Nutzfahrzeug von VW:Die Blaulichtszene freut sich auf den neuen Crafter

Der neue VW Crafter als Krankenwagen.

Die Firma Ambulanz Mobile präsentierte auf der diesjährigen Rettmobil-Messe einen Rettungswagen auf VW-Crafter-Basis.

(Foto: VW Nutzfahrzeuge)

Rettungswagen, Wohnmobil oder klassischer Transporter: Der VW Crafter bringt die nötigen Qualitäten für viele Einsatzzwecke mit. Das erkennt sogar die Konkurrenz an.

Von Marco Völklein

Nein, wirklich falsch lag der Verkäufer nicht mit seiner Einschätzung. "Fast wie ein Pkw" werde sich der neue Crafter anfühlen, hatte der Mann am VW-Stand auf der Münchner Messe "Transport Logistic" bereits im Mai geschwärmt. Tatsächlich erinnert allein schon im Cockpit des Dreieinhalbtonners vieles den Fahrer an das, was er aus Polo oder Golf kennt. Das Navigationsgerät zum Beispiel lässt sich ähnlich komfortabel bedienen wie in den Pkws. Die Verkehrszeichenerkennung funktioniert tadellos und warnt einen, sobald man zu schnell fährt. Auch die Steuerung des Radios kennt man aus der Welt der kleineren VWs. Und würde sich von den unglaublich vielen Staufächern auch nur ein Bruchteil in Polo oder Golf wiederfinden, man würde dort deutlich mehr Ordnung halten.

Seit März verkauft die Nutzfahrzeugsparte von VW den neuen Crafter. Und der Konzern hat einiges vor mit dem Transporter - schließlich boomt das Segment schon seit einigen Jahren. Nach Daten des Automobilherstellerverbands VDA wurden 2016 bundesweit 264 000 Nutzfahrzeuge in der Klasse bis sechs Tonnen zugelassen - acht Prozent mehr als ein Jahr zuvor. 2015 hatte der Zuwachs vier Prozent betragen.

Fahrzeuge wie Mercedes Sprinter, Ford Transit oder Fiat Ducato sind so gefragt, weil unter anderem der Internethandel boomt und damit auch die Zustellbranche. Aber auch, weil niedrige Zinsen und eine gewisse Scheu vor Fernreisen immer mehr Deutsche dazu bringen, sich ein Wohnmobil zu kaufen. Auch davon profitieren die Hersteller der kleinen Laster.

VW allerdings hatte in dem Segment zuletzt nur verhalten mitgemischt. So hatten die Wolfsburger den Crafter-Vorgänger noch zusammen mit Mercedes entwickelt und in den Sprinter-Werken in Ludwigsfelde und Düsseldorf bauen lassen. Doch anders als Mercedes hatte VW beim Crafter kein Automatikgetriebe im Angebot - was unter anderem zur Folge hatte, dass nach Schätzungen des Fachblatts Rettungsmagazin beispielsweise gut 90 Prozent aller in Deutschland eingesetzten Rettungswagen zuletzt auf dem Sprinter gebaut wurden.

Ein alter Bekannter in der Blaulichtszene

Doch das soll sich nun ändern. Die Zusammenarbeit mit Mercedes wurde beendet, die neue Crafter-Generation läuft im neu errichteten Werk in Września (Polen) mit einer Jahreskapazität von 100 000 Autos vom Band. Außerdem lässt der Konzern die Schwestermarke MAN mit dem weitgehend baugleichen TGE erstmals in den Markt der Lieferwagen ab drei Tonnen Gesamtgewicht einsteigen.

Tatsächlich schauen Nutzfahrzeugkunden in vielen Marktsegmenten gespannt auf den Neuen aus Polen. Auf der Messe "Rettmobil" in Fulda im Mai zum Beispiel zeigten gleich drei Aufbauer, wie sie den Crafter zu einem Rettungs- beziehungsweise Krankentransportwagen aufrüsten würden. Zumal der Vorvorgänger des Crafter, der LT, bei Hilfsorganisationen nach wie vor im Katastrophenschutz im Einsatz ist. Von einem "alten Bekannten" sprechen sie daher in der Blaulichtszene.

2400 Euro günstiger als der Vorgänger

Ähnlich sieht es bei den Wohnmobilen aus. Ausstatter Westfalia aus Rheda-Wiedenbrück hatte den "Sven Hedin" auf dem LT und dann dem Sprinter angeboten, einen zum Reisemobil ausgebauten Kastenwagen. Den wollen die Ostwestfalen künftig auf der neuen Crafter-Basis anbieten; zudem haben weitere Hersteller wie Knaus Tabbert oder Schwabenmobil im Frühjahr erste Crafter-Prototypen präsentiert, auf dem Caravan Salon in Düsseldorf im August dürften weitere folgen. Zumal VW beim Preis leicht nachjustiert hat: Mit 28 300 Euro verspricht der Konzern einen um 2400 Euro günstigeren Einstiegspreis zum vergleichbaren Vorgängermodell.

Vor allem aber wollen die Wolfsburger technisch überzeugen. Drei Fahrzeuglängen bietet VW, drei Dachhöhen, mehrere Motor-, Antriebs- und Aufbauvarianten. Der gefahrene Hochdach-Kastenwagen mit zwei Litern Hubraum und 177 PS beschleunigte äußerst zügig, die sechs Gänge schalteten sich flüssig, Schlaglöcher und Bodenwellen dämpfte das Auto erstaunlich gut. Die laut VW erstmals in der Klasse eingesetzte elektromechanische Lenkung blieb stets ruhig und kontrollierbar.

Die Assistenzsysteme funktionieren tadellos

Die erlaubt es VW, zahlreiche Sicherheitsfeatures anzubieten, die es bei der Konkurrenz bislang kaum gibt. Wer das nötige Kleingeld mitbringt, kann unter anderem Helfer wie einen mitlenkenden Spurhalteassistenten ordern, eine automatische Distanzregelung, ein Notbremssystem sowie Ein- und Ausparkassistenten. Im Test funktionierten auch diese Systeme tadellos. Und der Verbrauch von etwas mehr als acht Litern Diesel auf 100 Kilometer ist für ein Gefährt mit den Ausmaßen einer Schrankwand einigermaßen annehmbar.

Selbst Konkurrenten räumen hinter vorgehaltener Hand ein, dass VW mit dem Crafter im Transportersegment technologisch Maßstäbe setze. Gespannt wartet die Branche daher auf den neuen Sprinter, den Mercedes aber wohl nicht vor 2018 präsentieren wird.

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