Neue Messmethode:Warum die Kfz-Steuer für viele teurer wird

Autos und Lkw fahren auf der A2 bei Helmstedt Niedersachsen im Sonnenuntergang

WLTP ersetzt künftig das Messverfahren NEFZ.

(Foto: Thomas Eisenhuth/imago)

Wer von September an ein Auto neu zulässt, muss eine höhere Kfz-Steuer bezahlen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen Messverfahren WLTP.

Von Daniela Dau

Vier Buchstaben - WLTP - krempeln derzeit die Autowelt um. Sie stehen für den neuen Abgastest, der den alten Testzyklus NEFZ ablöst. Vom 1. September 2018 an gilt WLTP für alle Autos, die neu zugelassen werden - und das wirkt sich direkt auf die Kfz-Steuer aus. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wer ist von der Umstellung betroffen?

In erster Linie Autokäufer, die vom 1. September an eine Erstzulassung für ihren Neuwagen bekommen wollen. Vom diesem Stichtag an gilt der neue Standard für die Berechnung der Kfz-Steuer. Bereits seit September 2017 müssen Hersteller alle neuen Typzulassungen nach dem WLTP-Zyklus prüfen lassen.

Was unterscheidet das neue Testverfahren vom alten?

Die Kfz-Steuer wird nach dem Hubraum und dem CO₂-Wert eines Fahrzeugs bemessen, der sich aus dem Spritverbrauch ergibt. Ermittelt wurden die dafür nötigen Werte bisher mit einem standardisierten Testverfahren namens "Neuer Europäischer Fahrzyklus". Seit seiner Einführung in den 90er Jahren steht der NEFZ in der Kritik. Das neue Messverfahren "Worldwide harmonized Light Duty Test Procedure" (WLTP) soll realitätsnähere Angaben liefern. Es berücksichtigt die physikalisch bedingten Fahrwiderstände wie Masse, Luft- und Rollwiderstand umfassender, testet nicht nur die Standardversion eines Fahrzeugtyps, sondern prüft alle erhältlichen Motor-Getriebe-Kombinationen und bezieht auch Sonderausstattungen ein. Wie der NEFZ wird auch die WLTP in zertifizierten Testlaboren unter genau definierten Bedingungen durchgeführt. Entwickelt wurde das Verfahren von der UNECE (United Nations Economic Commission for Europe) im Auftrag der EU-Kommission.

Darum wird NEFZ abgelöst

Die Kritikpunkte am NEFZ waren zahlreich: Die genormten Durchschnittsprofile hätten nichts mit den tatsächlichen Nutzungsprofilen der Fahrzeughalter zu tun; eine energiesparende Fahrweise werde angenommen, aber in der Wirklichkeit nicht immer eingehalten; Zusatzverbraucher wie Heizung und Klimaanlage seien bei der Messung ausgeschaltet - und vieles mehr. Laut einer von der Deutschen Umwelthilfe veröffentlichten Studie des "International Council on Clean Transportation" ICCT von 2013 betrug die durchschnittliche Differenz zwischen Herstellerangabe und wahrem Kraftstoffverbrauch 25 Prozent, mehrere deutsche Premiumhersteller lagen sogar darüber. Experten erwarten, dass die durchschnittlichen Verbrauchswerte nach WLTP deutlich höher ausfallen.

Was bringt die Einführung von WLTP?

Mehr Transparenz. Autofahrer sollen genauere und realistischere Verbrauchs- und Emissionsangaben für ihr Modell erhalten. Denn im Rahmen der WLTP steigen auch die Anforderungen an die Abgasreinigungssysteme der Fahrzeuge, weil zusätzlich RDE-Tests (Real Drive Emissions) auf der Straße Pflicht werden. Doch die neue Klarheit wirkt sich auf die Höhe der Kfz-Steuer aus, bei einigen Modellen sogar drastisch (siehe Tabelle):

Bei technisch identischen Modellen kann es also passieren, dass sie unterschiedlich besteuert werden - je nachdem, ob sie vor oder nach dem 1. September neu zugelassen wurden.

Was kostet WLTP die Autofahrer?

Nach ADAC-Berechnungen steigt die Kfz-Steuer für einzelne Modelle um mehr als 70 Prozent. Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center an der Uni Duisburg-Essen sagt, gängigen Prognosen zufolge sei beim WLTP-Test mit einem 20 Prozent höheren Treibstoffverbrauch und damit 20 Prozent höheren Werten beim Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxid zu rechnen. Im Durchschnitt erwartet der Branchenexperte 50 Euro mehr Kfz-Steuer.

Profitiert der Bund vom neuen Verfahren?

Ja, und zwar nicht unerheblich. Ferdinand Dudenhöffer schätzt, dass in den nächsten 15 Jahren, bis die gesamte heutige Fahrzeugflotte ausgetauscht ist, durch die strengeren Grenzwerte 2,5 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich in die Kasse des Bundes gespült werden. Das Finanzministerium will die Auswirkungen des WLTP auf die Kfz-Steuer zwölf Monate lang prüfen. Bisher bringt die Kraftfahrzeugsteuer dem Bund knapp 9 Milliarden Euro pro Jahr.

Worauf muss ich beim Fahrzeugkauf achten?

Auf dem Energielabel von Neufahrzeugen in der Werbung und in den Verkaufsunterlagen müssen die Verbrauchswerte zunächst weiterhin in NEFZ-Werten angegeben werden. Gleichzeitig geben viele Hersteller aber auch schon die WLTP-Werte an, wodurch es für das gleiche Fahrzeug unterschiedliche Verbrauchswerte gibt. Im ersten Quartal 2019 will die Bundesregierung eine neue Verordnung für die Kennzeichnung von Autos erlassen, die dann WLTP umfasst. In den Fahrzeugpapieren werden bis Ende 2020 WLTP- und NEFZ-Werte parallel ausgewiesen. Für Fahrzeuge, die bereits nach WLTP gemessen wurden, werden die NEFZ-Werte zurückgerechnet oder physisch gemessen. Beim Zurückrechnen können die Werte etwas höher ausfallen.

Wie reagieren die Hersteller?

Für Lagerfahrzeuge (End-of-Series), die nach NEFZ typgenehmigt wurden, kann der Hersteller beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Wird diese genehmigt, wird weiterhin der CO₂-Wert nach NEFZ für die Steuerbemessung verwendet. Wie viele Hersteller diese Ausnahmegenehmigung in Anspruch nehmen, ist noch nicht absehbar.

Was gilt für Fahrzeuge, die derzeit auf Halde stehen?

Weil einige Autobauer mit der Zertifizierung ihrer Autos nicht hinterherkommen, könnte der Markt in den kommenden Wochen mit jungen Gebrauchtwagen geflutet werden. Die Autohersteller und Händler lassen noch schnell ihre Wagen aus Lagerbeständen zu und bringen sie dann vergünstigt auf den Markt. Für Autokäufer entsteht durch die fehlende Zertifizierung kein Nachteil. Wer allerdings unbedingt einen Neuwagen will, muss sich vor allem bei den Marken des Volkswagen-Konzerns auf längere Wartezeiten einstellen. Alleine bei VW müssen mehr als 260 Getriebe-Motorkombinationen neu gemessen und zugelassen werden. Audi und Porsche nennen überhaupt keine Liefertermine mehr, VW stellt vage Ende des Jahres in Aussicht.

Was ist mit Autos, die vor dem 1. September zugelassen worden sind?

Für Autos, die vor dem Stichtag bereits zugelassen worden sind, muss keine höhere Kfz-Steuer bezahlt werden, erklärt der Auto Club Europa (ACE). Auch nicht mehr bezahlen muss, wer einen vor dem 1. September erstmalig zugelassenen Gebrauchtwagen danach wieder zulässt.

Wo finde ich die Angaben zum Schadstoffaustoß im Fahrzeugschein?

Den CO₂-Wert nach WLTP kann man in der Zulassungsbescheinigung Teil I im Feld V.7 ablesen, der korrelierende CO₂-Wert nach NEFZ steht im Feld 22. Weisen Händler beziehungsweise Hersteller den WLTP-Wert noch nicht aus, sollten Autokäufer dringend nachfragen.

Was bedeutet das neue Messverfahren für Dienstwagen?

Bei Dienstwagen ist meist in der sogenannten "Car-Policy" geregelt, aus welchen Fahrzeugklassen die Mitarbeiter wählen können und wie hoch der CO₂-Ausstoß maximal sein darf. Ändern sich die Werte, ist eine Anpassung der CO₂-Grenzen nötig - oder die Autos fallen aus dem Katalog.

Wie werden Plug-in-Hybride und Elektroautos gemessen?

Auch elektrifizierte Fahrzeuge müssen in Europa künftig nach den neuen Regeln getestet werden, um eine Typzulassung zu erhalten. So wie sich die Verbrauchsangaben für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor verändern, gilt dies auch für den Energieverbrauch beziehungsweise für die Reichweitenangaben von Elektroautos und Plug-in-Hybridfahrzeugen. Letztere dürften mit WLTP geringer ausfallen als mit NEFZ.

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