Allerdings steht Trode mit seinen Anschuldigungen nicht alleine. Manfred Rauter, ein Mann, der jahrelang als Gelber Engel gearbeitet hat, bestätigt die Darstellung bis ins Detail. Auch Rauter heißt in Wahrheit anders, auch er fürchtet juristischen Ärger mit dem ADAC; dennoch dokumentierte er seine Aussagen in einer eidesstattlichen Erklärung. In dieser heißt es, den Assistance-Kunden würde intern der "Code 07" zugewiesen: "Die Dienstanweisung war ganz klar, dass Pannen 07 bevorzugt zu behandeln sind." Das Ziel sei, eine bestimmte Wartezeit nicht zu überschreiten. War abzusehen, dass die Grenze nicht eingehalten werden konnte, seien Disponenten angewiesen gewesen, in Rücksprache mit den Gelben Engeln "Pannen von normalen Mitgliedern (Code01) oder Plusmitgliedern (Code09) zurückzustellen bzw. anderweitig zu disponieren".
Aber warum haben die Fremdkunden Vorrang? Ein dritter ADAC-Insider bietet eine Erklärung: In den Verträgen mit den Herstellern sind die Umstände der zu leistenden Pannenhilfe definiert. Festgelegt sind auch "die durchschnittlichen Zeiten von der Aufnahme der Pannenmeldung bis zum Eintreffen des Fahrers beim Hilfesuchenden", berichtet der ADAC-Insider: "Damit die Verträge erfüllt werden können, muss das 'gemeine ADAC-Mitglied' eben warten. Das hat mich immer schon geärgert und beschämt".
Laut ADAC sind zwar keine exakt beschriebenen Wartezeiten in den Verträgen, aber doch "Zielwerte über das Gesamtjahr, die mit den Herstellern vereinbart sind". Für gewöhnlich sind Vertragsstrafen fällig, wenn solche Zielwerte oder Garantien nicht eingehalten werden können. Auch in diesem Fall? Ein Sprecher des ADAC bittet um Verständnis, dass er zu solchen "Vertragsdetails" keine Auskunft geben könne.
Steht der Vereins-Status auf dem Spiel?
Und was passiert mit dem Geld, das die Pannenhelfer erwirtschaften, wenn sie für die Autohersteller unterwegs sind? Die Einnahmen fließen an zwei Tochtergesellschaften des Automobilklubs: entweder an die ADAC Service GmbH oder an eine in Luxemburg angesiedelte Firma namens Arisa. Eigentlich müsste der Gewinn dann zurück an den ADAC e.V. fließen, schließlich finanzieren dessen Mitglieder die Pannenhelfer. Doch nur bei der ADAC-Service GmbH ist dies der Fall, nicht jedoch bei der Arisa, die eine Tochter der ADAC-Schutzbriefversicherung und ADAC-Rechtsschutzversicherung ist. "In der Regel werden anfallende Gewinne thesauriert, das heißt nicht ausgeschüttet, um die Ausstattung mit Eigenmitteln zu verbessern", erklärt der Sprecher des Vereins. Das Geld, das aus Mitteln des e.V. erwirtschaftet wird, geht also nicht zurück an den e.V.
Die Vorwürfe der ehemaligen Pannenhilfemitarbeiter sind für den ADAC gefährlich. Denn gerade wird am Münchner Registergericht geprüft, ob beim ADAC die wirtschaftliche Tätigkeit "dem ideellen Hauptzweck eindeutig untergeordnet" sei. Kommen die Prüfer zu dem Ergebnis, dies sei nicht der Fall, ist das für den Verein ein geradezu existenzielles Problem. Dann nämlich würde dem ADAC das Recht entzogen, weiter als Verein zu existieren.