Süddeutsche Zeitung

Neuauflagen von Auto-Klassikern:Alles retro, oder was?

Beruflich entwirft David Oberndorfer Luxusyachten. Doch sein Herz schlägt für Auto-Klassiker. Designikonen wie den BMW 2000 CS oder den Renault R4 hat er so liebevoll neu interpretiert, dass man sich unweigerlich nur eines wünscht: Hoffentlich baut jemand diese Autos.

Von Felix Reek

Alles begann mit dem Designwettbewerb "Renault 4 ever" des Magazins designboom. Das hatte 2011 in Kooperation mit dem französischen Automobilhersteller aufgerufen, dessen Klassiker R4 "aufgefrischt und zeitgemäß" neu zu interpretieren. 3273 Designer aus 92 Ländern nahmen teil. Einer von ihnen: David Obendorfer aus Ungarn. Der kümmert sich eigentlich hauptberuflich um Boote bei Officina Italiana Design in Bergamo. Doch für den Wettbewerb zeichnete der 40-Jährige statt den eleganten Linien von Luxusyachten die simplen Formen des Renaults. Gewinnen konnte er zwar nicht, doch für Obendorfer war dies der Auftakt zu einigen Entwürfen, von denen man sich wünscht, die Autobauer würden sie tatsächlich umsetzen.

Einer zum Beispiel ist der BMW CS Vintage Concept. Eine Studie, die sich an zwei Klassikern der Bayern orientiert: dem 1968er E9 von Giovanni Michelotti und dem 1965er 2000 CS. Beide sind heute gesuchte Oldtimer. Obendorfer übernahm die klare Linienführung und übertrug es in eine moderne Interpretation. Selbst der Innenraum mit Holzeinlagen erinnert an die Coupés aus den 1960ern.

Die Herangehensweise sei dabei ähnlich wie beim Entwurf einer Yacht, erklärt David Obendorfer: "Bei Autos und Booten geht es um Aerodynamik. Die Oberfläche muss Bewegung und Dynamik vermitteln. Unterschiede gibt es letztlich nur bei den verwendeten Materialien."

Von Alfa Romeo zu den Luxusyachten

Designer wollte Obendorfer schon immer werden. Nach einem Studium an der Universität für Kunst und Design in Budapest absolvierte er ein sechsmonatiges Praktikum bei Alfa Romeo. Danach landete Oberndorfer bei den Luxusyachten. Die Leidenschaft für Autos pflegte er weiter. Daraus entstanden etliche Neuinterpretationen, neben dem BMW unter anderem auch noch ein Fiat 127 Concept oder eine Cabrioversion des aktuellen Fiat 500.

Bei seinen Entwürfen geht es ihm aber nicht um die Entwicklung völlig neuer Fahrzeuge. Ihn interessieren Autos, die "irgendwie Design-Ikonen wurden", erklärt der 40-Jährige. Diese wählt er danach aus, "ob der Charakter des Autos in die Neuzeit übersetzt werden kann."

Jedes neue Auto orientiert sich am Vorgänger

Als Retro-Designer sieht er sich aber nicht. Zwar gibt er zu, dass dieser Begriff durchaus zutrifft, wenn man ihn als "Neuentwurf eines bereits existierenden Modells" auffasst, doch das sei schließlich im Prinzip jedes Auto. "Aus der Sicht eines Designers gibt es kein 'retro'. Jedes neue Auto, das entworfen wird, orientiert sich an den anderen Fahrzeugen der Marke und führt deren grundlegende Ästhetik fort, indem es Features von vorhergehenden Modellen aufgreift." Erfolgreiche Neuauflagen wie Mini und Fiat 500 würden nur als Retro-Autos eingeordnet, weil die Designlinie für einige Jahrzehnte unterbrochen wurde.

Am deutlichsten könnte man das am Porsche 911 sehen. "Niemand würde behaupten, dass das ein Retro-Auto ist, obwohl es sich in 50 Jahren kaum verändert hat. Vergleicht man das erste Modell von 1963 mit dem aktuellen, ist das eine klare Neuinterpretation des Originals."

Aktuelle Autos interessieren ihn als Designer aus diesem Grund größtenteils nur wenig, die Fülle an Formen und Linien spricht ihn nicht an. "Ich mag klare, ausgewogene Designs, Fahrzeuge, die stilistisch stimmig sind." Und das gebe es eben bei Autos wie dem neuen Fiat 500, ob man das nun retro nennen möchte oder nicht. "Das sind persönliche Objekte. Und das mag ich einfach."

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