Gewickelt auf großen Spulen treten die schwarzen Fasern ihre Reise nach Deutschland an. Genauer, in eine Art von Textilfabrik in der Oberpfalz. Hier betritt BMW ein weiteres Mal Neuland in der Automobilproduktion. Von 560 Spulen laufen "Haarstränge" zu rund vier Meter breiten Gelegen zusammen. Eine riesige Nähmaschine legt quer dazu weiße Zick-Zack-Nähte, um eine mattenartige Struktur zu erzeugen. Diese Gelegeteppiche wiegen je nach Schichtung nur 150 bis 600 Gramm pro Quadratmeter. Bei BMW-i-Modellen addiert sich die gesamte Gewichtsersparnis auf 300 Kilogramm. Dafür müssen die Gelegematten allerdings mit einem dünnflüssigen Kunstharz getränkt und gepresst werden. So entsteht ein extrem harter und hoch belastbarer Superwerkstoff, der sich seit vielen Jahren im Flugzeug- und Bootsbau, sowie im Autorennsport bewährt hat.
Auch die Konkurrenz von BMW beschäftigt sich natürlich mit dem ultraleichten schwarzen Baustoff, fertigt derzeit aber lediglich einzelne Fahrzeugteile aus Karbon, beispielsweise einen Kofferraumdeckel, ein Dach oder einen Spoiler. Deshalb gewährt BMW noch keinem Fremden Einblick in die neue Karosseriefertigung. Man möchte sein Geheimnis auf keinen Fall preisgeben. Nicht zeigen, wie man es schafft, die Faser-Fahrgastzelle zu vertretbaren Kosten herzustellen. Manche Experten zweifeln daran, dass dies wirklich gelingt.
"Schwarzer Wunderwerkstoff"
Aber auch an anderen Instituten wird unter Hochdruck geforscht - zu verlockend sind die Vorteile des "schwarzen Wunderwerkstoffs". Karbon wiegt bei vergleichbaren Bauteilen nur die Hälfte von Stahl und 30 Prozent weniger als Aluminium. Dank des geringeren Gewichts braucht ein E-Auto weniger Batterien für die gleiche Reichweite - was das Gewicht zusätzlich reduziert. Zudem sind Lithium-Ionen-Zellen extrem teuer. Das eingesparte Geld kompensiert zum Teil die aufwendigere Fertigung der Karosserie.
Aber nicht nur E-Mobile werden von dem neuen Werkstoff profitieren: "Für die Karosserie eines BMW X5 sind 800 Roboter im Einsatz, die 350 Bauteile zusammenschweißen. Dagegen besteht die Passagierzelle des i3 lediglich aus 30 Teilen, die in Leipzig miteinander verklebt werden", sagt Jörg Pohlmann. Er leitet die Faserfabrik in Moses Lake. Wenn Ende dieses Jahres der erste i3 vom Band rollt, wird dies ein riesiger Schritt für BMW sein. Bewährt sich die neue Fahrzeugarchitektur, steht ihr eine glänzende Zukunft bei herkömmlichen Modellen bevor. Das Karbonzeitalter dürfte die Branche dann ebenso radikal verändern wie die E-Mobilität.