Nach dem Tunnel-Unglück:Stillstand in Rastatt

Vor einem Jahr sackte bei Bauarbeiten an der wichtigen Bahnstrecke im Rheintal der Boden ab. Mehrere Wochen lang ging gar nichts. Und noch immer sind viele Fragen ungeklärt - unter anderem die, was mit der einbetonierten Tunnelbohrmaschine passiert.

Von Sönke Möhl/dpa

War es Fehlberechnung, Leichtsinn oder Pech? Nur fünf Meter unter den Gleisen einer der wichtigsten europäischen Bahnstrecken wollte die Bahn einen neuen Tunnel bohren lassen - im Grundwasser und nur durch künstliche Vereisung gegen Pannen geschützt. Das hat nicht funktioniert: Mitte August 2017 sickerte an der Baustelle im badischen Rastatt Wasser in den Rohbau. Mit dramatischen Folgen: Sieben Wochen lang konnte keiner der sonst täglich etwa 300 Züge fahren.

Ein Jahr später ist auf der Baustelle kaum Fortschritt zu sehen. Arbeiter nehmen Bodenproben. Sie werden auf der Suche nach der Unfallursache gebraucht und sollen das Schlichtungsverfahren zwischen Bahn und Baufirmen voranbringen. Beide Seiten wollen einen langen und teuren Prozess um Schadenersatz vermeiden. Ob und wie die Logistikwirtschaft entschädigt wird, ist unklar. Von mehr als 100 Millionen Euro direkten Verlusten war die Rede. Ein Gutachten im Auftrag der Branche hat volkswirtschaftliche Schäden von mehr als zwei Milliarden Euro errechnet. Dagegen nehmen sich die 18 Millionen Euro für die Tunnelbohrmaschine bescheiden aus. Das riesige Gerät steckt immer noch einbetoniert in der Oströhre unter den Gleisen der Rheintalbahn. Die Baufirmen haben damals - um eine Ausweitung des Schadens zu verhindern - die Röhre mitsamt Maschine einfach mit Beton vollgepumpt. Wann und wie das massive Hindernis entfernt werden soll, ist unklar.

Die Schweizer sind schon fertig, Deutschland hinkt hinterher

Kritik muss sich die Bahn noch heute anhören, unter anderem vom Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), ein Zusammenschluss von Bahnunternehmen. Dessen Geschäftsführer Peter Westenberger sagt, Bahn und Regierung müssten das Rastatt-Desaster als Weckruf begreifen: "Wir fordern eine transparente Aufarbeitung der Ursachen, eine schnellere Regulierung der Schäden und eine Beschleunigung des Schienennetzausbaus." Weder die Bahn noch die Baufirmen seien auf den Ausfall der Rheintalbahn vorbereitet gewesen. Bahn-Vorstand Frank Sennhenn widerspricht entschieden. "Wir haben aus Rastatt gelernt und uns auf die Fahne geschrieben: Da werden wir besser." So seien klare Prozesse und schnelle Kommunikationswege für ein internationales Störungsmanagement in einem Handbuch vereinbart worden. Auch ein runder Tisch zum Baustellenmanagement soll Verbesserungen bringen.

Wann die Röhren in Rastatt fertig werden, ist offen. Sicher ist, dass der Tunnel nicht wie ursprünglich geplant 2022 fertig wird. Mindestens zwei Jahre Verspätung wird das Projekt haben. Die Strecke verbindet die Nordseehäfen mit dem Mittelmeer. In der Schweiz ist der Gotthard-Basistunnel längst in Betrieb. Deutschland hinkt mit dem Ausbau seiner Zulaufstrecke hinterher.

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