Neueröffnung BMW-Museum:Schüssel-Erlebnis

Auf 5000 Quadratmetern wird der Besucher in einer fein ausgeklügelten Choreographie durch Geschichte und Entwicklungskomplexe des Auto- und Motorradherstellers geleitet.

Jörg Reichle

Wie eng die Geschichte mit dem Hier und Jetzt verknüpft ist, lässt sich dieser Tage wohl nirgendwo besser zeigen als im Neubau des BMW-Museums. Drei Wochen sind es noch bis zur Eröffnung, und zwischen den historischen Autos, Motorrädern und anderen Symbolen der Mobilität wird unermüdlich gehämmert, gesägt und geschliffen, werden Böden verlegt und Leuchten montiert, hängen Kabelstränge aus turmhohen Schächten wie Sehnen aus einer klaffenden Wunde.

Neueröffnung BMW-Museum: Blick von oben herab - mit "Statisten"

Blick von oben herab - mit "Statisten"

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Wenn alles klappt wie geplant, wird am 21. Juni der erste Besucher begrüßt. Dann ist, nach zweieinhalb Jahren Bauzeit und mit einem Jahr Verspätung, das Netzwerk aus Kreativen und Bauschaffenden am Ziel - sofern man das mit der Darstellung einer Firmengeschichte je sein kann. "Die Geschichte ist ein komplexer Prozess", erklärt Museumschef Ralf Rodepeter, "und wir wollen kein Historienmuseum sein, sondern vor allem Entwicklungslinien aufzeigen."

Rein äußerlich gibt sich das ambitionierte Ziel eher bescheiden. In unmittelbarer Nachbarschaft des spektakulären Schau-Hauses der BMW-Welt tritt das 80 Millionen Euro teure Museum nicht über die Ufer der vertrauten BMW-Silhouette und gibt sich in einem sehr spezifischen Sinn uneitel. Man hält - zumindest auf den ersten Blick - der guten alten, silbrig glänzenden Museumsschüssel aus den siebziger Jahren die Treue.

Fein ausgeklügelte Choreographie für Besucher

Der neue Geist dagegen, wenn man so will, verbirgt sich vor allem im angrenzenden Flachbau, mithin mehr unter als über der Erde. 4000 Quadratmeter Ausstellungsfläche sind dort entstanden - zusammen mit der Schüssel sind es nun 5000 -, und auch das ist eher bescheiden, zumindest im Vergleich mit der Konkurrenz aus Stuttgart. Das neue Daimler-Museum ist mehr als dreimal so groß.

Was an reiner Fläche fehlt, sollen Architektur, Konzept und nicht zuletzt die 120 Exponate vergessen machen. Dazu wurde der Flachbau bis auf tragende Teile völlig entkernt. Jetzt verbindet ein dynamisch in den Raum greifendes, schwerelos wirkendes Rampensystem sieben Ausstellungskörper, Häuser genannt, miteinander. In jedem dieser Häuser sind unterschiedliche Themen der BMW-Geschichte auf mehreren Ebenen völlig unterschiedlich inszeniert, untermalt von eigenen Klangwelten.

Und auf der Rampe, deren Bitumenbelag symbolisch die Verbindung zur Straße schaffen soll, bewegt sich der Besucher nach einer fein ausgeklügelten Choreographie von oben nach unten durch die Ebenen der Themen-Häuser. Sie verbindet die Gebäudeteile und erschließt damit die gesamte Ausstellung. Bindend ist sie trotzdem nicht. Museumschef Ralf Rodepeter: "Der Besucher kann sich frei bewegen. Wir sind ja nicht das gewisse Möbelhaus, wo man zwangsweise an jedem Sofa vorbei muss."

In knapp zwei Stunden - die Führungen sind etwas kürzer - soll sich das neue Museum für den Besucher erschließen. Aber was ist schon Zeit, wenn man sich erst einmal eingelassen hat in dieses mediale Großereignis der Mobilität?

Schüssel-Erlebnis

Es beginnt bereits in der zentralen Eingangshalle. Von dort blickt der Besucher in einen riesigen Raum von etwa 80 Metern Länge und 40 Metern Breite hinab. Erleuchtet wird die Szenerie von einer reaktiven LED-Technik mit mehr als 1,7 Millionen Leuchtdioden, die sich hinter den satinierten Glasscheiben der bis zu 13 Meter hohen Fassaden der Themenhäuser verbergen.

Bewegte Animationen, mal ein Motorsport-Film, mal die abstrakte Reise durch stilisierte Alleen, bringen Bewegung in die starre Architektur. Am Grund des Raumes, sorgsam arrangiert, verteilt sich eine Handvoll historischer Roadster - angefangen vom putzigen Dixi über den legendären 328 bis hin zum brachialen Z8.

Der Rundgang, so will es die Regie, beginnt mit der Gestaltung. ,"Denkraum"' lesen wir. 714 metallene Kugeln, die an fast unsichtbaren Fäden von der Decke hängen, sehen wir. Sie bewegen sich, per Computer angesteuert, scheinen zu schweben, ergeben mal die Form eines Vogels im Flug, mal ein Auto. Es verschwindet dann wieder. Die Gedanken der Kreativen sind frei in diesem frühen Stadium, lernen wir.

Diverse Häuser

Durch den gläsernen Boden sieht man hinab ins nächste Stockwerk. Später wird man dort das erste Tonmodell eines neuen Autos besichtigen können und noch später, wenn man das Haus der Gestaltung schließlich zum dritten Mal betritt, das fertige Endprodukt.

Dazwischen drängt aber anderes in den Vordergrund. Das schmale Haus des Unternehmens, zum Beispiel, macht die ersten Schritte der Gestaltwerdung der Marke nachvollziehbar. Danach gelangt man zu den Motorrädern, bestaunt mehrgeschossig hinter Glas drapierte Zweiradgenerationen.

Im Haus der Technik wiederum schafft das heute längst wieder aktuelle Thema Leichtbau, dargestellt am Beispiel des fliegengewichtigen Gitterrohrrahmens aus der 328-Kamm-Rennlimousine eine ideale Überleitung zum Motorsport.

Der Mille-Miglia-Siegerwagen von 1940 und der Weltmeister-Formel-1 BT 52 von 1983 rangieren ganz oben, darunter sind die Rennmotorräder arrangiert und ganz unten schließlich, im Erdgeschoss, darf der Tourenwagensport die Lücke zum Serienauto schließen.

Schüssel-Erlebnis

Grandioser Gedanke: Indem man die einzelnen Themen auf unterschiedlichen Ebenen immer wieder verlässt und später wieder betritt, dokumentiert sich Automobilgeschichte als lebendiger Fluss unterschiedlichster Prozesse, als Zusammenspiel von wirtschaftlicher und technischer Kompetenz, von menschlicher Arbeit und gesellschaftlichem Rahmen. "Wir wollten vor allem diese Prozesse darstellen und nicht einzelne Produkte mystifizieren", erklärt BMW-Sprecher Manfred Grunert.

Ist man schließlich am Grund der Themenhäuser angelangt, vollzieht sich ein Wechsel: Aus der geometrischen Strenge der Architektur des Flachbaus, dezent gehalten in den Farben Weiß und Silber, selten auch Schwarz, wechselt der Besucher über in die lichte Emotionalität der runden Schüssel. Dazu wurde die dort bestehende Spirale des Aufgangs nach unten verlängert, das macht die Wege kurz und den Übergang einfach.

Doppelt so viele Zuschauer erwartet

Und doch umgibt den Besucher mit einem Mal eine ,,fast metaphysische Ruhe'' (Grunert). Wo sich früher bis zu 60 Exponate drängten, werden künftig wechselnde Ausstellungen zu unterschiedlichen Themen stattfinden - mit sparsam ausgewählten, sorgsam inszenierten Einzelstücken. Die Zukunft macht den Anfang im Museum: Für die nächsten eineinhalb Jahre werden hier Design-Studien aus unterschiedlichen Epochen zu sehen sein - das reicht von einem winzigen Nachkriegs-Zweisitzer namens 531, der nie gebaut wurde, über die City-Car Vision CS1 bis zu einem der Meisterwerke der Bangle-Ära, das Mille-Miglia-Concept-Car von 2006.

Und zur Museums-Eröffnung hat sich das Design noch eine Überraschung einfallen lassen. Zu diesem Anlass wird eine weitere Studie ihre Weltpremiere feiern.

400.000 Zuschauer pro Jahr sollen künftig die BMW-Historie aus nächster Nähe erleben, doppelt so viele als bisher. Demnächst geht's los.

BMW Museum: von 21. Juni an wieder geöffnet; Dienstag - Freitag: 9 bis 18 Uhr, Samstag, Sonntag, Feiertage: 10 bis 20 Uhr; Eintritt: Einzelbesucher 12 Euro, ermäßigt 6 Euro, Gruppen (ab 5 Personen) 9 Euro (pro Person); Familien (bis 5 Personen) 24 Euro. Weitere Infos unter www.bmw-museum.de

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