Motorradführerschein nachholen:Alte Liebe rostet nicht

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Erst fehlt das Geld, dann die Zeit. Deshalb kommen viele erst im fortgeschrittenen Alter auf die Idee, den Motorradführerschein zu machen. Experten erklären, was der Einstieg in die Zweiradwelt kostet und warum es so wichtig ist, einen guten Fahrlehrer zu finden.

Das vorbeiziehende Motorrad wirkt wie ein Magnet: Der Blick des Autofahrers bleibt am Heck der Maschine haften, bis sie hinter der nächsten Kurve verschwindet. Wie gerne würde er tauschen, statt an diesem herrlichen Sommertag unterm Blechdach seines Wagens zu schmoren - doch leider fehlt ihm der passende Führerschein. Der Neid weckt die Lust, nach Jahren noch einmal eine Fahrschule zu besuchen und die Zweiradlizenz nachzuholen. Und so geht es vielen: "Der Großteil aller Motorradnovizen hat schon jahrelang eine Fahrerlaubnis für Pkw in der Tasche", berichtet Rainer Zeltwanger vom Bundesverband deutscher Fahrschulunternehmen (BDFU).

Ein Traum, der keiner bleiben muss: Der Motorradführerschein lässt sich in wenigen Wochen nachholen. (Foto: dpa-tmn)

Die Zeiten, in denen viele Fahrschüler den Führerschein für Auto und Motorrad noch in einem Abwasch gemacht haben, sind vorbei. "Eine Frage des Geldes", sagt Zeltwanger. Für einen Pkw-Führerschein seien mittlerweile zwischen 1700 und 2500 Euro fällig - wenn alles glatt läuft. "Der Motorradführerschein der Klasse A kostet noch einmal dasselbe", erklärt der BDFU-Vorsitzende. "Das können sich die wenigsten jungen Menschen leisten, da muss schon eine sehr spendable Oma im Spiel sein." Also hat der Pkw-Führerschein Vorrang. Zumal es keinen großen Spareffekt gebe, wenn beide Lizenzen erlangt werden: "Man zahlt insgesamt etwa 300 Euro weniger, weil Grundgebühr und Prüfungskosten für die Theorie nur einmal anfallen."

Die Motorradpläne werden also aufgeschoben, danach häufig für immer begraben, aber manchmal Jahre oder auch erst Jahrzehnte später doch noch verwirklicht. "Nach den ersten Jahren im Beruf oder wenn die Kinder aus dem Haus sind, haben die meisten plötzlich das Geld für den Führerschein und eine eigene Maschine zur Verfügung", sagt Zeltwanger. Und wenn es sie dann wieder in den Fingern juckt, können sie ihren Traum vom Zweiradfahren endlich verwirklichen. "Aber bloß nichts überstürzen", warnt Achim Kuschefski, Leiter des Instituts für Zweiradsicherheit (ifz).

Angehende Biker sollten sich für die Suche nach einer Fahrschule Zeit nehmen und dabei nicht nur auf die Preise schauen. "Der Ausbilder sollte eine hohe Affinität zum Motorradfahren haben und in den Fahrstunden selber auf einer Maschine sitzen, statt im Auto hinterzuherfahren", sagt Kuschefski. So könne sich der Schüler beim Lehrer unterwegs eine Menge abschauen, was sich in der Theorie schwer vermitteln lässt, etwa die richtige Fahrtechnik in Kurven. Zeltwanger gibt zu bedenken: "Bis auf die Funkverbindung sind Fahrschüler auf dem Motorrad sich selbst überlassen, und Fehler können lebensgefährliche Folgen haben - anders als im Auto, wo der Ausbilder notfalls eingreifen kann." Deshalb bräuchten Motorradneulinge einen besonders guten Coach, zu dem das Vertrauensverhältnis stimmt, der sie in den Fahrstunden nicht überfordert, ihnen aber auch nicht zu wenig zutraut. "Am besten hört man sich im Bekanntenkreis um, wer mit welcher Fahrschule gute Erfahrungen gemacht hat", rät Kuschefski.

Neben dem Fahrlehrer müssen Führerscheinanwärter auch mit der Trainingsmaschine gut klarkommen. Größe und Gewicht des Motorrads müssen zum Schüler passen. "Deshalb vorher in der Fahrschule zum Probesitzen vorbeischauen", empfiehlt Kuschefski. Idealerweise stünden dort mehrere Motorräder zur Auswahl. Fahrschulen müssen ihrer Zweiradkundschaft außerdem Schutzkleidung von Kopf bis Fuß zur Verfügung stellen. Der ifz-Chef rät Späteinsteigern allerdings zur eigenen Montur: "Wer seinen Motorradführerschein nachholt, wird danach ja auf jeden Fall fahren. Deshalb lohnt sich vor dem Fahrschulbesuch der Kauf passender Schutzkleidung." Gute Helme gebe es ab 300 Euro. Für Jacke, Hose, Stiefel, Handschuhe und Nierengurt in ansprechender Qualität würden noch einmal etwas mehr als 1000 Euro fällig.

Für die Fahrausbildung sollten laut Zeltwanger regulär mindestens vier bis sechs Wochen Zeit eingeplant werden. "Einige Fahrschulen bieten auch Intensivkurse an, die etwa zwei Wochen dauern. Dafür müssen Sie aber Urlaub nehmen", sagt er. Intensivkurse seien oft auch etwas teurer als die Standardausbildung. Zwar sollten routinierte Autofahrer die Verkehrsregeln aus dem Effeff kennen, für die Erweiterung ihrer Fahrerlaubnis müssen sie aber trotzdem zehn Pflichteinheiten Theorieunterricht à 90 Minuten absolvieren. "Sechsmal Grundunterricht und viermal Sonderunterricht speziell für Motorradfahrer", erläutert der BDFU-Vorsitzende. Im Praxisteil sind insgesamt zwölf Sonderfahrten über Landstraße, Autobahn und bei Nacht vorgeschrieben. "Zu den Pflichtfahrten kommen noch weitere Fahrstunden hinzu. Wer vorher nur Auto gefahren ist, darf nicht unterschätzen, wie viel Zeit es braucht, sich an ein Zweirad zu gewöhnen", sagt Zeltwanger. Anfangs sei das eine ziemlich kippelige Angelegenheit. Hinzu kommen viele ungewohnte Bewegungsabläufe wie Blinken und Schalten, die in Fleisch und Blut übergehen müssen, damit geübte Autofahrer ein Motorrad genauso sicher durch den Verkehr manövrieren können wie ihren Wagen. "Ich habe selten erlebt, dass jemand nach weniger als 20 Motorradfahrstunden zur Prüfung angetreten ist", berichtet der Fahrlehrer.

Nach bestandener Prüfung will natürlich kein Biker lange abwarten - ein eigenes Motorrad muss her. "Für Anfänger eignen sich am besten Allrounder und Naked Bikes mit etwa 600 Kubikzentimetern Hubraum und ABS-Bremsen", empfiehlt Kuschefski. Handhabung und Sitzposition seien bei diesen Mittelklassemaschinen in der Regel sehr einsteigerfreundlich. "Solche Modelle leisten zwischen 60 und 100 PS - das überfordert Anfänger nicht, reicht zum Überholen aus und wird so schnell nicht langweilig", so der ifz-Experte.

Prüfungsabsolventen, die jünger als 25 Jahre sind, müssen zunächst mit schwächeren Modellen oder gedrosselten Maschinen vorliebnehmen: Zwei Jahre lang dürfen sie höchstens 34 PS starke Motorräder fahren, bevor die Leistungsbeschränkung ihres Führerscheins automatisch aufgehoben wird. Das ändert sich übrigens, wenn am 19. Januar 2013 die neue EU-Führerscheinrichtlinie in Kraft tritt. Dann wird das Mindestalter für den Direkteinstieg in die offene Motorradführerscheinklasse A auf 24 Jahre gesenkt und die Leistungsbeschränkung für jüngere Fahranfänger (neue Klasse A2) auf 48 PS heraufgesetzt. Dabei dürfe das Verhältnis von Leistung zu Gewicht 0,2 kW pro Kilogramm nicht überschreiten. Für den Umstieg von der Klasse A2 auf die offene Klasse A nach frühestens zwei Jahren wird nach der Änderung eine erneute, verkürzte Fahrprüfung erforderlich.

Info-Kasten: Freiwillige Fahrstunden

Besitzer eines Motorradführerscheins, die lange pausiert haben oder sich erst Jahre nach der Prüfung ihr erstes Motorrad kaufen, sollten freiwillig ein paar Fahrstunden nehmen, bevor sie wieder anfangen. "Motorrad fahren dürfen heißt nicht, es zu können", betont Achim Kuschefski vom Institut für Zweiradsicherheit (ifz). Wer viele Jahre nicht gefahren sei, begebe sich ohne Übung in große Gefahr. "Das ist absolut leichtsinnig", warnt der Experte.

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