Neuer Porsche 911:Eine Geschichte voller Missverständnisse

Auch nach der Premiere der achten Generation des Sportwagenklassikers werden die Porsche-Anhänger jammern. Doch ein Blick in die Historie zeigt: Das war eigentlich schon immer so.

Von Felix Reek

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Quelle: CB; Porsche

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Der Porsche 911 ist ohne Zweifel ein Automobilklassiker. Seit 1963 hergestellt, der Inbegriff der Marke, der Sportwagen schlechthin. Dieses Label hat aber auch Nebenwirkungen: Die Anhänger eines Klassikers haben ganz genaue Vorstellungen davon, wie er auszusehen hat. Wie er sich fährt. Wie er klingt. Sie verbinden damit persönliche Erinnerungen, Geschichten, Ereignisse. Ein Auto ist auf einmal mehr als nur ein Ding mit vier Rädern. Es ist ein nostalgisches Erlebnis. Die Konsequenz daraus: Jede Veränderung wird argwöhnisch beäugt.

Der achten Generation, die Porsche jetzt auf der Los Angeles Auto Show präsentierte, dürfte es ähnlich ergehen. Erst einmal jammern die Fans, dann stellen sie fest: So schlimm ist es gar nicht. Beziehungsweise: Der neue 911er ist doch wieder besser als der alte.

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Zumal Porsche seinen Klassiker mit der internen Bezeichnung "992" nur behutsam modernisiert. Der gewohnten Form blieben die Designer treu, die Linienführung ist noch immer die altbekannte, nur ein bisschen breiter und wuchtiger wirkt der neue 911. Der Sportwagen ist jetzt 20 Millimeter länger, 20 Kilogramm schwerer und die Reifen sind etwas stämmiger (19 statt 20 Zoll in der Basisversion).

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Der 3,0-Liter-Motor stammt aus dem Vorgänger und wurde überarbeitet, so dass er jetzt 385 statt 370 leistet. In der S-Variante sind es 450 statt 420 PS. Die Spitzengeschwindigkeit liegt noch immer bei 308 km/h, Tempo 100 ist in 3,7 Sekunden erreicht.

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Wirklich neu sind im 992 die vier digitalen Rundinstrumente im Tacho. Nur der Drehzahlmesser bleibt analog, ebenso wie der Fahrdynamikschalter. Die Bedienung der meisten Funktionen wandert in das Display in der Mittelkonsole wie auch bei den anderen Modellen von Porsche. Deswegen erinnert das Interieur des neuen 911 jetzt an eine aufgeräumte Version des Panameras oder des Cayennes. Hinzu kommen wie mittlerweile branchenüblich eine große Auswahl an Sicherheits- und Assistenzsystemen.

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Doch wie fährt sich der Porsche 911 denn nun? Eine Nuance besser als der Vorgänger. Der Handschalter mit sieben Gängen ist präziser abgestimmt, das achtstufige Doppelkupplungsgetriebe besitzt jetzt einen Gang mehr. Der Sportwagen lenkt schneller ein, hält die Spur am Limit länger und der Grip ist besser. Dadurch erreicht er ein höheres Kurventempo und untersteuert weniger.

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Auf den Markt kommen soll der neue 911 im Frühjahr 2019, in der zweiten Jahreshälfte folgen C4, Cabrio und Turbo. Elektrische Unterstützung gibt es weiterhin nicht. Ein Hybrid-Modell wird erst zum nächsten Modellzyklus erwartet. Die Erklärung Porsches: Die Batterien sind noch nicht gut genug - heißt, sie sind zum jetzigen Zeitpunkt noch zu schwer.

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Porsche 911 Urmodell (1963 bis 1973)

Das dürften die meisten Porsche-Fans aber verschmerzen. Ist doch für viele von ihnen nur ein 911er mit luftgekühltem Sechszylinder-Boxermotor ein "echter" 911er.

Der erste von ihnen debütiert am 12. September 1963 auf der IAA in Frankfurt noch unter dem Namen "901" - allerdings nur für kurze Zeit. Peugeot, deren Modellbezeichnungen sich traditionell aus drei Zahlen mit einer Null in der Mitte zusammensetzen, droht Porsche zu verklagen. Woraufhin aus dem 901 der 911 wird.

Der entwickelt sich schnell zum Welterfolg, zum Sportwagen für alle. Im Laufe der Jahrzehnte sitzen so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Steve McQueen, Herbert von Karajan, Christian Lindner und Reinhard Mey hinterm Steuer.

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Porsche 911 G-Modell (1973 bis 1989)

Obwohl der Ur-911 in den zehn Jahren seiner Produktion immer wieder aktualisiert wird, endet Anfang der Siebzigerjahre die Bauzeit der ersten Modellreihe. Strengere Sicherheitsvorschriften in dem wichtigen Markt USA erfordern eine grundlegende Überarbeitung. Neuwagen müssen nun einen Aufprall mit acht Kilometern in der Stunde unbeschadet überstehen. Porsche löst dieses Problem durch die markanten Stoßstangen, die typisch für das sogenannte G-Modell sind. Gleichzeitig gibt es ab 1973 Kopfstützen und Dreipunktgurte serienmäßig.

Um mit der Konkurrenz mithalten zu können, steigt zudem die Leistung rapide an. Der Basis-911er ist mit 2,7 Liter Hubraum und 150 PS so stark wie das Topmodell des Vorgängers. Spätere Versionen legen noch einen drauf: Der Turbo leistet mit 3,3-Liter-Boxermotor 300 PS und beschleunigt in 5,2 Sekunden auf Tempo 100. Mitte der Siebziegerjahre echte Fabelwerte.

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Porsche 911 (Typ 964, 1988 bis 1994)

Das ändert nichts daran, dass zehn Jahre später Porsche mitten in einer tiefen Krise steckt. Japanische Sportwagen drängen auf den amerikanischen Markt und der 911 ist hoffnungslos veraltet. Eigentlich sollen neue Baureihen wie der 928 den 911er beerben, doch der Sportwagen mit Achtzylindermotor floppt, während das Interesse am 911er ungebrochen bleibt. Der erfüllt aber nicht mehr die Ansprüche der Kundschaft: Die wollen jetzt auch Komfort und Alltagstauglichkeit, statt nur möglichst schnell in Kurven zu sein.

Das Ergebnis ist der 964, eine fast vollkommene Neuentwicklung. Erstmals gibt es einen Allradantrieb in einem 911, den Porsche aus dem Supersportwagen 959 übernimmt. Hinzu kommen Servolenkung, Katalysator und ABS. Natürlich steigt wieder die Leistung: 250 PS sind es im Basis-911er, 380 PS im Turbo 3.6, der in 3,5 Sekunden auf 100 km/h beschleunigt - bei einem geringeren Spritverbrauch als der Vorgänger. Wobei das bei einem Porsche 911 natürlich relativ ist. 18 Liter Benzin auf 100 Kilometer sind es beim 3.6.

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Porsche 911 (Typ 993, 1993 bis 1998)

Für die größte Zäsur sorgt 1993 der 993. Mit ihm endete eine Ära: Er ist der letzte 911 mit luftgekühltem Motor und für viele Fans der Marke der letzte "echte" Porsche. Er ist die Kulmination all dessen, was den 911 bis zu diesem Zeitpunkt ausmacht. Hinzu kommt, das viele fehleranfällige Neuerungen des 964 im neuen Modell verbessert werden.

So gilt der 993 noch heute als besonders ausgereift, zuverlässig und erzielt auf dem Gebrauchtwagenmarkt konstant höhere Preise als sein Nachfolger, der 996. Wie auch der Vorgänger wird der 993 mit Heckantrieb als Carrera oder als Allrad (Carrera 4) angeboten. Neu ist zu diesem Zeitpunkt allerdings die Leistungsexplosion: Mit dem 911 Turbo leistet erstmals seit dem Supersportwagen 959 wieder ein Serienfahrzeug von Porsche mehr als 400 PS - 408 um genau zu sein.

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Porsche 911 (Typ 996, 1997 bis 2006)

Einen viel schwereren Stand hat der 996, der ab 1997 das Erbe der 911-Baureihe antritt. Bisher waren die Anhänger des Sportwagen-Klassikers nur moderate Neuerungen gewohnt. Der 996 sieht zwar grundsätzlich aus wie ein 911er, doch der größte Teil des Autos ist vollkommen neu. Größer und komfortabler erscheint der Sportwagen auf einmal. Ein Hohn für die Hochgeschwindigkeitskundschaft, aber der simplen Tatsache geschuldet, dass die Kundschaft von Porsche Ende der Neunzigerjahre immer älter wird.

Hinzu kommt: Porsche entwickelt den neuen 911 aus Kostengründen zusammen mit dem kurz zuvor erschienenen Boxster. Der hatte schnell einen Spitznamen weg: "Frauenporsche", weil er den traditionellen Käufern zu weichgespült erschien. Den größten Affront stellt aber der neue Motor dar, der erstmals in der Geschichte der Reihe wassergekühlt ist. Die Leistung unter Einhaltung der Abgasnormen lässt sich mit dem alten Konzept einfach nicht mehr steigern.

Diese ablehnende Haltung hat sich mittlerweile etwas relativiert: Der 996 ist zwar tatsächlich "braver" als seine Vorgänger, aber nicht schlechter. Sein fataler Ruf sorgt aber zumindest dafür, dass er bis heute der günstigste Porsche der 911er-Reihe auf dem Gebrauchtwagenmarkt ist.

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Porsche 911 (Typ 997, 2004 bis 2012)

Um die erzürnten Gemüter zu beruhigen, kommt Porsche den Fans beim Nachfolger des 996 entgegen. Die spiegeleiförmigen Scheinwerfer verschwinden und das Heck präsentiert sich wieder ausladender - der 911er unterscheidet sich nun deutlicher vom Boxster. Das täuscht zumindest anfangs darüber hinweg, dass sich technisch nur wenig beim 997 geändert hatte. Für Kritik sorgt unter anderem, dass der Carrera nur 20 PS mehr leistete als sein Vorgänger.

Dafür bietet Porsche den neuen 911er in vielen Varianten an: als Carrera, Carrera S, Targa 4, Targa 4 S (ab 2006), Turbo, Turbo Cabrio und als Hochleistungssportler GT2 und GT3 mit bis zu 530 PS. Da es Porsche-Fahrern aber bekanntlich nie schnell genug gehen kann, zeigten die Zuffenhausenern 2010 mit dem GT2 RS noch allen Zweiflern was möglich ist: Der Rennwagen besitzt eine Straßenzulassung und leistet 620 PS.

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Porsche 911 (Typ 991, 2011 bis 2018)

An den Schock des wassergekühlten Motors haben sich die Porsche-Fans mit der Premiere des 991 auf der IAA 2011 gewöhnt. Wie gewohnt kombinieren die Zuffenhausener neue Technik mit mehr Leistung und größeren Proportionen. Die wirkliche Zäsur kommt erst mit der Modellpflege 2015: Zum ersten Mal in der Geschichte des Klassikers ersetzen Turbomotoren die bisherigen Saugaggregate. Das führt zu besseren Fahrleistungen, jedoch verschwindet der bisherige charakteristische Klang der Motoren.

Trotzdem ist der 991 ein reinrassiger Porsche 911. Das Grundkonzept ist noch immer das gleiche ist wie vor 55 Jahren. Der Motor sitzt hinter der Hinterachse, die Silhouette ist unverkennbar. Er ist zugleich Sportwagen als auch ein echtes Alltagsauto. Etwas, das nicht viele Sportwagen von sich behaupten können. Vielleicht ist es genau das, was den 996 und alle 911 über die Jahrzehnte so beliebt blieben ließ. Sie sind Sportwagen, die ihrer Tradition treu blieben und trotzdem mit der Zeit gingen, indem sie den technischen Fortschritt adaptierten. Echte Klassiker eben.

© SZ.de/cku
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