Motorradmarkt:Chinas neue Lust am Zweirad

BMW S 1000 RR auf der Shanghai Auto Show

Neuer Freizeittrend in China: Auf der Shanghai Auto Show war Probesitzen auf einem Big Bike angesagt - am besten mit einem Fotografen in der Nähe.

(Foto: Norbert Meiszies)

Motorräder sind in China noch ein echtes Luxusgut. Doch der Markt wächst schnell. Die ersten Hersteller bringen sich bereits in Stellung.

Von Norbert Meiszies

Das chinesische Wort für BMW lautet Bao Ma, was so viel bedeutet wie "kostbares Pferd". Sechs Jahre Zeit hat Dimitris Rapsis, um mit seinen Bao-Ma-Motorrädern in China ähnlich erfolgreich zu sein wie seine Kollegen der Vierradsparte. 450 000 BMW-Autos und Minis hat der Konzern 2014 in China abgesetzt. Das sind knapp 20 Prozent des weltweiten Absatzes der Marke.

"Bei den Motorrädern haben wir vor eineinhalb Jahren mit vier bis fünf Angestellten angefangen, da ist es kaum möglich, Prognosen über die zukünftigen Verkäufe abzugeben", äußert sich Peter Schwarzenberger, Mitglied des Vorstands der BMW AG auf der diesjährigen Shanghai Motorshow zurückhaltend auf die Frage, wie viele Motorräder BMW glaubt, in China absetzen zu können. Eine fünfstellige Zahl sollte es auf jeden Fall werden, ist aus BMW-Kreisen zu hören.

"Der erste Schritt wird sein, das Händlernetz zu erweitern", erklärt der Grieche Rapsis, der seit etwas mehr als einem Jahr die Geschicke von BMW Motorrad in China leitet. Gerade einmal sechs Händler hat die Zweiradmarke derzeit im bevölkerungsreichsten Land der Erde: drei in Peking, einen in Chengdu, zwei in Shanghai. Fünfzehn sollen es bis zum kommenden Jahr werden. Erst 2012 starteten die Münchner offiziell mit dem Motorrad-Geschäft in China, anfangs noch über einen Importeur. Der verkaufte gerade einmal 150 Maschinen. Im zweiten Jahr waren es bereits 750 und 2014 unter BMW-Regie über 1500 Bikes. Auch wenn die Stückzahlen gering sind im Vergleich zu den Pkw, die Zuwächse können sich bereits sehen lassen.

China sattelt von Fahr- auf Motorräder um

Aber selbst in China wachsen die Bäume nicht mehr ganz so schnell in den Himmel. Das weiß auch David Doutrelugne. Der Belgier lebt seit über zehn Jahren in China, hat mit Geländefahrzeugen und als Importeur von Schuberth-Helmen sein Geld verdient. Seit 2013 betreibt er zusammen mit einem chinesischen Investor das BMW-Motorrad-Center Shanghai, ein typischer Biker-Laden mit Werkstatt, Showroom und hochwertigem Bekleidungs- und Zubehörangebot, aber auch Aufenthaltsraum für Kunden und den eigenen BMW-Club. "Wir haben im vergangenen Jahr 396 Motorräder fast ausschließlich an gut betuchte Chinesen verkauft", erzählt er, "zu 70 Prozent GS-Modelle, aber auch ein paar Roller." Manch einer kann es sich sogar leisten, sein bereits gekauftes Motorrad ein halbes Jahr im Laden stehen zu lassen, bis er endlich den Führerschein gemacht hat. "Der Anfang war einfach", ergänzt Doutrelugne, weil es bisher keine Händler gab. "Aber jetzt müssen wir in die Infrastruktur wie Marketing, Service und Aktionen investieren."

Es sind überwiegend BMW-Fans wie Guo Zheng Zheng, die zu jener Gruppe Chinesen gehören, die die wirtschaftliche Freizügigkeit im Land genutzt haben und zu einer privilegierten Schicht aufgestiegen sind. Die will ihren neuen Reichtum laut Peter Schwarzenberger in Form sogenannter "Authentic Premium Products" zeigen, wie sie unter anderem BMW anbietet.

BMW neben Gucci und Lagerfeld

Bei den Motorrädern sind das Imageträger wie zum Beispiel eine R1200GS, die in China umgerechnet circa 30 000 Euro kostet. "Ich habe fünf GS in der Garage stehen", sagt Herr Guo, der in Shanghai in 120 Läden Fertig-Pekingenten verkauft und damit mehrere Millionen Euro umsetzt. Mit 32 Jahren leistet sich der motorradbegeisterte Herr Guo neben seinem Hobby sogar einen nagelneuen BMW-Laden in bester Geschäftslage neben Designer-Geschäften von Gucci und Karl Lagerfeld. Knapp 300 Fahrzeuge hat er im letzten Jahr verkauft, zu wenig, damit sich die Investition auszahlt. "Noch ist der Laden mein Hobby, aber ich setze auf die Unterstützung von BMW China, dass sich das ändert", hofft Herr Guo auf den großen Motorrad-Boom in seinem Heimatland.

Dem stehen allerdings noch verschiedene Dinge im Weg. Etwa die teilweise restriktiven Fahrverbote für Motorräder in Metropolen wie Peking oder Shanghai. Oder die Vorschrift, dass motorisierte Zweiräder nicht älter als elf Jahre sein dürfen. Danach erlischt die Fahrerlaubnis und es winkt die Verschrottung. Das gilt für den 300-Euro-Elektroroller aus dem Supermarkt genauso wie für eine BMW RnineT. Dass Nummernschilder monatlich nur in begrenzter Zahl ausgegeben werden und entsprechend teuer sind, erschwert den Zugang zum Premiumbike. Etwa 15 000 Euro kostet so ein Kuchenblech.

Es mangelt an Mechanikern

So unterschiedlich die Ansätze beider BMW-Händler sind, eines der größten Probleme ist ihnen gemein: Es mangelt an versierten, ausgebildeten Schraubern. "Wir fangen hier wirklich bei null an", sagt David Doutrelugne. "Wir bilden unsere Mitarbeiter selbst aus, müssen aber immer wieder darauf achten, dass sie nicht in die manchmal nachlässigere, chinesische Arbeitsweise verfallen und Arbeitsschritte einfach überspringen." Wer einmal bei einem Markenhändler einen Job gefunden hat, verdient dafür rund 40 Prozent mehr als ein durchschnittlicher Mechaniker.

Dass das Thema Motorrad in China in Zukunft trotz vieler Widrigkeiten an Bedeutung gewinnt, hängt auch damit zusammen, dass der betuchte Chinese die Freizeit entdeckt hat. Im Auto steckt er nur im Stau. In Peking verbringt er dort fast zwei Stunden pro Tag und sucht nach Alternativen. So kamen im vergangenen Jahr zu den erstmals ausgetragenen BMW Motorrad Days in Peking rund 1000 Teilnehmer aus dem ganzen Land angereist.

Harley-Davidson und Kawasaki zeigen Präsenz

Auf den Zug springen mittlerweile auch andere Marken auf. Harley-Davidson ist bereits seit 2006 mit einem Dealer in Shanghai vertreten und präsentierte sich auf der von der Autoindustrie beherrschten Motorshow mit einem eigenen Stand. Genauso wie Kawasaki. Die Japaner wollen mit ihren Supersport-Motorrädern verstärkt ins China-Geschäft einsteigen.

Halbherzig scheint dagegen noch das Engagement von Audi. Die Ingolstädter präsentierten ihre Premium-Motorradmarke Ducati versteckt mit einem einzigen Modell. Anerkennung fand dagegen der prominente BMW-Motorrad-Auftritt inklusive China-Premiere der S1000RR nicht nur bei Selfies machenden Chinesen, sondern auch bei Vertretern von Mercedes-Benz China, die auf den ausgestellten Big Bikes zur Sitzprobe erschienen waren und auf die Frage, warum denn die Edel-Marke MV Agusta, an der man ja beteiligt sei, nicht vertreten ist, nur mit der Schulter zuckten.

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