Neue Modelle im Fahrbericht:Warum vier Zylinder zu Porsche passen - irgendwie

Der neue Porsche 911 Carrera S als Coupé und Cabrio.

Hat nun weniger Hubraum, dafür zwei Turbolader: Sechszylinder-Boxer im neuen Porsche 911 Carrera S.

(Foto: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG)

Porsche 911 Carrera mit Sechszylinder-Turbo, der Boxster-Nachfolger 718 kommt gar nur mit vier Brennräumen: Bleibt bei den neuen Motoren bei aller Effizienz die Emotion erhalten?

Test von Georg Kacher

Der Sauger ist tot, lang lebe der Sauger. Aber nicht mehr in der Großserie, sondern eher als leistungsstarkes Meisterwerk des Motorenbaus, bei Porsche zum Beispiel in Form des 911 GT3 und des Cayman GT4. In der Regel sitzt freilich fast allen neu entwickelten Verbrennern künftig mindestens ein Lader im Nacken. Beim 3,0-Liter-Sechszylinder des modellgepflegten Elfer (kleines Foto) sind es zwei, beim Vierzylinder der in 718 umgetauften Zweisitzer tut es zunächst ein Monoturbo.

Die Argumente der Anti-Sauger-Fraktion sind kaum zu entkräften: mehr Leistung, mehr Drehmoment, weniger Verbrauch und damit niedrigere CO₂-Werte. Als Zugabe führen sie die bessere Fahrbarkeit ins Feld, denn der Lader baut rasch Kraft auf und hält den Vortrieb weitgehend konstant, ehe der Begrenzer eingreift. Das tut er tendenziell etwas früher als beim Sauger, der in den meisten Fällen noch spontaner antritt und fünf Hitparaden-Plätze besser klingt.

Ein Hauch von Ladedruck genügt

Evolution auf Kosten der Emotion? Diese Kluft haben die Techniker im Fall des neuesten 911 gar nicht aufbrechen lassen - trotz Downsizing von 3,8 auf 3,0 Liter Hubraum. Ein Hauch von Ladedruck genügt, um 20 Mehr-PS und 60 Extra-Newtonmeter zu generieren. Mit 420 PS und 500 Nm schiebt die Kombination aus Biturbo und PDK den neuen Carrera S in 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h und macht ihn bis zu 306 km/h schnell. Diese Leistungsdaten sind nur marginal besser, aber dafür sinkt der Normverbrauch um einen Liter auf 7,7 l/100km.

Soweit, so gut. Trotzdem ist es nicht Liebe auf den ersten Blick, denn der Elfer-Aficionado muss umlernen. Statt die Drehzahlleiter hochzuspurten, darf er künftig auf der Drehmomentwelle surfen. Statt im kleinen Gang allzeit bereit zu sein für die nächste Sprintübung, ist von nun an früheres Hochschalten angesagt - den Rest besorgen die Hummeln im Heck.

New-Wave-Band statt Kreissägen-Solist

Mit dem Sound ist das so eine Sache. Klar, der heisere Kreissägen-Solist hat die Bühne geräumt für eine New-Wave-Band mit leise pfeifenden Ladern und gedämpftem Ansaug-Fauchen. Kann man mögen, muss man aber nicht. Schließlich will Porsche für die Gusseisernen den Saugmotor bis auf Weiteres am Leben erhalten, und sei es auch nur in Sonderserien wie dem GT3 RS.

Obwohl sich der überarbeitete Siebengang-Handschalter die meisten Unarten abgewöhnt hat, passt das moderne PDK-Getriebe ganz einfach besser zum modernen Turbomotor - zumal der flinke Doppelkuppler inzwischen den CO₂ senkenden Segelschein gemacht hat. Die Sportfahrer unter den Porsche-Kunden wird es freuen, dass man das Funktionsschema im manuellen Schaltprogramm buchstäblich auf den Kopf gestellt hat. Das heißt, den Wählhebel zum Hochschalten nach hinten ziehen und zum Herunterschalten nach vorne drücken.

Boxster und Cayman werden zum Porsche 718

Porsche Boxster

Porsche verpasst dem Boxster im Frühjahr nicht nur eine umfassende Modellpflege, sondern auch einen neuen Namen: 718.

(Foto: Porsche)

Der Preis des jetzt etwas besser ausgestatteten Carrera S ist um rund 5000 Euro auf 110 766 Euro gestiegen, aber wer sich gerne etwas gönnt, kann auch 150 000 Euro und mehr ausgeben. Ob es da nicht auch ein Cayman tut, oder statt dem 911 Cabrio der praktischere Boxster? Mit dieser Entscheidung sollten sich Interessenten nicht lange Zeit lassen. Ab April rücken die Mittelmotorsportler nämlich weiter ab von der Heckmotor-Oberliga. Zu diesem Zweck hat Weissach das Baumuster 718 kreiert, das an den zwischen 1957 und 1964 gebauten minimalistischen Roadster erinnern soll. Der 718 ist also nicht - wie anfangs geplant - ein neues, preiswertes Einstiegsmodell, sondern der Nachfolger von Boxster und Cayman. Beide tauschen im Rahmen der technischen Überarbeitung die Sechszylinder-Sauger gegen neu konstruierte Vierzylinder-Boxer.

Als der risikofreudige Sparfuchs Wendelin Wiedeking 2007 den Cayman auf den Markt brachte, positionierte er das in der Herstellung billigere Coupé oberhalb des Boxster. Doch da die Nachfrage hinter dem Plansoll zurückblieb, wurde es nichts mit der erhofften Gewinnmaximierung. In der Folge durfte der Vertrieb den preislichen Abstand Zug um Zug reduzieren. Die Trendwende soll im Sommer 2016 der 718 Cayman bringen, der erstmals rund 1500 Euro weniger kostet als das Softtop.

Starke Veränderungen statt eines simplen Facelifts

Während ein simples Facelift nur eine durchschnittliche Halbwertzeit von drei Jahren hat, bleibt der 718 bis zum Modelljahr 2021 im Programm. Damit diese Rechnung aufgeht, hat man in Weissach nicht nur einem neuen Motor das Laufen gelehrt, sondern auch sämtliche Karosserieteile mit Ausnahme von Dach und hinterem Kofferraumdeckel mehr oder weniger stark verändert. Ein besonderer Blickfang sind die Vierpunkt-LED-Leuchten, die künftig alle Baureihen zieren werden.

Weil manche Kunden die Belüftungsdüsen als zu laut und wenig durchsatzkräftig empfinden, spendierten die Controller dem Boxster eine neue Schalttafel, deren meist aufpreispflichtige Funktionalitäten sich am Elfer orientieren - wohl dem, der kann. Das Bedienkonzept ist trotzdem nicht besonders intuitiv, und ein Head-up Display gibt's ebenso wenig wie adaptives Matrixlicht.

Wir kennen den 718 bisher nur aus der Beifahrer-Perspektive, doch schon das passive Erleben macht Lust auf mehr. Porsche hat es nämlich erneut geschafft, die sehr gute Fahrdynamik noch einmal zu verbessern. Als Mittel zum Zweck dienen größere Bremsen, etwas breitere Hinterräder, die um zehn Prozent direktere Lenkung sowie eine neue Reifengeneration mit noch mehr Grip und Seitenführung. In Verbindung mit dem Sport-Chrono-Paket kann der Fahrer über einen Knubbel am Lenkrad zwischen vier Programmen wählen. Ein Druck auf den schwarzen Knopf in der Mitte schaltet alle Systeme für maximal zwanzig Sekunden auf Sport Plus. Nein, keine Overboost-Funktion, aber ein nettes Spielzeug für Gadget-Junkies.

Die Daten sprechen für die Vierzylinder

Nach 718, 356, 914 und 912 hat nun auch der Boxster einen Vierzylinder-Boxer unter der Haube. Der 2,0-Liter-Motor bringt es auf rund 300 PS und 360 Nm, das größere 2,5-Liter-Aggregat mobilisiert im S-Modell circa 340 PS und 400 Nm. Das reicht, um in 4,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h zu sprinten und mehr als 280 km/h schnell zu sein. Die kleinere Maschine klang auf der letzten Abnahmefahrt eine Spur kehliger und kerniger, hing schon bei 2000 Touren gierig am Gas und ergab sich erst bei 7500 Touren dem Begrenzer. Der 2,5-Liter-Treibsatz legt von 4000/min an deutlich zu, lässt sich noch schaltfauler bewegen und erinnert akustisch an die drei Tenöre.

Kein Grund mehr also, dem Sauger nachzutrauern? Ja und Nein. Den Turbo-Höhenflug kann eigentlich nur die technische Evolution relativieren - zum Beispiel in Form einer Hybrid-Kombination aus billigem Sauger und kräftigem E-Motor. Was die Breitenwirkung angeht, ist der Lader bis auf weiteres das Maß der Dinge. Man muss trotzdem kein Nostalgiker sein, um sich statt dessen für einen gebrauchten 911 GTS oder für einen späten Boxster GTS zu entscheiden.

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