Neue Langstreckenjets:Abschied von der schiefen Ebene

Mit der Einführung der Boeing "747-8" rüstet die Lufthansa die Sitze ihrer Langstreckenjets um und will damit mit der Konkurrenz gleichziehen. Besonders Gäste in der Business-Class profitieren davon.

Jens Flottau

Zwischen den beiden Duschen lagen genau sieben Stunden und 55 Minuten. Die Yankee Alpha war gerade am Frankfurter Flughafen losgerollt und hatte sich auf den Weg zur Startbahn gemacht, als zwei links und rechts von ihr geparkte Feuerwehrautos dem Flugzeug mit einer großen Wassersalve einen guten Erstflug wünschten. Und kurz bevor die Maschine auf dem Flughafen Washington-Dulles einparkte, standen schon wieder zwei Feuerwehrfahrzeuge bereit, um per Wasserfontäne einen Bogen zu schaffen, durch den sie durchrollen konnte. Eine alte Tradition bei Anlässen wie diesem. Lufthansa hat ihre erste neue Boeing 747-8 bekommen, sie ist auch die erste Fluggesellschaft weltweit, die diesen Flugzeugtyp einsetzt. 20 Maschinen hat die Airline bestellt, alle sollen bis 2015 ausgeliefert werden. Sie werden in der Flotte die älteren und kleineren Boeing 747-400 ersetzen.

Abflug deutsche Fussball-Nationalmannschaft

Högschte Zeit für den Abflug: Am Montag, dem 04. Juni, brach die Deutsche Fußballnationalmannschaft um Trainer Joachim Löw zur EM nach Polen und Ukraine auf - in einer 747-8. Maschinen dieses Typs sollen den Passagieren nun mehr PLatz bieten.

(Foto: dapd)

Mit rund 360 Sitzplätzen hat die 747-8 Platz für rund 50 Passagiere mehr als ihr Vorgänger. Die 747-8 ist damit immer noch deutlich kleiner als der Airbus A380, aber deutlich größer als der Airbus A340-600. Sie hat eine neue Innenausstattung, neue Tragflächen und neue Motoren, die ursprünglich für den Boeing 787 Dreamliner entwickelt wurden. Rund 15 Prozent weniger Treibstoff pro Passagier soll der Jet verbrauchen. Vor allem aber: mit der 747-8 führt Lufthansa neue Sitze für die First-, Business- und Economy-Class ein. Die Fluggesellschaft will damit den Rückstand aufholen, den sie in den vergangenen Jahren gegenüber europäischen und internationalen Konkurrenten hat entstehen lassen.

Besonders augenfällig war dieser Nachteil in der Business-Class. Die bisherigen Sitze ließen sich nicht zu einem richtigen Bett umbauen, auf der schiefen Ebene rutschten viele Passagiere im Schlaf nach unten. Die Konkurrenz bietet seit vielen Jahren die bei den vielfliegenden Geschäftsreisenden äußerst beliebten Betten an. Lufthansa verließ sich lange auf Marke und Streckennetz als Kaufargumente, doch das reichte nicht mehr. Der neue Sitz wird auf der neuen 747 von Anfang an installiert und in den kommenden Jahren auch in allen anderen Langstreckenmaschinen - also den Airbus-Modellen A330, A340 und A380 installiert. Die Sessel sind an Bord der 747 allesamt in einer V-Form arrangiert, damit gewinnt man in Schulterhöhe mehr Freiheit, man könnte mit dem Nachbarn allerdings gut fußeln, wenn nicht eine kleine Trennwand die Fußablage unterteilen würde.

Schräg zur Flugrichtung zu sitzen fällt eigentlich nicht weiter auf, der Sitz lässt sich mit vier Elektromotoren zum Bett umklappen. Das allerdings ist ziemlich hart gepolstert, ein bisschen mehr Schaumstoff hätte nicht geschadet. Aber immerhin: Die Zeiten, in denen man sich nach einem halbstündigen Power-Nap im Fußkasten unter dem Vordersitz wiederfand, sind vorbei. Wie viel Platzgewinn man wirklich hat, hängt allerdings stark davon ab, wo man sitzt.

Am meisten Platz haben die Passagiere in den Sesseln in der Mitte

Die alten Sitze waren in einer 2-3-2-Konfiguration - sieben Sitze in einer Reihe - installiert, bei den neuen sind es in der 747-8 nur noch sechs. Davon profitieren vor allem die beiden Sessel in der Mitte zwischen den Gängen, der Abstand zum Nebenmann ist äußerst komfortabel und auch für die Füße ist genügend Platz. Am Rand links und rechts ist es allerdings deutlich enger - einen Fensterplatz zu buchen, ist bei einem solch krassen Unterschied also trotz aller schönen Aussichten nicht ratsam.

In den älteren und kleineren 747-400 hingegen werden wiederum sieben Sitze in einer Reihe eingebaut - und dann ist der Fensterplatz oder der Sitz außen am Gang wieder die bessere Wahl. Beim neuen Jumbojet wandert die First-Class erstmals in der Lufthansa-Geschichte vom Oberdeck nach ganz vorne in die Flugzeugnase. Weil das Flugzeug rund fünf Meter länger ist als sein Vorgänger, wäre das Oberdeck zu groß für die First, nun sind auch dort Business-Class-Sitze untergebracht. Die Einzelsitze der First sind aber auch vorne abgeschirmt vom Rest der Kabine - es gibt sogar spezielle Schallschutz-Vorhänge, die den Lärm aus der Küche dämmen sollen.

Weil Lufthansa nicht mehr auf allen Strecken eine First-Class anbieten wird, verschwindet sie aus der 747-400 und der A340 ganz. Auch bei der Bordunterhaltung ändert sich Einiges. Die Economy-Passagiere bekommen nun ebenfalls alle ihren eigenen Bildschirm in der Rückenlehne des Vordersitzes - was in der Branche längst Standard ist. Das neue Inflight-Entertainment-Programm wirkt einfacher bedienbar und gewinnt durch den größeren Bildschirm. Das Angebot an Filmen und Musik ist allerdings im Vergleich zu manch anderer Fluggesellschaft sehr überschaubar. Ganz nett sind Spielereien wie die Außenkamera, mit der man auf dem eigenen Bildschirm den Landeanflug miterleben kann.

Nach und nach wird die ganze Langstreckenflotte auch mit einem Breitband-Internetzugang ausgerüstet, das Lufthansa-FlyNet. Obwohl die erste 747-8 mit der Registrierung D-AIYA (Yankee Alpha) erst vor vier Wochen nach Frankfurt überführt wurde, hat sie den Service noch nicht. Er soll aber nachgerüstet werden. Dann kann man nicht nur im Internet surfen, bald will Lufthansa auch einen ersten Live-Fernsehkanal anbieten und Sportveranstaltungen wie die Fußballbundesliga, Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele senden. Bis alle Passagiere im Internet surfen oder die neuen Sitze nutzen können, wird es noch mehr als zwei Jahre dauern. Bei vielen Flugzeugen wartet Lufthansa reguläre Wartungstermine ab, sonst müssten sie zweimal länger am Boden bleiben. Allein die neuen Sessel einzubauen, dauert 30 Tage pro Flugzeug.

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