Süddeutsche Zeitung

Neue Lichttechnik:Strahlende Aussichten

Miniaturlaser und Super-LED: Die Lichttechnik im Automobilbau entwickelt sich rapide weiter - zum Vorteil der Sicherheit.

Joachim Becker

Ganz schön helle: BMW-Experten entwickeln Miniaturlaser für die Frontscheinwerfer. Was nach Science-Fiction klingt, feierte in der BMW-Konzeptstudie i8 bereits auf der diesjährigen IAA im September Premiere. In wenigen Jahren soll das Laserlicht dem Voll-LED-Scheinwerfer die Vorreiterrolle streitig machen.

Miniaturlaser können ein nahezu paralleles Lichtbündel mit hoher Leuchtdichte liefern, das tausendmal intensiver ist als bei herkömmlichen Leuchtdioden. Mögliche Risiken für Menschen und Tiere aufgrund der hohen Lichtintensität bestehen nicht. Das liegt unter anderem daran, dass das Laserlicht nicht direkt ausgestrahlt, sondern erst passend für den Einsatz im Straßenverkehr umgewandelt wird.

Das Ergebnis ist ein sehr helles, weißes, für die Augen angenehmes Licht mit einem nochmals geringeren Energiebedarf als der LED-Technik. Noch sehen Experten allerdings erheblichen Entwicklungsbedarf, bis die Miniaturlaser die Temperaturschwankungen und Erschütterungen im Auto schadlos verkraften können.

Lichtdesign wird als sichtbares Zeichen des Fortschritts in der Automobilentwicklung immer wichtiger. 2004 kamen weiße Leuchtdioden erstmals im Tagfahrlicht des Audi A8 W12 zum Einsatz. Das aktuelle Flaggschiff erzeugte als erstes Modell auch das 200 Meter weit reichende Fernlicht mit einem starken Vierchip-LED pro Scheinwerfer.

Die Glitzerquader machen die Nacht zum Tag und schmücken mittlerweile einen großen Teil der Audi-Flotte: Mehr als die Hälfte der Modelle der oberen Mittelklasse und Oberklasse aus Ingolstadt ist mit LED-Vollscheinwerfern unterwegs: "Das Highend-Licht steht nach Felgen, Farben und Navigationsgeräten an vierter Stelle der Ausstattungswünsche", sagt Wolfgang Huhn, Leiter Licht und Sicht bei Audi, "unsere hohen Investitionen haben sich also mehr als bezahlt gemacht."

Eingeführt wurden das LED-Abblendlicht 2008 im Hochleistungssportwagen Audi R8. "Der damalige Audi-Vorstandsvorsitzende, Martin Winterkorn, hat sich schon in einem frühen Entwicklungsstadium persönlich um das Projekt gekümmert und alle Hürden aus dem Weg geräumt", berichtet Wolfgang Huhn.

Licht emittierende Dioden werden zwar seit 1967 kommerziell genutzt, doch bis vor wenigen Jahren funzelten sie nicht heller als Haushaltskerzen. Im Auto wurden die Stecknadelkopf kleinen Lämpchen deshalb nur als Hintergrundbeleuchtung oder als Mini-Anzeigen im Cockpit eingesetzt.

Audi trieb die Serienentwicklung von LED-Frontscheinwerfern voran, als absehbar wurde, dass weiße LED eine Lichtleistung von 100 Lumen je Watt erreichen können: die 100-fache Leuchtstärke einer Kerze pro Watt. LED-Pionier Huhn hat in diesem Sommer den Professor Ferdinand Porsche Preis erhalten - eine der weltweit höchstdotierten Auszeichnungen für Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Automobiltechnik.

Miniaturlaser könnten der nächste Schritt einer glänzenden Geschichte werden. Die extrem kleinen und leuchtstarken Lämpchen liefern sogar 170 Lumen je Watt - doppelt so viel wie Xenon-Scheinwerfer.

Die Energieeffizienz ist aber nur ein Grund für die strahlende Zukunft von alternativen Lichtquellen in der Fahrzeugfront. Wichtiger als die Kraftstoffersparnis ist die Signalwirkung, die von einer neuen Scheinwerferoptik ausgeht: Die Lichtquellen sind so stark, dass vier BMW-typische Leuchtringe genügen, um die ganze Straße auszuleuchten.

Das neuartige Lichtdesign ließe sich bei Nacht eindeutig der weißblauen Marke zuordnen: Entsprechend groß ist das (Überhol-)Prestige durch die Hightech-Beamer. Der markentypische Wiedererkennungswert wäre nahezu unbezahlbar.

Das sieht auch Lichtexperte Huhn so: "Die Wettbewerber holen auf, wir müssen sehen, dass wir vorne bleiben." Entscheidend für die Nachtsicht sind aber nicht nur die Lichtstärke und -verteilung, sondern auch die Sehgewohnheiten des Menschen.

Das Risiko, im Straßenverkehr zu verunglücken, ist in den Nachtstunden doppelt so groß wie tagsüber - obwohl Nachtfahrten an sich nur 20 Prozent des Verkehrsaufkommens ausmachen. Herkömmliches Abblendlicht ermöglicht dem Autofahrer bei Nacht eine theoretische Sichtweite von etwa 50 bis 85 Meter.

Doch am Rand des Lichtkegels sind nur die Schuhe von Menschen zu sehen. Bis die ganze Silhouette am Straßenrand erkannt wird, vergeht wertvolle Zeit. Würden wir tatsächlich auf Sicht fahren, dürfte bei Dunkelheit genau genommen niemand mit mehr als 80 km/h unterwegs sein.

Schon bei diesem gemäßigten Tempo beträgt der gesamte Anhalteweg 63 Meter - er ist also länger, als der Fahrer für gewöhnlich sieht. Adaptive Scheinwerfersysteme, die den (Fern-)Lichtkegel punktgenau je nach Verkehr einstellen können, sind daher bei vielen Herstellern in der Entwicklung.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1227056
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.12.2011/gf
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.