Neue Abgasvorschriften:Rote Liste der bedrohten Automarken

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SZ-Grafik (Foto: N/A)
  • Von 2021 an gelten für die Hersteller deutlich strengere CO₂-Vorgaben als bislang.
  • Doch ihre Flottenwerte sinken lange nicht so schnell, wie sie es müssten, um die Ziele zu erreichen.
  • Deshalb drohen den Autobauern hohe Strafzahlungen, für einige im Milliardenbereich. Aber sie haben noch technische Lösungen in der Hinterhand und taktieren bis zum Schluss.

Von Joachim Becker

Der Dieselskandal kam zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt: Fünf Jahre bevor die Autohersteller strengere Emissionsziele erreichen müssen, stehen die Selbstzünder weiterhin in der Kritik. Die Umweltorganisation Transport & Environment ermittelte jüngst, dass 80 Prozent der Diesel mit zu hohem Stickoxidausstoß weiterhin auf Europas Straßen unterwegs sind. Das sind 20 Millionen Dieselstinker. Doch es hilft nichts: Bisher konnte kein anderer Sparantrieb die Kunden nachhaltig überzeugen.

Von 2021 an gelten deutlich strengere Abgasvorschriften als bislang. Einige Hersteller drohen, an ihnen zu scheitern. (Foto: Getty Images)

Auch deshalb sinken die CO₂-Werte nicht so schnell, wie sie müssten. Im grünen Bereich auf dem Weg zur CO₂-Zielerreichung befinden sich bisher nur Peugeot Citroën, Toyota, Renault-Nissan und Volvo. Das ergibt eine Analyse von PA Consulting Group. Fünf andere Hersteller - Volkswagen, BMW, Hyundai Kia, Fiat Chrysler und GM - laufen Gefahr, ihre Ziele für 2021 zu verfehlen. Daimler liegt gerade noch im Mittelfeld. Jaguar Landrover kommt als relativ kleiner Hersteller in den Genuss eines Zielwerts von 132 Gramm CO₂ pro Kilometer. Trotz trinkfreudiger Sportautos und schwerer Geländewagen werden die Briten voraussichtlich keine Probleme bekommen.

VW droht eine Milliardenstrafe

Anders sieht die Situation für den Volkswagenkonzern aus. Da die Kernmarke VW bisher eher kompakte Autos baut, liegt das CO₂-Limit aufgrund des relativ geringen Gewichts nahe am Durchschnittszielwert von 95 g/km. Die Ankündigung der Wolfsburger, doppelt so viele SUV-Modelle mit höherem Spritverbrauch anbieten zu wollen, verschärft das Emissionsproblem.

Die Kosten der Zielverfehlung können hoch sein: Die EU plant mit 95 Euro für jedes Gramm CO₂ über dem herstellerspezifischen Ziel, multipliziert mit der Zahl verkaufter Fahrzeuge. Für BMW könnte sich dies auf rund 350 Millionen Euro belaufen, für Fiat Chrysler auf 600 Millionen Euro und für Volkswagen sogar auf bis zu einer Milliarde Euro.

Nur Fiat Chrysler verzeichnet einen Anstieg seiner CO₂-Emissionen

Deutsche Autohersteller befinden sich, trotz hoher Investitionen in Hybrid- und Elektrofahrzeuge, weiter in schwierigem Fahrwasser. Die französischen Hersteller stehen dagegen erneut an der Spitze des Rankings. Das liegt aber weniger an den frühen Investitionen in alternative Antriebe, sondern vor allem an der Modellpalette mit hohem Kleinwagenanteil.

Was es bedeutet, den Modellmix zu ändern, zeigt das Beispiel Fiat Chrysler. Die Italiener schienen auf einem guten Weg zur Zielerreichung zu sein. Vor allem durch die Übernahme größerer Jeep-Fahrzeuge mit altertümlicher Motortechnik in ihr Portfolio ist der Konzern weit zurück gefallen. Als einziger Hersteller verzeichnet er einen Anstieg der CO₂-Emissionen und liegt aktuell 10 Gramm über den ähnlich positionierten Marken Renault-Nissan.

Die Hersteller taktieren bis zum Schluss

Haben die Hersteller noch genügend Zeit umzusteuern? "Das Problem liegt darin, dass die angekündigten Hybrid- und Elektrofahrzeuge zu spät in den Markt kommen, um noch einen deutlichen Effekt für die Ziellinie 2021 zu haben", fürchtet Thomas Göttle, Automobilexperte bei der PA Consulting Group. Gerade die Volumenmarken haben meist große Probleme, ihren Kunden eine relativ teure Spartechnik (außer Diesel) zu verkaufen. Das neue Hybridmodell Hyundai Ioniq ist so schwer absetzbar wie die kostspieligen Plug-in-Hybride von BMW und Mercedes. Den Herstellern wird schlussendlich nichts anderes übrig bleiben als die Effizienzmaßnahmen serienmäßig einzusetzen.

Das aktuelle CO₂-Ranking ist nicht unbedingt ein Kompetenzbeweis in Hinblick auf Technologiefortschritte. Es zeigt vielmehr, wie die Hersteller bis zum Schluss (mit den Mehrkosten) taktieren. BMW-Experten lassen durchblicken, dass man kurz vor der Ziellinie flächendeckend 48-Volt-Systeme einsetzen werde, um Strafzahlungen zu vermeiden. Diese Blöße will sich nach eigenen Aussagen kein deutscher Hersteller geben.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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