Manchmal reichen sechs Paar Schuhe, um den Unterschied zu demonstrieren. Volvo-Designchef Thomas Ingenlath hat sich diesen kleinen Gag bei der Präsentation der beiden Konzeptfahrzeuge, die als Nachfolger des V 40 geplant sind, einfallen lassen. Die beiden Autos stehen, mit weißen Tüchern verhüllt, im Volvo-Designzentrum in Göteborg. Und neben den Autos ein Podest, auf dem die Tücher sechs kleine Geheimnisse verbergen. Ingenlath lüftet das erste Tuch, darunter kommt ein Paar schwarze Herrenschuhe zum Vorschein, unter dem zweiten Tuch stehen die gleichen Schuhe, nur kleiner, und unter dem dritten wieder das gleiche Schuhmodell, noch ein paar Nummern kleiner.
Natürlich könnte man so die drei Volvo-Baureihen 90, 60 und 40 gestalten, alles mit einem Gesicht, nur unterschiedlich groß. "Aber das wäre auch ein bisschen langweilig", sagt Ingenlath. Wer will, kann darin einen Seitenhieb auf den Konkurrenten Audi sehen, dessen Modelle sich teilweise zum Verwechseln ähnlich sehen. Aber das sagt Ingenlath natürlich nicht.
Ein SUV und ein Crossover mit stummelartigem Heck
Stattdessen zeigt er, wie sich Volvo seine künftige Autofamilie vorstellt, und enthüllt die nächsten drei Paar Schuhe. Zunächst wieder die glänzenden, stabilen, schwarzen Herrenschuhe. Dann aber folgen ein Paar filigrane Wildlederschuhe und als letztes weiße Sneaker, die zum Anzug ebenso schick aussehen wie zum Freizeitlook. Und die demonstrieren sollen, wie sich Volvo seine neue Kompaktklasse vorstellt, die von 2017 an den V 40 ablösen soll: dynamisch, expressiv, mit einer markanten gemeinsamen Linie, aber doch sehr unterschiedlich.
Was sofort klar wird, als die Tücher der Autos fallen. Das eine ist ein Kompakt-SUV, der per se kein großes Risiko darstellt, weil SUVs in jeder Größe seit Jahren angesagt sind und ein Ende dieses Booms nicht in Sicht ist. Das zweite ist ein Auto, von dem Volvo-Chef Håkan Samuelsson sagt, er wisse auch nicht, wie man es bezeichnen solle. Keine Limousine, kein Kombi, irgendwie eine Crossover-Version mit einem stummelartigen Heck.
Ein Modell für alle Märkte
Ein Zufall ist das sicher nicht, denn die Schweden haben vor der Entwicklung dieser beiden Konzeptfahrzeuge, die unter 40.1 und 40.2 laufen, nicht nur eine intensive Marktforschung betrieben, um herauszufinden, was die Kunden sich von einem neuen Kompakt-Volvo wünschen. Sondern sie haben vor allem das klare Ziel, durch Standardisierung die Kosten zu senken und damit die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Keine Aufteilung in Kombi und Limousine, sondern ein Modell für alle Märkte. Es sei der Versuch gewesen, "mal was Neues zu entwickeln", sagt Volvo-Entwicklungsvorstand Peter Mertens.
Natürlich ist die Präsentation von Konzeptfahrzeugen immer aufregend. Aber in diesem Fall ist aufregender, was man normalerweise nicht sieht: die Plattform, auf der das Auto basiert. Auch hier lautet das Zauberwort der Volvo-Ingenieure: Standardisierung. Denn Volvo hat eine einheitliche Plattform für alle Kompaktfahrtzeuge entwickelt, auf der künftig nicht nur Volvos gebaut werden, sondern auch die Autos des chinesischen Herstellers Geely, der Volvo im Jahr 2010 von Ford gekauft hat.
Fast noch wichtiger ist aber, dass diese neue CMA-Plattform (Compact Modular Architecture) für drei unterschiedliche Antriebsarten konzipiert ist - und damit eine entscheidende Voraussetzung dafür bietet, die Elektrifizierung der Modellpalette deutlich zu beschleunigen.
Präsentiert werden sollen die beiden Nachfolger des V 40 im Jahr 21017 zunächst mit den herkömmlichen Verbrennungsmotoren, Diesel und Benziner. Darunter werden auch neu entwickelte Dreizylindermotoren sein, Volvo treibt damit seine Downsizing-Strategie weiter voran. Lediglich über das stärkste Triebwerk haben die Schweden schon nähere Leistungsdaten verraten: ein Benziner mit 250 PS. Kurz danach soll dann der Plug-in-Hybrid kommen, bei dem der Verbrennungsmotor mit einem 60 PS starken Elektromotor kombiniert wird.
Der Diesel wird seinen Kostenvorteil rasch einbüßen
Vermutlich 2019 soll dann die dritte Variante folgen: ein rein elektrischer Antrieb, die Reichweite der Batterie soll etwa 350 Kilometer betragen. Da haben die Volvo-Leute allerdings großzügig die künftige Entwicklung der Batterietechnik mit eingerechnet, die heutigen Reichweiten sind von diesen Zielen noch weit entfernt. Es ist also noch ungewiss, ob es am Ende wirklich so kommen wird, aber das gilt für die Pläne anderer Hersteller auch.
Vor allem auf den Plug-in-Hybrid setzt man in Göteborg große Hoffnungen. Er soll die Tür in die elektrische Welt aufstoßen helfen. Und zwar auch kostenmäßig. Volvo-Chef Samuelsson geht davon aus, dass der Diesel wegen der aufwendigen Abgasnachbehandlung seine Kostenvorteile rasch einbüßen wird. "In zwei Jahren wird der Plug-in-Hybrid kostenmäßig auf Dieselniveau liegen", sagt er, "damit ist er eine interessante Alternative."
Volvos Verkaufsziele sind ehrgeizig
Eine signifikant steigende Nachfrage nach Plug-in-Hybriden hätte gleiche mehrere Vorteile: Sie hilft, die Kosten weiter zu senken, sie trägt zur Verbesserung der CO₂-Bilanz der eigenen Fahrzeugflotte bei und sie gewöhnt die Leute als eine Art Zwischenlösung an die E-Mobilität, bis die Batteriekapazitäten auch den reinen Elektroantrieb attraktiv machen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur mit dem Angebot weiterer E-Autos Schritt hält.
Die Verkaufsziele bei Volvo sind jedenfalls durchaus ehrgeizig. Bis 2025 wollen die Schweden eine Million elektrifizierte Fahrzeuge verkaufen, nicht wenig für ein Unternehmen, das kein großer Volumenhersteller ist.