Süddeutsche Zeitung

Neue Punkte in Flensburg:Was sich für Autofahrer ändert

Am 1. Mai 2014 tritt die Punktereform in Kraft. Das System soll nun einfacher, gerechter und transparenter werden. Wer nach der Umstellung schlechter fährt - und welche Autofahrer Punkte ganz einfach loswerden.

Von Thomas Harloff

Auf den Tag 40 Jahre nach ihrer Einführung steht die größte Reform in der Geschichte der Flensburger Verkehrssünderkartei an. Noch vom früheren Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer auf den Weg gebracht, wird die neue Regelung am 1. Mai 2014 umgesetzt. Damit steigt nicht nur das Bußgeld für viele Vergehen zum Teil drastisch an, sondern es tritt auch eine neue Punkteregelung in Kraft. Zudem ändert sich der Name jener Behörde mit Sitz in Flensburg, die die Punkte sammelt: Aus dem Verkehrszentralregister wird das Fahreignungsregister FAER.

Laut Bundesverkehrsministerium soll die neue Punkteregelung alles "einfacher, gerechter und transparenter" machen und dazu noch die Verkehrssicherheit erhöhen. Denn künftig werden nur noch sicherheitsgefährdende Delikte mit Punkten bestraft. Wer ohne die dafür nötige Plakette in eine Umweltzone einfährt oder beim Führen des Fahrtenbuchs schlampt, bekommt für solche Ordnungswidrigkeiten ein Bußgeld aufgebrummt. Auch werden insgesamt weniger Punkte verteilt: Wurde ein Verstoß früher mit bis zu sieben Punkten geahndet, gibt es heute maximal drei. Der Führerschein ist nun allerdings bereits bei acht statt 18 Punkten weg.

Verschärfte Punkteregelung

Experten sehen in der Neuregelung eine Verschärfung des Punktekatalogs und gehen von etwa zehn Prozent mehr Führerscheinentzügen aus. "Es wird sehr viel häufiger zum Entzug der Fahrerlaubnis kommen, weil schon einige kleine Vergehen reichen, damit der Führerschein weg ist", sagt Daniela Mielchen, Mitglied im Verkehrsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins, der Süddeutschen Zeitung. Denn fast alle Ein-Punkt-Verstöße blieben trotz der verkürzten Skala Ein-Punkt-Verstöße, so die Hamburger Anwältin. Mielchen nennt das Beispiel Telefonieren am Steuer: "Bislang durfte man dabei theoretisch 18 Mal erwischt werden, ab Mai nur noch acht Mal."

Neben notorischen Telefonierern zählen tempoverliebte Autofahrer und Rote-Ampel-Ignoranten zu den Verlierern der Punktereform. Von 1. Mai an ist schon nach dem vierten groben Verstoß, der mit zwei Punkten und einem befristeten Fahrverbot geahndet wird, der Führerschein vorerst weg. Solche Vergehen, die zudem erst nach fünf Jahren gelöscht werden, sind beispielsweise das Missachten einer Ampel, die schon eine Sekunde lang Rot zeigt, oder Fahrgeschwindigkeiten, die innerorts mindestens 31 km/h oder außerorts 41 km/h über dem Tempolimit liegen. Wer wegen solcher Vergehen den Führerschein verliert, muss allerdings mehrere Warnungen außer Acht gelassen haben. "Der ist dann schon dreimal für mindestens einen Monat zu Fuß gegangen und zweimal schriftlich ermahnt und verwarnt worden", sagt ADAC-Jurist Jost Kärger.

Höheres Risiko für Berufs- und Vielfahrer

Vor allem Lkw-Fahrer könnten mit dem neuen System schneller als bislang an den Rand des Führerscheinentzugs geraten. Denn Punkte gehen auch dann auf ihr Konto, wenn die Kraftfahrer nicht allein für ihr Vergehen verantwortlich sind. Geringe Ladungsverstöße oder technische Mängel an ihrem Fahrzeug brocken dem Fahrzeugführer jeweils einen Punkt ein. "Acht Punkte kommen da schnell zusammen", sagt Mielchen.

Und auch andere Vielfahrer müssen in Zukunft besser aufpassen. Tempoverstöße ohne Fahrverbot oder minderschwere Abstandsvergehen passieren Fahrern, die den Großteil ihres Berufslebens auf der Autobahn verbringen, immer mal wieder, bringen aber jeweils einen Punkt auf dem Flensburger Konto. Wie beim Handy gilt auch hier: Nach acht solcher Vergehen ist die Fahrerlaubnis erst einmal weg. Ist dies der Fall, steht wie bislang die "Medizinisch-psychologische Untersuchung" MPU an, die auch als "Idiotentest" bekannt ist.

Punkte verjähren unkomplizierter

Autofahrer, die sich nur hin und wieder etwas zu Schulden kommen lassen, könnten von der Punktereform profitieren. Die meisten Punkte verfallen nach zweieinhalb Jahren, und zwar unabhängig davon, was in der Zwischenzeit passiert. Bisher war die Regelung komplizierter, neue Verstöße konnten die Verjährung alter Punkte hemmen.

Auch Fußgänger sollten in Zukunft kaum noch Punkte sammeln können. Die meisten Vergehen werden lediglich mit Bußgeldern von fünf oder zehn Euro geahndet, während Punkte erst bei Geldstrafen ab 60 Euro fällig werden. Fußgänger müssten schon Unfallflucht begehen oder einen Bahnübergang bei geschlossener Schranke überqueren, um dafür mit einem Punkt bestraft zu werden.

Eine Generalamnestie für bereits gesammelte Punkte gibt es nach der Umstellung nicht, der Punktestand wird gemäß der neuen Regelung umgerechnet. Wer bis zu drei Punkte mitnimmt, hat von Donnerstag an nur noch einen auf dem Konto. Aus acht bis zehn alten werden vier neue Punkte, Autofahrer mit bislang 16 oder 17 Punkten starten mit sieben Punkten in die neue Ära. Punkte, die einst für Delikte ausgesprochen wurden, die künftig nicht mehr mit einem Punkt bestraft werden, werden gestrichen.

Für Verkehrsrechtsanwältin Mielchen stellt die Übertragungsregelung eine Ungleichbehandlung dar: "Wer zum Beispiel wegen eines Handyverstoßes einen Punkt hat, steht auf der neuen Punkteskala genauso da wie Wiederholungstäter, die schon dreimal telefonierend am Steuer erwischt wurden."

Wie man Punkte wieder loswird

Wer kurz vor dem Führerscheinentzug steht, hat es künftig schwerer, sein Punktekonto zu entlasten. Bislang war es möglich, durch die Teilnahme an einer Beratung und einem Seminar bis zu sechs Punkte abzubauen. Künftig kann nach dem Besuch eines "Fahreignungsseminars", das aus je zwei Sitzungen in der Fahrschule und bei einem Psychologen besteht, innerhalb von fünf Jahren nur noch ein Punkt gestrichen werden. Und das auch nur, wenn höchstens fünf Punkte zu Buche stehen.

"Der Erziehungseffekt bleibt aus"

Experten bezweifeln jedoch, dass die Punktereform tatsächlich mehr Transparenz für die Autofahrer schafft. "Das ist alles so kompliziert, dass Rechtsanwälte sicher viel zu tun bekommen", sagt Volker Lempp, Jurist beim Auto Club Europa (ACE). Der Verein bemängelt zudem, dass der Erziehungseffekt ausbleibe. "Es geht ja darum, dass die Fahrer ihr Verhalten ändern", sagt Lempp. Trotz einer Ermahnung nach drei Punkten und einer Verwarnung bei insgesamt fünf Punkten, fehle "der echte Warnschuss", der die Fahrer zur Besinnung bringe.

Ihren Punktestand erfahren Autofahrer wie bisher beim Kraftfahrt-Bundesamt KBA. Auf dessen Homepage ist ein Antragsformular hinterlegt, die Auskunft ist kostenlos.

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