Neue B-Klasse:Der Mercedes unter den Kompakten

Mit der neuen B-Klasse will man in Stuttgart zeigen, dass auch hinter kleinen Sternen große Werte wohnen. Ein Fahrbericht.

Jörg Reichle

Wirklich leicht hatten sie es nie, die Kompaktmodelle von Mercedes, auch wenn sie sich gut verkauften. Allein 700.000 Stück der B-Klasse wurden bislang weltweit abgesetzt und doch blieb das Modell zusammen mit der kleineren A-Klasse irgendwie immer ein Mercedes zweiter Klasse - eher Zweitwagen als Premiummodell, ein bisschen zu staksig in der Erscheinung, ein bisschen zu sichtbar auf sparen getrimmt, ein bisschen zu anders, alles in allem.

Die Zeiten sind vorbei, wie es aussieht. Eine Offensive in der Golfklasse hat man in Stuttgart angekündigt: Wo ein Stern drauf ist, soll künftig auch wirklich Mercedes drin sein - technisch und optisch hochwertig, mit effizienten Antrieben und hoher Fahrsicherheit. Und nicht zuletzt mit einem guten Schuss Dynamik.

An der nächsten A-Klasse, die für 2012 erwartet wird, soll deshalb kein Stein auf dem anderen bleiben, wie man so sagt. Um die Stammklientel nicht zu verschrecken und womöglich zur Konkurrenz zu treiben, hat man in Stuttgart deshalb die neue B-Klasse vorgezogen.

Sie vollzieht keine radikalen Schnitte, weder technisch noch optisch, dennoch trennt sie vieles vom Vorgänger. Ohne dessen durchgängigen Sandwich-Boden beispielsweise konnte das neue Modell fünf Zentimeter niedriger werden, nun steht es sogar etwas satter auf den Rädern und drinnen sitzt man auch nicht mehr wie der Affe auf dem Schleifstein.

Überhaupt sieht im Innern jetzt tatsächlich fast alles nach Mercedes aus, die etwas kurzen Sitze vielleicht ausgenommen. Man hat an den Materialien gearbeitet, hat auch an fein vernähtes Leder gedacht und an allerlei noble Hölzer, an Alu und Klavierlack und der optisch frei schwebende Bildschirm dürfte kaum zufällig so wirken, als stamme er aus dem Produktprogramm von Apple. Für den Eindruck von Sportlichkeit sorgen außerdem die auffälligen Runddüsen der Lüftung. Ein Hauch von Audi, aber das muss ja kein Schaden sein.

Andererseits paart sich die Noblesse mit einem handfesten Sinn fürs Praktische. Als Passagier findet man großzügige Platzverhältnisse vor, stößt sich weder Kopf noch Knie, kann bis zu 1554 Liter Gepäck unterbringen und gegen Aufpreis noch einen doppelten Ladeboden, eine um 14 Zentimeter verschiebbare Rückbank und eine umlegbare Beifahrersitzlehne bekommen. Ein passendes Reiseauto ist die B-Klasse damit allemal.

Wie ernst man bei Mercedes das Kompaktformat inzwischen nimmt, zeigt auch der technische Aufwand, den man mit der B-Klasse treibt. Alle vier zum Verkaufsstart angebotenen Motoren, zwei Benziner und zwei Common-Rail-Diesel sind neu.

Weltpremiere in einem Kompakten: radargestützte Kollisionswarnung mit Bremseingriff

Die Vierzylinder-Benziner (B 180 mit 90 kW/122 PS; ab 26.002 Euro und B 200 mit 115 kW/156 PS; ab 27.935 Euro) bringen erstmals die Direkteinspritzung der dritten Generation in die Kompaktklasse und wurden sowohl für den Quer- als auch für den Längseinbau konzipiert.

Der neue Diesel-Vierzylinder (B 180 CDI mit 80 kW/109 PS; ab 27.578 Euro und B 200 CDI mit 100 kW/136 PS; ab 29.810 Euro) ist eine Weiterentwicklung des 250 CDI, der von der C- bis hinauf zur S-Klasse eingesetzt wird. Der Hubraum des quer eingebauten Common-Rail-Direkteinspritzers wurde hier auf 1,8 Liter reduziert.

Die Motoren, alles in allem, verrichten ihre Arbeit engagiert. Und effizient, wie Mercedes betont. Zwischen 4,9 und 6,2 Liter soll sich der Verbrauch bewegen, das wären bis zu 20 Prozent weniger als im Vorgängermodell. Zu ersten Testfahrten standen ein B 200 CDI und der entsprechende Benziner zur Verfügung, assistiert von den ebenfalls neuen Getrieben - dem besonders kompakten Siebenstufen-Doppelkupplungsautomat und einem extrem leicht zu schaltenden Sechsgang-Schaltgetriebe.

Letzteres hinterließ einen hervorragenden Eindruck und provoziert durchaus die Frage, ob die Ausgabe für die (tadellose) Automatik von immerhin 2166 Euro wirklich sein muss. Kosten könnten auch den Ausschlag geben, ob man sich eher für den Benziner oder einen Diesel entscheidet. Während der etwas rau laufende Diesel mit Drehmoment protzt, spielt der Benziner seine Stärke vor allem in erfreulicher Laufruhe aus. Reine Leistung ist in beiden Fällen ausreichend vorhanden.

So rollt die neue B-Klasse solide und kultiviert dahin, präzise dirigiert von der neu konzipierten elektromechanischen Lenkung oder wahlweise auch mit einer sportlichen Direktlenkung. Die Federung ihrerseits beweist Langmut, sie steckt ordentlich was weg und dank abgesenktem Schwerpunkt, einer neuen Vierlenker-Hinterachse und dem weiterentwickelten ESP geht die B-Klasse durchaus engagiert durch Kurven, wenn man das will.

Doch trotz aller Dynamik und dem angebotenen Sportpaket: ein Renner will sie nicht sein und glaubwürdiger als der Raser-Gestus ist ohnehin das, was Mercedes an aktiver Sicherheit bietet - nicht nur jede Menge Assistenten (Fernlicht, Totwinkel, Spurhaltung, Tempo, Einparken), sondern auch den präventiven Insassenschutz Pre-Safe.

Und ganz ohne Aufpreis gibt es obendrein eine radargestützte Kollisionswarnung mit aktivem Bremseingriff - Weltpremiere in einem Kompakten.

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