Neue Motorenkonzepte:Der Diesel bleibt am Leben

Der Antriebsstrang des neuen Audi SQ7 TDI

Der Antrieb des neuen Audi SQ7 TDI liefert 435 PS und ein maximales Drehmoment von 900 Newtonmetern.

(Foto: Audi AG)

Vier Turbolader bei BMW, elektrische Unterstützung bei Audi: Wie die Hersteller versuchen, die Zukunft des totgesagten Antriebs zu retten.

Analyse von Joachim Becker

Abgas-Skandal, Rückrufe und steigende Rabatte: Diesel haben ein Problem - nur auf dem 37. Internationalen Wiener Motorensymposium nicht: "Vermeiden wir es, auf die Fehler der Vergangenheit zu schauen und richten unseren Blick in die Zukunft", gibt der Gründer und Tagungsleiter Hans Peter Lenz gleich zu Beginn die Richtung vor.

Dabei ist in den vergangenen Monaten eine Epoche zu Ende gegangen. In Wien wurde alljährlich das Hochamt des modernen Selbstzünders gefeiert. Sein Siegeszug spiegelte sich in den sendungsbewussten Ansprachen von Ferdinand Piëch und dessen VW-Granden wider. Die Elektrifizierung des Antriebs galt auf dem Motorensymposium bestenfalls als Hilfswissenschaft. Daran scheint sich bis heue wenig geändert zu haben:"Neue Dieselmotoren lassen alle Register spielen und liefern durch zahlreiche Innovationen einen Beweis für ihr großes Potenzial an Fortschritten", jubelt der 82-jährige Lenz. Bei batterieelektrischen Antrieben zeigt der Doyen der Motorenentwickler wenig Zuversicht: "Hier erfolgte heuer kaum ein geeigneter Input, offenbar gibt es keine wesentlichen neuen Erkenntnisse und ohnehin kaum Interesse von Kunden trotz angekündigter Subventionierung."

BMW bringt den vierfach aufgeladenen Diesel

Alles beim Alten also? Wien wäre nicht Wien ohne den unbeirrbaren Glauben an das schier unerschöpfliche Potenzial des Ölbrenners. Tatsächlich zaubert die Zunft der Thermodynamiker wieder ein paar Asse aus dem Ärmel. Motoren wie den vierfach (!) aufgeladenen neuen Topdiesel von BMW zum Beispiel. Aus nur drei Litern Hubraum mobilisiert der Reihensechszylinder 294 kW (400 PS). Auch bei der Leistungsdichte erreicht der Ölbrenner ein neues Niveau. Mit 98,3 kW pro Liter Hubraum und einem Drehmoment von 254 Nm/l Hubraum geht der neue Power-Diesel weltweit in Führung. Erstmals kommt ein neues Piezo-Einspritzsystem von Bosch zum Einsatz, das den Common-Rail-Druck auf über 2500 Bar steigert - ein weiterer Rekordwert.

Am verblüffendsten ist jedoch der Normverbrauch beim Ersteinsatz im BMW 750d xDrive. Das allradgetriebene Diesel-Flaggschiff soll sich mit rund 5,5 Liter auf 100 Kilometern zufrieden geben. Vergleichbare Hochleistungsbenziner schlucken 25 Prozent mehr Kraftstoff - mindestens. Eine aufwendige motornahe Abgasnachbehandlung ist bei neuen Dieselentwicklungen mittlerweile selbstverständlich.

Audi entschied sich für den elektrischen 48-Volt-Turbo

Mutiert der einstige Antrieb für Ackerschlepper also zum Hightech-Aggregat für Luxusautos? Bei Neuankündigungen zu kleinen Downsizing-Dieseln herrscht in Wien jedenfalls eine auffallende Sendepause. Konkurrenz bekommen sie durch neue Benziner, die mit einem 48-Volt-Mikrohybrid ähnlich effizient werden sollen.

Alle führenden Marken arbeiten an der relativ günstigen Alternative zu den Hochvolthybriden. Doch der Entwicklungsaufwand ist enorm. 2012 schreckte BMW noch vor den Investitionen in ein 48-Volt-Teilbordnetz zurück. Statt in den Mikro-Hybrid steckten die Münchner ihr Geld in den Vierfachturbo - und in den rein batterieelektrischen BMW i3 sowie in den Plug-in-Hybrid BMW i8. Audi entschied sich ungefähr zur gleichen Zeit andersherum: Gegen ein reines Batterieauto und für den weltweit ersten elektrischen Turbolader auf 48-Volt-Basis. Premiere feiert dieser Batterie-Booster im SQ7 TDI: Mit stolzen 320 kW (435 PS) ist der neue Audi das derzeit stärkste Diesel-SUV auf dem Markt.

Auf der Autobahn knickt der E-Lader ein

Turboloch - das war einmal. Schon bei 1000 Touren liefert der neue Audi V8-TDI ein Drehmoment von unglaublichen 900 Nm. Die elektrische Druckbeatmung verwandelt das Fünfmeter-Dickschiff in ein Spielzeug für die kindliche Lust am Karussellfahren: Sobald der SQ7 TDI am Scheitelpunkt einer engen Kurve beschleunigt, gibt es für die Passagiere in ihren Sitzen kein Halten mehr. In einer Viertelsekunde erreicht der faustgroße elektrische Verdichter 70 000 Umdrehungen. Während die großen Abgasturbolader noch Luft holen, kann der kleine E-Lader also schon Sauerstoff in die Brennräume pumpen. Zumindest auf den ersten Metern dampft der Audi fast jeden Wettbewerber ein.

Anders als beim Ampelsprint bleibt dem elektrischen Windrädchen auf der Autobahn allerdings schnell die Puste weg. Im Volllast-Inferno der beiden konventionellen Abgasturbolader gehen die sieben Kilowatt aus der Lithium-Ionen-Batterie sang- und klanglos unter.

Flink durch die Kurven

Lässt sich ein 2,3 Tonnen schweres SUV also hinsichtlich der Fahrdynamik in eine Sportlimousine verwandeln, wie Audi verspricht? Bei den ersten Probefahrten in den Vogesen wird klar, wie viel Aufwand die Entwickler in den Feinschliff des gesamten Systems gesteckt haben: Gekonnt setzt sich eine neuartige Wankstabilisierung in Szene. Dank des 48-Volt-Anschlusses stemmt sich das aktive System verblüffend ansatzlos der Fliehkraft entgegen.

Außerdem ist die elektromechanische Fahrwerkshilfe nur rund halb so schwer und wesentlich effizienter als ein vergleichbares hydraulisches System. In Kombination mit einer Hinterradlenkung und einem Sportdifferenzial mit Momentenverteilung an der Hinterachse zirkelt der SQ7 TDI erstaunlich schnell durch die Kehren und bleibt bis in den Grenzbereich aufrecht, stabil und gut kontrollierbar.

Doch die Physik lässt sich nicht betrügen: Unverkennbar lastet der gusseiserne V-8-Motor mit 260 kg auf der Vorderachse. Der BMW-Reihensechser aus Aluminium ist rund 80 kg leichter und muss im BMW 750d xDrive ab Juli auch deutlich weniger Masse bewegen. Deshalb braucht die Limousine im Vergleich zum SUV nur 4,6 statt 4,8 Sekunden für den Spurt von null auf 100 km/h. Das dürfte in der Praxis ebenso wenig relevant sein wie der Drehmomentvorteil des Ingolstädters: Mangels eines Hochlastgetriebes mussten die Münchner die maximale Zugkraft auf 760 Nm begrenzen, obwohl der Motor wohl über 800 Nm liefern könnte.

Mehr Show- als Effizienzprogramm

Wirklich relevant sind die Unterschiede dagegen beim Spritverbrauch: Laut NEFZ-Norm genehmigt sich der SQ7 TDI 7,2 Liter auf 100 Kilometer und liegt damit knapp unter der Grenze von 200 Gramm CO₂ pro Kilometer. Der "Downsizing-Diesel" im BMW Siebener gibt sich dagegen mit 40 g/km weniger CO₂ zufrieden.

Vorsprung durch traditionelle Technik also? Nein, denn als Alleinunterhalter ist der klassische Verbrenner angezählt: Einen Nachfolger mit fünf Turboladern wird es auch bei BMW nicht geben. Audis erste 48-Volt-Elektrifizierung ist ohnehin mehr Show- als Effizienzprogramm. Ab Herbst 2017 soll der neue A8 die nächste 48-Volt-Stufe zünden: Die Kombination des E-Turbos mit einem Riemenstarter-Generator soll bis zu 20 g/km CO₂ sparen. "Ohne Elektrifizierung des Verbrennungsmotors geht in Zukunft nichts mehr", das muss auch Tagungsleiter Lenz in Wien zugeben.

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