Nach dem Diesel-Urteil:Was Städte unternehmen, um Fahrverbote zu vermeiden

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Fahrverbot in der Dieselstraße? Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes wäre das grundsätzlich möglich. (Foto: dpa)
  • Trotz des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts, das Diesel-Fahrverbote erlaubt hat, wollen die meisten Städte Sperrzonen verhindern.
  • Vor allem jene Kommunen, die nur knapp über den Stickoxidgrenzwerten liegen, hoffen, das Problem mit anderen Maßnahmen in den Griff zu bekommen.
  • Ein Sonderfall ist Bayern: Das Umweltministerium stellt sich quer und weigert sich, über Fahrverbote nachzudenken.

Von Michael Bauchmüller, Dominik Hutter und Josef Kelnberger

Am Anfang steht Tempo 30. Nicht irgendwo, sondern auf der Ost-West-Schlagader der Hauptstadt: der Leipziger Straße. Schon im April soll das Experiment anlaufen, mit neuen Schildern und neuen Ampelschaltungen. "Bis zum Jahresende wissen wir dann, was das bringt", heißt es beim zuständigen Verkehrssenat. Brächten derlei Einschränkungen nichts, "wird es auch in Berlin streckenbezogene Fahrverbote geben müssen", sagt Senatorin Regine Günther (parteilos).

So geht es nun in vielen deutschen Städten. Es herrscht das Prinzip Hoffnung. Von den etwa 70 Städten mit überhöhten Werten von Stickoxid (NOx) liegt nur ein Dutzend dramatisch über dem Grenzwert. Dieser verlangt einen Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm NOx je Kubikmeter Luft. An Berlins Leipziger Straße aber sank der Wert im vorigen Jahr unter die Marke von 50 Mikrogramm.

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Ähnlich in Mainz: Dort sinkt die NOx-Konzentration am schlimmsten Ort Jahr um Jahr. "Wenn absehbar ist, dass der Wert bald eingehalten wird und man gleichzeitig glaubhaft weitere Schritte vorweisen kann", sagt der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), "dann kann eigentlich keiner ein Fahrverbot verlangen." Die Stadt rüstet derzeit fieberhaft alte Busse um, plant eine neue City-Bahn zwischen Mainz und Wiesbaden. Ein Fahrverbot aber, warnt Ebling, "ist das schärfste Schwert. Das zieht dem kommunalen Leben den Stecker".

Tags zuvor hatte der Vorsitzende Richter am Leipziger Bundesverwaltungsgericht mehr als einmal das Wort "einzig" betont: Fahrverbote kämen dann in Frage, wenn sie das einzige Instrument seien, um die Stadtluft zügig zu bessern. Das lässt Raum für sanftere Eingriffe, und seien es neue Ampeln und Tempolimits. "Fahrverbote sind nur als letztes Mittel möglich", sagt auch die geschäftsführende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). "Das heißt, wir müssen vorher alle anderen Mittel ausschöpfen."

In Stuttgart sollen erste Fahrverbote 2019 greifen

Auch in Stuttgart und den anderen Städten Baden-Württembergs mit überhöhten NOx-Werten gibt es noch die Hoffnung, um Fahrverbote gänzlich herumzukommen, und zwar vor allem in der CDU, dem Koalitionspartner der Grünen im Land. Nachrüstung alter Diesel, mehr ÖPNV, mehr elektrische Fahrzeuge, bessere Verkehrslenkung - sehr viele Instrumente, die nun diskutiert werden, stehen allerdings bereits im aktuellen Luftreinhalteplan für Stuttgart; dennoch kam das örtliche Verwaltungsgericht nach der Klage der Deutschen Umwelthilfe zu der Überzeugung, allein Fahrverbote seien geeignet, um die Grenzwerte in Stuttgart einzuhalten.

Nach dem Willen des grünen Verkehrsministers Winfried Hermann sollen von 2019 an erste Fahrverbote greifen, Euro-5-Diesel dann von 2020 an ausgesperrt werden. Ob die CDU aber einem neuen Luftreinhalteplan mit Fahrverboten zustimmt, muss sich weisen. Schließlich ist 2021 Landtagswahl. Das Thema polarisiert.

Andere verlegen sich, wie Hamburg, auf die Sperrung von Problemstrecken. Auch in Düsseldorf, neben Stuttgart die zweite Beklagte vor dem Bundesverwaltungsgericht, stehen genau solche Sperrungen nun bevor, das Verwaltungsgericht hatte sie empfohlen. Die Kommunen stelle das Fahrverbotsurteil vor eine "praktisch unlösbare Aufgabe", warnt Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD). So müssten für die am stärksten betroffenen Strecken Umleitungen ausgeschildert werden, mit Ausnahmen etwa für Pflegedienste oder Handwerker. "Man mag sich nur den Schilderwald vorstellen", sagt er.

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Und es ist nicht ausgemacht, dass dies hilft. Denn was die Werte an Messstation A senkt, hat ein paar Kilometer weiter womöglich unschöne Folgen. "Mit streckenbezogenen Sperrungen alleine ist es nicht getan", sagt Ute Dauert, Luftqualitätsexpertin beim Umweltbundesamt. "Man muss sich sehr genau anschauen, wohin sich der Verkehr verlagert." Das könne so weit gehen, dass auch Messstationen neu platziert werden müssten. Die sollen nämlich dort stehen, wo die höchste Belastung zu erwarten ist.

Kretschmann bittet Merkel um Unterstützung

Von der Kontrolle ganz zu schweigen, denn die Emissionen sieht man den Autos nicht an. Ohne einheitliche Regelung müssten die Kommunen sich im schlimmsten Fall auf stichprobenartige Kontrollen der Fahrzeugpapiere verlassen - ein enormer Aufwand. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat nach SZ-Informationen am Mittwoch einen Brief an die Bundeskanzlerin aufgesetzt, mit der Bitte um Unterstützung. Nur mit einer bundeseinheitlichen Regelung und damit verbunden einer blauen Plakette für saubere Autos ließen sich Verbote wirksam umsetzen. Andernfalls drohe ein "Flickenteppich" mit unterschiedlichen Regelungen in ganz Deutschland. Merkels Sprecher Steffen Seibert signalisierte am Mittwoch Gesprächsbereitschaft.

An der Plakette hängt für die am stärksten betroffenen Städte vieles, auch in München. In der Landeshauptstadt, an der Landshuter Allee, werden die Grenzwerte bundesweit am stärksten überschritten, fast um das Doppelte. Der Stadtrat hat mittlerweile eine Verschärfung jener Umweltzone beschlossen, die seit 2008 Autos mit zu hohem Feinstaub-Ausstoß ausschließt. Nur: Beim Feinstaub hat der Bund eine Plakette eingeführt. Beim Stickoxid fehlt sie.

In Bayern droht Stillstand

Mehr noch: Zuständig für den Münchner Luftreinhalteplan ist das bayerische Umweltministerium, und das weigert sich trotz entsprechender Gerichtsbeschlüsse hartnäckig, über Diesel-Fahrverbote auch nur nachzudenken. Selbst nach dem Leipziger Urteil sieht die Staatsregierung keinen Grund, ihre Haltung zu ändern - man will nun das Urteil und seine Folgen für München erst einmal sorgsam prüfen. Der Freistaat setzt stattdessen auf den Ausbau des Nahverkehrs und will Elektroautos fördern. Das Motto: Wird schon.

Ob die Richter den Stillstand hinnehmen? Die Deutsche Umwelthilfe hat bereits eine Zwangsvollstreckung gegen den Freistaat beantragt, die nächste Frist läuft im Mai ab. Gut möglich, dass letztlich Gerichte ein Fahrverbot in München verhängen. Während andere Städte noch fieberhaft daran arbeiten, genau diesem Schicksal zu entgehen.

© SZ vom 01.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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