Leere Busse und Bahnen:Bitte wieder einsteigen

Tunnelbegehung in Frankfurt/Main

Zwei Mitarbeiter in einem U-Bahn-Tunnel in Frankfurt: Die Infrastruktur in den Städten zu unterhalten, verschlingt viel Geld.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

In der Pandemie fehlen die Fahrgäste - und damit die Einnahmen. Die Politik greift der Branche nun zwar erneut unter die Arme. Doch die große Frage bleibt: Wie gewinnt man die Kunden zurück?

Von Marco Völklein

Es ist leer am Frankfurter Hauptbahnhof in diesen Tagen, sehr leer. Wo einst vor allem im Berufsverkehr Tausende Pendler durch den Bahnhof hasteten, wo an Wochenenden Begrüßungs- und Abschiedsszenen von getrennt lebenden Paaren zum normalen Bild gehörten, da herrscht nun eine Ruhe, die auch nach mehr als einem Jahr noch ungewohnt ist. Und nebenan, am Busbahnhof, ist an den Bussteigen sehr viel Platz. Ähnlich sieht es in anderen Städten aus, ob in Magdeburg, Münster, Mannheim oder München: In der Pandemie fehlen die Fahrgäste in den Bussen und Bahnen des Nahverkehrs.

Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen: Im vergangenen Jahr waren wegen der Covid-19-Pandemie deutlich weniger Fahrgäste im Linienfernverkehr mit Bussen und Bahnen unterwegs als ein Jahr zuvor. Dabei sank die Zahl der Fahrgäste im Fernverkehr der Bahn mit 82 Millionen Fahrgästen um 46 Prozent, im Linienverkehr mit Fernbussen betrug der Rückgang hingegen 71 Prozent (auf 6,1 Millionen Fahrgäste). Auch im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) brachen die Fahrgastzahlen ein und gingen um fast ein Drittel zurück. So waren den Angaben zufolge im Eisenbahn-Nahverkehr einschließlich S-Bahnen mit 1,7 Milliarden Fahrgästen 39 Prozent weniger Menschen unterwegs als 2019. Mit Straßenbahnen fuhren 2,9 Milliarden Fahrgäste - 31 Prozent weniger als 2019. Und auch in den ersten Monaten des laufenden Jahres war eine Besserung eher nicht in Sicht, wie es aus der Branche heißt.

Hilfen für die Unternehmen

Die wirtschaftlichen Folgen für die Verkehrsbetriebe sind enorm. Monatlich entstehen Verluste in dreistelliger Millionenhöhe, hatte der Branchenverband VDV bereits im Februar berichtet - und Anfang Mai einen weiteren ÖPNV-Rettungsschirm gefordert. Bereits im vergangenen Jahr hatten Bund und Länder die meist kommunalen Unternehmen mit fünf Milliarden Euro unterstützt. Vor Kurzem nun machte der Bund den Weg frei und sicherte eine weitere Milliarde zu; die Länder wollen eine Summe in ähnlicher Höhe bereitstellen.

"Wir brauchen auch langfristig einen leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehr", erklärte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) danach. Alleine schon, weil der Bund nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts seine Klimaziele verschärfen und im Verkehrsbereich mehr CO₂ wird einsparen müssen, sind sich Union und SPD einig: Die Nahverkehrsbetreiber spielen auch in Zukunft eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Klimagase. Deshalb dürfe man sie jetzt keinesfalls gegen die Wand fahren lassen. Auch die Branche selbst sieht sich als "Motor der Mobilitätswende".

Zudem hielten die Anbieter in der Pandemie die Mobilität in Abstimmung mit Bund und Ländern nahezu unverändert aufrecht, damit zum Beispiel Pflegepersonal, Supermarktbeschäftigte und Sicherheitskräfte, also systemrelevante Arbeitskräfte, zu ihren Arbeitsstätten gelangen. Doch wegen fehlender Ticketeinnahmen drohen der Branche in diesem Jahr Verluste von 3,6 Milliarden Euro, wie der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) vorrechnet.

Viele Menschen meiden den ÖPNV

Die gleichen die nun beschlossenen Hilfszahlungen zwar zum Teil aus. Die große Frage aber bleibt: Wird die Branche auf lange Sicht die nun verlorenen Fahrgäste wieder zurückgewinnen können? Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen derzeit ihren Beschäftigungen im Home-Office nach, manche Fahrgäste meiden zudem Waggons und Busse zu Stoßzeiten, auch aus Angst vor einer möglichen Ansteckung. Wieder andere haben das Fahrrad als alternatives Fortbewegungsmittel (neu) für sich entdeckt.

Forscher der Frankfurt University of Applied Sciences hatten zudem im vergangenen Jahr in einer Studie einen Vertrauensverlust in Bezug auf den öffentlichen Nahverkehr festgestellt. "Vor allem Menschen, die nicht so oft mit dem ÖPNV fahren, fühlen sich jetzt unsicher und bleiben weg", sagt die Professorin und Verkehrsplanerin Petra Schäfer. Vielfahrer dagegen seien weniger ängstlich.

Die Unternehmen versuchen zwar, mit Informationskampagnen über Hygienemaßnahmen gegenzusteuern, auch eine Imagekampagne des VDV wurde bereits im vergangenen Jahr gestartet. Und immer wieder betonen Branchenvertreter, dass die Ansteckungsgefahr im ÖPNV nicht größer sei als in anderen Lebensbereichen - und verweisen auf eine Studie der Berliner Charité. Vor allem die wegbleibenden Gelegenheitsfahrer erreiche die Branche damit aber kaum, sagt Schäfer.

Aber auch viele Pendler und Dauernutzer sprangen zuletzt ab und kündigten ihre ÖPNV-Abonnements. In der Branche wird daher intensiv darüber nachgedacht, wie man verlorene Kunden wieder zurückholen könnte. Ein möglicher Weg sind "flexible Abonnements": Dabei zahlt der Kunde einen relativ niedrigen monatlichen Basispreis; jede Fahrt wird zudem per Smartphone-App einzeln abgerechnet. Der Clou dabei: Je öfter der Kunde fährt, desto niedriger fällt der Preis pro Fahrt aus. So hoffen die Unternehmen, auch für Menschen attraktiv zu bleiben, die auch in Zukunft öfter im Home-Office arbeiten werden.

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