Notrufsystem eCall:Die EU fährt mit

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2500 Leben sollen durch eCall pro Jahr in der EU gerettet werden. (Foto: Robert Haas)

Das EU-Parlament stimmte jetzt mit großer Mehrheit für das Auto-Notrufsystem eCall. Dieses soll bei einem Unfall automatisch einen Notruf aussenden. Allerdings auch jederzeit den Standpunkt des Fahrzeugs übermitteln. Für Datenschützer ein Horror.

Eigentlich sollte eCall bereits 2009 auf freiwilliger Basis eingeführt wurden. Darauf hatten sich die EU-Kommission und Industrievertreter 2005 verständigt. Doch die Sache kam nicht voran. Das EU-Parlament forderte daraufhin im Sommer 2012 einen Gesetzesvorschlag für die verpflichtende Einführung von eCall. Diesen legte die Brüsseler Behörde ein Jahr später vor.

Jetzt ist es soweit: Das EU-Parlament stimmte am Mittwoch in Straßburg mit großer Mehrheit für das Sicherheitssystem, das ab 2015 verpflichtend zur Serienausstattung von Neuwagen gehören soll. Doch gerade die Pflicht zum Einbau bzw. zum Betrieb stößt auf Widerstand. Datenschützer sehen die Gefahr, dass Routen und Positionen von Autofahrern jederzeit geortet werden können und es so zu Missbrauch kommen könne.

eCall soll Jährlich 2500 Leben retten

Eigentlich liegt eCall ein hehrer Gedanke zu Grunde: Das System soll die Reaktionszeit der Helfer im Falle eines Unfalls verkürzen. Einer Studie der EU-Kommission zufolge könnten so jährlich 2500 Leben in der Europäischen Union gerettet werden. Das Warn- ist mit anderen Notsystemen des Autos gekoppelt, wie etwa Airbags und Gurtstraffern. Schlagen sie Alarm, sendet eCall Unfallzeitpunkt, Standort, Fahrtrichtung und Fahrzeugtyp an eine Zentrale, die den Rettungsdienst informiert. Das soll helfen, wenn die Insassen des Fahrzeugs bewusstlos sind. Gleichzeitig wählt das System die Notfallnummer 112 für eine Sprachverbindung.

Um das zu ermöglichen, muss jedes Fahrzeug mit einem GPS-Empfänger ausgestattet werden. Das sammelt wie eine Blackbox Informationen über Positionen, Routen, Geschwindigkeit und Fahrweise. Und genau da sehen Datenschützer das Problem. Zwar erklärte SPD-Abgeordnete Evelyne Gebhardt, "dass übermittelte Daten nur zur Rettung verwendet werden", doch denkbar ist viel mehr.

Überwachung durch ein Sicherheitssystem?

eCall sei "die technische Grundlage für eine flächendeckende Überwachungsstruktur", erklärte beispielweise der Automobilclub von Deutschland (AvD). Versicherungen könnten kontrollieren, wie viele Kilometer ein Fahrzeughalter wirklich zurücklegt sowie Bewegungsprofile erstellt oder sogar personalisierte Werbung eingespeist ("Billige Winterreifen gibt es in 200 Metern bei XY") werden. "Das sind hochwertvolle Informationen", gab Klaus-Jürgen Heitmann, Vorstand des größten Autoversicherers HUK-Coburg, erst kürzlich im Gespräch mit Autobild an.

Aus diesem Grund fordert der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein Thilo Weichert etwa, dass das System abstellbar sein müsse, um den Autofahrern die Möglichkeit zu geben, selbst zu bestimmen, ob und wann sie eCall nutzen. Die Liberalen hatten genau das im EU-Parlament gefordert, doch der Vorschlag wurde abgelehnt.

Neu sind Datendienste im Auto nicht. "Heute werden Fahrzeugdaten direkt über GPS und Internet ohne das Wissen des Fahrzeughalters im Hintergrund ausgewertet und übertragen", bemängelt der AvD." Etwa 0,7 Prozent aller Fahrzeuge in der EU haben laut EU-Kommission schon vergleichbare Technik an Bord. Die Opel-Mutter General Motors nimmt für sich in Anspruch, 1996 unter dem Namen Onstar das erste solche System ab Werk eingebaut zu haben. Onstar bot neben Verkehrsinformationen von Anfang an auch die Möglichkeit, einen Notruf abzusetzen. Dank eines eingebauten GPS-Senders ließ sich das Fahrzeug bereits damals orten. Während der Erfolg in Deutschland eher verhalten war, zählt Onstar in den USA, Kanada und inzwischen auch in China mehr als sechs Millionen Kunden. Ford bietet - auch in Deutschland - ein ähnliches System namens Sync an.

Bei Mercedes ist im Infotainment-Paket "Comand Online" ein Notfallsystem integriert. Dieses informiert nach einem Unfall nicht nur die Rettungskräfte, sondern auch das Servicecenter des Herstellers. Auch BMW-Fahrer können sich bereits automatisch retten lassen, wobei die Geoposition in regelmäßigen Abständen ermittelt wird. Die aktuellste Position überschreibt laut BMW dabei die vergangenen Daten.

Ob eCall kommt, ist noch nicht sicher

So funktioniert eCall: Das Notrufsystem übermittelt automatisch bei einem Unfall die Position des Fahrzeugs an die Leitstelle. Die informiert dann den Rettungsdienst. (Foto: SZ-Grafik, Quelle: ADAC)

Einige Versicherer sehen ebenso Potential in den Daten: Sie locken mit billigeren Tarifen, wenn die Fahrzeughalter ihre Fahrweise elektronisch kontrollieren lassen. Was mit diesen Daten passiert, ist bisher nicht gesetzlich geregelt. Der Deutsche Anwaltverein fordert deswegen, dass sie nicht ohne Einverständnis des Fahrers erhoben werden dürfen.

Ob eCall im Oktober 2015 den Weg in europäische Autos findet, ist aber noch unklar. Das Europaparlament hat am Mittwoch in Straßburg lediglich seine Position für die anstehenden Verhandlungen mit den EU-Staaten beschlossen. Geplant ist derzeit eine Verordnung - also ein europäisches Gesetz, das in den EU-Staaten direkt wirksam ist und nicht erst in nationales Recht übertragen werden muss. Dafür muss in Gesprächen mit den EU-Staaten eine gemeinsame Basis geschaffen werden. Da nach den Europawahlen im Mai viele Abgeordnete wechseln, dürfte dies wohl erst gegen Jahresende stattfinden. Ein Abschluss ist 2015 zu erwarten. Erst dann können Industrie und Rettungsleitstellen mit der Umstellung auf das neue System beginnen.

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