Neustart von Saab:Große Pläne in Trollhättan

Eigentlich glaubte man Saab schon am Ende, doch der neue 9-5 im Oberklasse-Format steht für Aufbruch und Hoffnung.

Georg Kacher

Der Bandarbeiter mit dem blonden Lockenkopf formt grinsend das Sieger-V und ruft "Vivat Saab!" Auch Firmenchef Jan Ake Jonson freut sich: "Endlich unabhängig!" Viktor Muller, der als Gründer der Marke Spyker bekannt gewordene Holländer, der gemeinsam mit Vladimir Antonow den Amerikanern Saab um 74 Millionen Dollar abgekauft hat, strahlt: "Allein der Windkanal ist das Dreifache wert. Und bis 2024 haben wir Zugriff auf GM-Teile."

Keine Frage: In Trollhättan hat eine neue Zeitrechnung begonnen. Saab ist zwar trotz einer 400-Millionen-Euro-Bürgschaft der schwedischen Regierung noch lange nicht über den Berg. Aber die Stimmung im Team könnte kaum besser sein, und ab 2012 verspricht die Unternehmensführung bereits wieder schwarze Zahlen.

Den ersten Schritt in eine bessere Zukunft will die Marke mit dem Nachfolger des 1997 vorgestellten 9-5 machen, der in enger Zusammenarbeit mit Opel entwickelt wurde. Victor Muller betont immer wieder die "Saabishness" des Neuen. Dazu gehören der Stopp-Start-Knopf zwischen den Sitzen (wo früher das Zündschloss war), die markanten Belüftungsdüsen, das nachts bis auf den Tacho abdunkelnde Black-Panel-Armaturenbrett, das unverwechselbare Design der Front- und Dachpartie.

Der gegenüber dem Insignia um zehn Zentimeter verlängerte Radstand macht den 9-5 zu einem großen Auto im Format der alten Mercedes S-Klasse. Der Kofferraum fasst 515 Liter, das Platzangebot im Innenraum reicht für vier Basketballspieler, das Erscheinungsbild wirkt gleichermaßen schlicht und wuchtig.

Nur ein paar Details stören noch

Bei der ersten Ausfahrt in drei verschiedenen Modellen störten nur ein paar Details. Wir vermissen ein überzeugendes Bediensystem statt des überfrachteten Armaturenbretts, der Kunststofflandschaft fehlt der skandinavische Touch, die eisblauen Heckleuchten sehen tagsüber etwas prollig aus, die vielen optionalen Fahrerassistenzsysteme wiegen das Fehlen von alternativen Antrieben nur bedingt auf.

Der neue 9-5 kommt im Juli in sechs verschiedenen Versionen nach Deutschland. Die Palette reicht vom 1.6T mit 180 PS (ab 33.700 Euro) über den 2.0T mit 220 PS (auch als Biopole, ab 37.900 Euro) bis zu den beiden 2,0-Liter-Dieseltriebwerken, die 160 PS (ab 35.900 Euro) beziehungsweise 190 PS leisten (ab 38.900 Euro). Als Topmodell lockt der 52.500 Euro teure 2.8T V6 mit 300 PS, der serienmäßig mit Allradantrieb und Sechsgangautomatik ausgerüstet ist.

Mit Ausnahme des jeweils schwächsten Diesel und Benziners sind alle Aggregate mit dem Haider 4WD-System lieferbar, das im Normalfall nur die Vorderräder antreibt. Der Aufpreis von 2500 Euro ist gut angelegt, denn die 4x4-Technik ist agil genug abgestimmt, dass sich der Wagen im Sportmode mit teilweise deaktiviertem ESP auf nassen und kurvigen Sprossen fast so unterhaltsam fährt wie ein reinrassiger Hecktriebler.

Fahrleistungen und Verbrauchswerte liegen ansonsten im Mittelfeld der Erwartungen. Ein Beispiel: der 2.8T V6 spurtet in 6,9 Sekunden von null auf 100 km/h, läuft 250 km/h Spitze und konsumiert im Schnitt 11,4 Liter. Der 10 PS schwächere Audi A6 3.0T ist zwei Liter sparsamer, gleich schnell und eine Sekunde spritziger.

Auch eine Einparkautomatik kann faszinieren

Auf Wunsch führt der 9-5 fast alles mit sich, was angesagt und teuer ist. Dazu gehören ein Head-up-Display, das DriveSense-Fahrwerk mit elektronischer Dämpferverstellung, adaptive BiXenon-Schweinwerfer, schlüsselloser Einstieg und Motorstart, Schaltwippen am Lenkrad, ein Tempomat mit Stopp- und Anfahrfunktion, ein fixes Navi mit Touchscreen-Monitor und eine verblüffend perfekte Einparkautomatik.

Das Chassis orientiert sich am Opel Insignia OPC, doch die Lenkung wirkt steifer und weniger synthetisch, die Bremse schnappt nicht ganz so unvermittelt zu, und der Federungskomfort offeriert mehr Geschmeidigkeit ohne störende Nebenwirkungen.

Saab will mit dem neuen 9-5 so sportlich sein wie Audi mit dem A6, aber als Fronttriebler hat vor allem der 1635 Kilo schwere und 5,01 Meter lange 2.0T bei forcierter Gangart seine liebe Not mit dem explosiven Kräfteparallelogramm aus Längs- und Querdynamik.

Erste Wahl zum Verkaufsstart ist die Biopower-Version mit XWD-Antrieb. Im Herbst folgt der 190-PS-Diesel, den man sich ebenfalls mit Allradtechnik gönnen sollte. Danach geht es Schlag auf Schlag: 9-5 SportCombi (Herbst 2010), 9-4X Crossover (2011), 9-3-Nachfolger (2012) und 9-1 (2013) als neues Einstiegsmodell.

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