Neue Modelle im Fahrbericht:Mégane und Talisman bringen Renault nach vorne

Der neue Renault Talisman

Mit dem Talisman könnte Renault nach langer Zeit wieder auf dem umkämpften deutschen Mittelklasse-Markt Fuß fassen.

(Foto: Renault)

Der eine ist agil und funktionell, der andere geräumig und komfortabel: Völlig zu Recht präsentiert sich Renault so selbstbewusst wie lange nicht mehr.

Von Michael Specht

Es ist noch nicht lange her, da waren Renaults eher zum Gähnen. Mainstream, ein bisschen spießig und austauschbar im Design. Glücklicherweise hat der Vorstand inzwischen einen begabten Zeichner nach Paris geholt, Laurens van den Acker. Der Niederländer, zuvor in Diensten von Ford und Mazda, gibt als Designchef jetzt der französischen Marke ein neues Gesicht, wohl proportioniert und attraktiv. Sein Motto: Einfachheit, gepaart mit mediterranem Flair. "Seit vergangenem Jahr ist das Design bei uns Kaufgrund Nummer eins", sagt van den Acker zufrieden.

Die neue Optik geht einher mit dem Komplettumbau der Marke. Wohl nur wenige Autohersteller haben eine solche Wandlung vollzogen wie Renault gerade. Der französische Konzern revolutionierte mit dem jetzigen Espace zum zweiten Mal das Van-Prinzip, bietet mit dem Twingo einen Kleinwagen mit Heckmotor an, reagierte mit Captur und Kadjar auf den SUV-Boom im Kompaktsegment und traut sich nun sogar, in der oberen Mittelklasse mitzuspielen.

Risiko mit dem Talisman

Der neue Glücksbringer - wenn er denn einer wird - heißt Talisman. Nicht wenige halten allerdings solch ein Modell, besonders hierzulande, für ein Risiko. Zu groß ist die Konkurrenz und zu erfolglos waren die Vorgänger - zuletzt der Latitude, eine leicht modifizierte und wenig attraktive Limousine des südkoreanischen Kooperationspartners Samsung.

Doch van den Acker hält dagegen: "Eine Marke bricht immer von oben weg." Man brauche also ein Flaggschiff, nicht zuletzt als Imageträger. Der Talisman ist stolze 4,85 Meter lang und basiert auf der gleichen Plattform wie der Espace. Entsprechend großzügig sind die Platzverhältnisse. Die Beinfreiheit im Fond soll gar die beste im Segment sein, was den großen Franzosen zum bequemen Reisewagen macht. Zudem schluckt der Kofferraum üppige 608 Liter. Klappt man die Sitzlehnen um, passen sogar 1022 Liter rein.

Ab sofort mit fünf Jahren Garantie

Vielfahrer dürften auch die sogenannten TCO schätzen, neudeutsch: Total Costs of Ownership. Darauf hat Renault besonderes Augenmerk gelegt. Hauptsächlich, um verstärkt ins Flottengeschäft zu kommen. So liegt der Normverbrauch des Einstiegsdiesels dCi 110 (Preis: ab 27 950 Euro) bei nur 3,6 Litern, was immer das auch in der Praxis bedeutet. Zum Service muss der Kunde jedenfalls nur alle zwei Jahre oder 30 000 Kilometer. Außerdem bietet Renault eine Fünfjahresgarantie bis maximal 100 000 Kilometer. Was zeigt: Man ist sich in der Konzernzentrale in Paris der Produktqualität so sicher wie nie zuvor.

Dies soll auch der Innenraum untermauern. Er wirkt angenehm wohnlich. Die Materialien sind hochwertig und auch die Verarbeitung ist, bis auf kleine Nachlässigkeiten, ordentlich. Ungewöhnlich ist das Zentraldisplay im Hochformat, wie man es bereits vom Espace kennt. "Sie halten beim Lesen ein Buch doch auch senkrecht", begründet Marketing-Leiter Marc Nowacki dieses Layout. Leider trübt den Spaß am 8,5-Zoll-Bildschirm eine teilweise etwas komplizierte Menüführung.

Renault setzt auf die Vierradlenkung

Der neue Renault Megane GT.

Der neue Renault Mégane kostet mindestens 16 790 Euro. Das Bild zeigt das Topmodell GT.

(Foto: WGO)

Eine überzeugende Vorstellung auf unserer Testfahrt lieferte der Talisman dagegen in Sachen Fahrkomfort ab. Der Wagen fährt sich nach französischer Lebensart geschmeidig, fühlt sich dennoch solide an, federt weich, lenkt präzise und fegt, wenn nötig, auch recht sportlich um die Kurven. Besonderen Anteil daran hat die Vierradlenkung "4Control", die Renault in dieser Fahrzeugklasse exklusiv anbietet. Bei Geschwindigkeiten ab 60 km/h lenken die Hinterräder bis zu 1,9 Grad in dieselbe Richtung wie die Vorderräder und verbessern so das Kurvenverhalten. Beim Rangieren und beim langsamen Fahren ist es umgekehrt. Jetzt bewegen sich die Hinter- gegenüber den Vorderrädern wenige Grad in die entgegengesetzte Richtung, machen so den Talisman wendiger als viele seiner Konkurrenten.

Auch der neue Mégane soll von dieser Technik profitieren, zumindest beim Topmodell GT - bislang einmalig im Kompaktsegment. Darüber hinaus teilen sich Mégane und Talisman die Chassis-Architektur, das senkrecht angeordnete Zentral-Display, die fünfjährige Garantie sowie einige Motoren und Getriebe.

Der Mégane fährt sich so, wie er aussieht

Optisch trägt der Mégane, dessen Preisliste mit 16 790 Euro startet, durch seine muskulösen Schultern und die breiten Proportionen deutlich dicker auf als beispielsweise der Golf. Das sportliche Design soll vor allem jüngere Kunden ansprechen. Funktionell ist es trotzdem. Bis zu 1247 Liter passen in den Kofferraum, mit 4,36 Meter ist er gegenüber dem Vorgänger um 6,5 Zentimeter gewachsen. Gleichzeitig geriet der Wagen ein paar Zentimeter flacher, was ihn zusammen mit seinen kurzen Überhängen recht knackig dastehen lässt.

Und so wie er aussieht, fährt er auch. Den Entwicklern gelang eine ausgesprochen harmonische Abstimmung von Lenkung, Federung und Dämpfung. Der Mégane bereitet besonders auf kurvigen Landstraßen viel Spaß. Ab der Ausstattungslinie "Intens" gibt es sogar eine Art Fahrerlebnisschalter. Gewählt werden kann zwischen Eco, Comfort, Neutral, Sport und einem Individual-Modus, genannt "Perso". Je nach Lust und Laune lassen sich die Instrumente anpassen, je nachdem, ob man den Drehzahlmesser prominent im Blickfeld haben möchte, oder doch lieber Tacho und Verbrauch.

Bei den Antrieben heißt die Strategie - wie auch beim Talisman - Downsizing. Kein Motor ist größer als 1,6 Liter. Alle Diesel und Benziner sind Vierzylinder-Turbo-Aggregate und decken ein Leistungsspektrum von 101 bis 205 PS ab. Die Lücke im Benziner-Angebot ist damit aber eklatant, denn der darunter liegende 1,2 Liter hört bei 132 PS auf. Etwas besser sieht die Sache bei den Dieselmotoren aus. Das Leistungsspektrum beginnt mit 90 PS und endet bei 165 PS. Mit der 110-PS-Variante will Renault auf einen Verbrauch von 3,3 Liter kommen. Und selbst vor einem Hybrid scheut man sich nicht länger. Anfang 2017 soll dem kleinen Diesel ein Elektromotor auf die Sprünge helfen und den Durst auf unter drei Liter drücken. Am 7. März startet der Verkauf des Mégane.

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