Neue Triebwerkskonzepte:Verspäteter Start

Airbus und Boeing stehen unter dem Druck, ihre Jets möglichst bald mit modernen Triebwerken aufzurüsten. Aber: Kosten und Risiken sind riesig.

Andreas Spaeth

Die beiden größten Flugzeughersteller der Welt sind derzeit nicht zu beneiden. Schließlich beherrschen Schlagzeilen über technische Probleme und daraus resultierende Verzögerungen ihrer wichtigsten Flugzeugprogramme die Luftfahrtbranche.

ILA Berlin

Neue Triebwerkskonzepte versprechen bis zu zwanzig Prozent weniger Treibstoffverbrauch, eine Halbierung des empfundenen Lärms sowie 20 Prozent geringere Wartungskosten. Großen Anteil daran soll ein neuer Getriebefan (Bild) haben.

(Foto: MTU Aero Engines)

Ob Airbus A380 oder A400M, Boeing 787 oder 747-8 - keines der aktuellen Projekte liegt auch nur annähernd im Zeitplan oder im Budget. Wie gut, dass die beiden Unternehmen ihre Brot-und-Butter-Flugzeuge haben, die sich kaum so schnell bauen lassen, wie sie verkauft werden.

Die Boeing 737 und die Airbus A320-Familie sind seit Jahrzehnten Bestseller und beherrschen weite Teile des weltweiten Luftverkehrs. Von der Boeing 737 verkauften sich seit ihrem ersten Einsatz bei der Lufthansa im Jahre 1968 bis heute fast 8500 Exemplare in rund einem Dutzend Varianten. Und weit mehr als 2000 dieser Jets stehen noch in den Auftragsbüchern.

Von der A320-Familie, die heute in vier Versionen auf dem Markt ist, konnten seit der Premiere 1988 mehr als 6700 Flugzeuge verkauft werden, mehr als 2200 Jets sind bestellt. Ein Riesengeschäft: So erzielte Airbus allein 2009 nach Listenpreisen Einnahmen von fast 25 Milliarden Euro.

Und von der Boeing 737-800, wie sie etwa Ryanair oder Air Berlin in großer Zahl fliegen, konnten allein in diesem Jahr schon 382 Jets abgesetzt werden. Ohne diese Einnahmen wären die Flugzeugbauer nicht mehr in der Lage, andere Großprojekte zu stemmen. Doch jetzt gerät dieses Segment in Gefahr.

Denn die Technologie schreitet voran und ermöglicht bisher undenkbare Fortschritte. Das wichtigste Thema sind neuartige Triebwerke, sogenannte Getriebefans. Sie erzielen durch die Entkoppelung des langsam laufenden Gebläseschaufelkranzes, des Fans, am Lufteinlass des Triebwerks und der schneller laufenden Niederdruckturbine hinten eine erheblich höhere Effizienz.

"Der Getriebefan ist ein extrem guter Kompromiss zwischen Spritersparnis, geringerem Lärm und Gewicht sowie höherer Sicherheit und Zuverlässigkeit", erklärt Anton Binder, Leiter der Abteilung Zivile Programme beim Münchner Triebwerkshersteller MTU. Bis zu 20 Prozent weniger Treibstoffverbrauch des Getriebefans, eine Halbierung des empfundenen Lärms sowie 20 Prozent geringere Wartungskosten - "das ist für uns ein gewaltiger Schritt", so Binder.

Erste Niederdruckturbinen sind im Entstehen

In München-Allach entstehen zur Zeit erste Komponenten der Niederdruckturbinen, die als Teil des neuen PW1000G Pure Power-Triebwerks von 2013 an zuerst die neuen kanadischen C-Series-Jets von Bombardier sowie von 2016 an dann auch das russische Verkehrsflugzeug MS-21 der Irkut-Werke antreiben werden.Und genau das ist das Dilemma für Airbus und Boeing, denn: Bis dahin werden sie weiterhin nur ihre nicht mehr taufrischen Bestseller anbieten können - ohne fortschrittliche Antriebe.

Aber bereits seit langem drängen viele Airlines die beiden Branchengrößen, Nachfolgemodelle auf den Markt zu bringen. Die halten dagegen, dass es dafür neue Technologien, die tatsächlich 20 Prozent geringere Betriebskosten realisieren, geben müsste; nur so lohne sich die Milliardeninvestition. Doch die sehen die Hersteller nicht vor 2020 oder gar 2025, vorher wollen sie kein neues Flugzeug konzipieren.

Vor allem bei Airbus rauchen in diesen Wochen die Köpfe. "Aus alt mach neo" - so könnte man das Problem umschreiben, vor dem der europäische Hersteller steht. Neo steht dabei für New Engine Option, neue Triebwerksoption.

Indem man die drei wichtigsten Modelle der A320-Familie - A319, A320 und A321 - mit neuen Antrieben wie dem Getriebefan von Pratt&Whitney oder einem Konkurrenzmodell von CFM versehen würde, könnten Airlines mit diesen Jets bereits von 2015 an 15 Prozent Treibstoffkosten sparen. Das würde allerdings Investitionen bis zu zwei Milliarden Euro erfordern - auf den ersten Blick sehr viel, um ein neues Triebwerk unter die Flügel zu hängen.

Doch damit ist es nicht getan, denn der Durchmesser des Getriebefans ist größer als der heutiger Triebwerke. Allein der Fan misst bei der C-Serie schon 1,92 Meter, für die A320-Familie wäre er vermutlich noch ausladender. Daher müssten erhebliche Modifikationen der Triebwerksaufhängung, eventuell sogar an der Fahrwerkshöhe vorgenommen werden.

Genau daran krankt es auch bei der mit noch wesentlich niedrigeren Fahrwerken ausgerüsteten Boeing 737. Bei Airbus sollte eigentlich im Oktober bereits die Entscheidung fallen, doch zuletzt kamen andere Signale. Airbus-Chef Tom Enders verwies auf die hohe Belastung der Ingenieure durch die bereits bestehenden Flugzeugprogramme und betonte, dass es aus seiner Sicht kein Schaden sei, wenn man die Idee beerdige.

Auch Boeing-Marketingchef Randy Tinseth deutete an, dass sich die Festlegung auf neue Triebwerke bis 2011 verzögern könne. Und Tim Clark, Chef von Emirates Airlines, brachte es auf den Punkt: "Gebt ihnen noch fünf Jahre Zeit, sie sind derzeit zu sehr mit ihren akuten Problemen beschäftigt." Aber dann könnte es zu spät sein.

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