dass nur ein Teil der Kostenersparnis beim Öl bei den Kunden ankommt.

Viele Autofahrer vergleichen die Preise

Beim Bundeskartellamt sieht man keinen Zusammenhang zwischen der Einführung der Transparenzstelle und der Entwicklung der Benzinpreise. "Die Konzerne wussten schon vor Einführung der Markttransparenzstelle stets genauestens über sämtliche Preise und Preisänderungen der Konkurrenz Bescheid", sagt dessen Chef Andreas Mundt. Der große Vorteil sei, dass jetzt auch die Verbraucher ein Instrument hätten, um die Preise zu vergleichen.

Gut 50 Dienstleister bieten inzwischen Preisvergleiche für Autofahrer an, über Internetprogramme, Apps oder Navigationssysteme. Allein die App des ADAC wurde nach Angaben des Verbands weit mehr als zwei Millionen Mal abgerufen. Der im Vergleich zum Öl hohe Benzinpreis könne auch andere Gründe haben, sagt Mundt. "Wir wissen, dass der Benzinpreis von vielen Faktoren beeinflusst wird, die man nicht ausblenden kann. Die Markttransparenzstelle ist ja letztlich nur ein Baustein."

Hoher Steueranteil, große Nachfrage

Tatsächlich hängt der Benzinpreis von verschiedenen Faktoren ab. Christian Küchen vom Mineralölwirtschaftsverband (MWV) weist darauf hin, dass beim Benzin etwa zwei Drittel des Preises durch Energie- und Mehrwertsteuer bedingt seien. "Insofern kann auch schon aus diesem Grund eine Rohölpreissenkung nicht in gleichem Umfang bei den Tankstellenpreisen niederschlagen." Wichtig für den Benzinpreis seien zudem die Raffineriepreise und die Nachfrage. Vor allem aus den USA sei die Nachfrage in den vergangenen Monaten gestiegen. "Das hat dazu geführt, dass erstmals seit vielen Jahren wieder erhebliche Mengen Benzin aus Westeuropa nach Nordamerika exportiert wurden", so Küchen.

Diese Begründung stellt den ADAC-Experten Albrecht nicht zufrieden. "Der Wettbewerb funktioniert insgesamt nach wie vor nicht wie gewünscht, die Musik spielt nicht allein an der Tankstelle, eine wichtige Rolle spielen auch die Raffinerien", argumentiert er. Das Problem sei, dass die oft mehrere Konzerne zusammen betreiben. "Da muss von Seiten des Kartellamtes noch mehr geschehen." Dort ist bereits eine Sektoruntersuchung in Arbeit, sie soll den Wettbewerb unter den Raffinerien überprüfen. Auf einen Veröffentlichungstermin will sich Kartellamtschef Mundt nicht festlegen: "Ich kann derzeit leider noch nicht sagen, wann wir hier erste Ergebnisse vorlegen können."

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