Zug gegen Zug
Der Geruch war das Beste. Metallisch, beißend, süßlich. Mit zehn oder zwölf hatte ich ihn zuletzt eingesogen und fest gespeichert. Er entstand immer dann, wenn ich die alte schwarze Märklin-Lok über die Schienen hetzte, wenn sie über Weichen knatterte und schnell, viel zu schnell, durch den Bahnhof fegte. Höher, immer höher, drehte ich das Rad am Trafo und gab Strom. Bis das 40 Jahre alte Gefährt schließlich Funken sprühte und stilvoll aus der Kurve flog. Dann war es still, und in der Luft roch es nach Übermut: metallisch, beißend, süßlich. Auch mein Vater hatte sich als Kind an Märklin-Zügen berauscht, er schenkte mir eine moderne silberne Lok, die seltener aus der Puste kam. Allein zu Hause, baute ich mit Schienen eine Rennstrecke. Positionierte die alte Lok rechts, die neue links - die Zugspitzen einander zugewandt - und ließ sie aufeinander zu rasen. Das alte Ding gab alles; funkte, stank und prallte am Rivalen ab. Ein letzter Fall vom Gleis. Ade.
Text: Kristina Läsker