Süddeutsche Zeitung

Neue Hochgeschwindigkeitszüge:Fliegen auf Höhe null

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Auf der Innotrans in Berlin werden in dieser Woche neue Hochgeschwindigkeitszüge vorgestellt, die bis zu 380 km/h schnell sind. Auch ein neuer ICE ist dabei.

Klaus C. Koch

Ob gewollt oder nicht: Die Frontpartie der neuen Generation des ICE 3, der bei der Deutschen Bahn unter der Bezeichnung Velaro D geführt wird, ähnelt in ihrem etwas biederen Aussehen dem Kleinwagen Nissan Micra. Und die Anordnung der Scheinwerfer verleiht dem Zug einen leicht verträumt anmutenden Schlafzimmerblick - seit heute bis zum kommenden Sonntag zu bewundern auf der Innotrans 2010 in Berlin, der weltgrößten Messe für Schienenverkehrssysteme und öffentlichen Nahverkehr.

Hans-Jörg Grundmann, Chef der Mobility-Sparte von Siemens, hofft trotz manch leiser Kritik am Design, dass der Velaro, bei dem das "D" für die deutsche Version des Zugtyps steht, "die Premiumklasse unter Europas High-Speed-Zügen neu definiert".

Während sich Bahnnutzer in Deutschland noch mit den Macken der Vorgängermodelle herumschlagen müssen, sind die neuesten ICE-Einheiten im Ausland bereits zuverlässig unterwegs. So startete 2008 der Velaro E in Spanien - Komfort und Geschwindigkeit führten zwischen Madrid und Barcelona zu einer Zunahme des Anteils der Schiene am Gesamtverkehr von elf auf annähernd 50 Prozent.

Zudem gibt es mit dem Velaro D endlich einen Intercity-Express, der ein echter Europäer ist. Als Mehrsystemzug ist er mit Stromabnehmern und Umformern ausgerüstet, die trotz unterschiedlicher Spannungen in den Oberleitungen sowohl für Deutschland und die Schweiz, als auch für Frankreich und Belgien geeignet sind.

Der Unterboden des Zuges wurde neu konzipiert, die Aerodynamik durch stromlinienförmige Verkleidung der Dachaufbauten verbessert. Kupplungen und Bugklappen sind jetzt robuster ausgeführt, der überwiegende Teil der Kontrolltechnik findet sich hinter dem Führerstand.

Daraus resultiert ein dringend benötigtes zusätzliches Angebot von 40 Sitzplätzen. Die Bahn hatte bereits Ende 2008 für rund 500 Millionen Euro 15 Einheiten des Hoffnungsträgers geordert. Von Ende 2011 an soll der Velaro D zunächst zwischen Frankfurt am Main und Frankreich verkehren.

Aber der Velaro D ist nicht der einzige Blickfang, der in dieser Woche in Berlin Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird - Konkurrenz belebt bekannterweise das Geschäft. So zeigt Bombardier den Zefiro, der bis zu 380 km/h schnell sein soll. Dieser Zug soll zunächst vor allem in der Volksrepublik China eingesetzt werden, wo in wenigen Jahren 6000 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecke das riesige Land in ein neues Zeitalter katapultieren sollen.

Tatsächlich wurde der Zefiro 380 im Auftrag des chinesischen Eisenbahnministeriums als Joint Venture mit der in Qingdao ansässigen Lokfabrik Qingdao Sifang Locomotive & Rolling Stock Company entwickelt. In Hennigsdorf bei Berlin arbeiteten rund 200 Entwickler an der Konstruktion und an der Integration der Systeme. Und bei der Typenbezeichnung hielt sich Bombardier an ein einfaches Konzept.

Der Zefiro 250, der schon seit 2009 als einer der schnellsten Schlafwagenzüge der Welt durch die Volksrepublik rast, ist auf Höchstgeschwindigkeiten bis 250 Kilometer pro Stunde ausgelegt. Der Zefiro 380, von dem die Chinesen gleich 80 Einheiten für 2,7 Milliarden Euro bestellten, wird um 130 Stundenkilometer schneller sein.

Trotz der immer größeren Bedeutung von Geschwindigkeit ist der langsamere Regionalverkehr für die Hersteller von Schienenfahrzeugen damit nicht uninteressant. Denn dank des rasch steigenden Bedarfs des öffentlichen Nahverkehrs in den Ballungszentren lassen sich extrem große Stückzahlen absetzen, die schnell dreistellig werden können.

Und so können anlässlich der Innotrans passionierte Bahnpendler im Coradia Continental von Alstom oder dem Desiro ML von Siemens Probe sitzen. Die Schweiz ist mit einem neuen Doppelstock-Triebzug für die Schweizerischen Bundesbahnen SBB vertreten. Und mit Spannung wird nach dem Siemens-Debüt der fahrerlosen U-Bahn in Nürnberg nun in Berlin auch die automatisch gesteuerte U-Bahn erwartet, die Ansaldobreda (Italien) für die Metro in Rom baut.

Für die breite Öffentlichkeit öffnet die Innotrans am kommenden Wochenende die Türen - Samstag und Sonntag jeweils von zehn bis 18 Uhr. Auf dem Freigelände können auf 3,5 Kilometer Gleis Hochgeschwindigkeitszüge und historische Dampflokomotiven wie die Schmalspurlok vom Typ I K Nr. 54 besichtigt werden, die nach dem sächsischen Original von 1881 gebaut wurde und zukünftig im Erzgebirge die touristische Dampfbahn-Route befahren wird.

Das größte Ausstellungsstück der Messe ist ein Gleisumbauzug aus der Schweiz mit mehr als 150 Meter Länge.

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Quelle:
SZ vom 20.09.2010
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