Nissan Primera GT:Sein Glanz soll auf die Brüder strahlen

Die Stufenhecklimousine mit 110 kW (150 PS) wird auf Deutschlands Straßen kaum zu sehen sein

(SZ vom 26.02.1997) Macht es Sinn, Autos zu bauen, die kaum verkauft werden? Diese Frage kommt einem in den Sinn, wenn man sich mit dem Primera GT beschäftigt. Nissan plant, das neue Topmodell der Baureihe in diesem Jahr in Deutschland lediglich 400 Mal an den Mann oder die Frau zu bringen, so daß der GT im Straßenbild eine seltene Erscheinung bleiben dürfte. Dennoch sind die Japaner von der Wichtigkeit dieses Modells überzeugt, denn es erfüllt nicht nur einen rein ökonomischen Zweck: Sein Glanz, sein sportliches Image soll auf seine schwächer motorisierten Brüder abstrahlen und deren Absatz kräftig fördern.

Drei Standbeine auf dem Markt

Denn der Primera ist eines von drei Standbeinen, die Nissan auf dem deutschen Markt hat. Rund 23 000 Primera konnten im vergangenen Jahr abgesetzt werden, um einige Tausend wurde diese Zahl noch übertroffen vom Kleinwagen Micra und dem Almera in der Kompaktklasse. Mit rund 90 500 verkauften Fahrzeugen ist Nissan bei uns die Nummer eins der japanischen und die Nummer drei aller Importeure (nach Renault und Fiat).

Die Marketingidee, ein sportliches Auto als Anreiz auf die Räder zu stellen und gleich damit zu rechnen, daß der Kunde doch lieber eine Nummer kleiner zugreift, ist so alt wie der VW Golf GTi. Aber sie funktioniert immer noch - und im Falle Nissans ist das Flaggschiff der Primera-Baureihe auch kein schlechtes Auto. Als Zielgruppe nennt Nissan Jungdynamiker und Familienväter, die in ihrem Familienauto gerne mal etwas sportlicher fahren wollen - wenn Frau und Kinder nicht an Bord sind, natürlich.

Nach außen demonstriert der GT seine Sportlichkeit zunächst einmal mit einem großen Heckspoiler auf dem Kofferraumdeckel. Ob solch ein Bügelbrett noch zeitgemäß ist, scheint aber selbst beim Hersteller für Diskussionen gesorgt zu haben. Weitere optische Unterscheidungsmerkmale sind breitere Reifen, Seitenschweller und eine in Wagenfarbe lackierte Frontschürze. Unter der Motorhaube arbeitet ein 2,0-Liter-Motor, der 110 kW (150 PS) auf die angetriebenen Vorderräder bringt.

Bei einer ersten Begegnung stellte sich heraus, daß der Primera GT seinen sportlichen Ansprüchen durchaus genügen kann: Der Motor schüttelt die Kraft zwar nicht gerade locker aus den Ventilen, aber wenn fleißig geschaltet wird, kommt Dynamik auf. Seine Kraft entfaltet das Aggregat nämlich erst im mittleren bis oberen Drehzahlbereich, unten herum wirkt es etwas schlapp. Während der Fahrt ist der Motor deutlich zu vernehmen: Wer ein sportliches Auto fährt, soll es eben auch hören. Das Aggregat tönt aber beileibe nicht so, daß es unangenehm wäre.

Das Fahrwerk bringt den Vortrieb sicher auf die Straße, es zeigt sich in schneller gefahrenen Kurven als gutmütig und stabil. Federung und Dämpfung sind etwas straffer abgestimmt als bei den schwächeren Primera-Modellen. Hier die wichtigsten Daten für die Statistiker: Höchstgeschwindigkeit 218 km/h, Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 8,6 Sekunden. Nach der neuen EU-Norm verbraucht der Primera GT 8,1 Liter Super bleifrei auf 100 Kilometer - es können aber, je nach Fahrweise, etwa zehn Liter konsumiert werden.

Japanische Sachlichkeit

Im Innenraum herrscht japanische Sachlichkeit. Da verbergen auch einige Details wie die blau-grau unterlegten Skalen der Anzeigeinstrumente oder ein lederbezogener Schaltknauf nicht, daß man in einem Großserienauto unterwegs ist. Ein Lob verdienen die Sportsitze, die sehr komfortabel sind und guten Seitenhalt bieten. Allerdings könnte der Längsverstellbereich etwas größer ausfallen. Dafür ist die Ausstattung sonst komplett: zwei Airbags, ABS, elektrische Fensterheber, elektrisch einstell- und beheizbare Außenspiegel und sogar eine Klimaanlage sind im Preis von 39 995 Mark enthalten. Das ist ein faires Angebot - das aber sicher nur wenige locken kann. In ein anderes Marktsegement zielt die nächste Neuheit von Nissan: der Geländewagen Patrol GR, dessen neueste Generation auf der IAA im September Weltpremiere feiern wird.

Von Otto Fritscher

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