Motorentechnologie:Mercedes-Diesel sollen sauberer werden

OM 654, die neue Vierzylinder-Dieselmotoren-Familie von Mercedes

Stinke-Diesel sollen bei Mercedes zukünftig der Vergangenheit angehören. Bis 2019 wollen die Stuttgarter ihre gesamte Motorenfamilie erneuern. Den Anfang macht der neue Vierzylinder-Turbodiesel OM 654.

(Foto: Daimler AG)
  • Die Vierzylinder-Dieselmotoren von Mercedes fielen in Abgastests wiederholt durch hohe Emissionen auf.
  • Um das zu ändern, investiert der Daimler-Konzern 2,6 Milliarden Euro in den Komplettumbau seines Antriebs-Portfolios.
  • Durch einige technische Besonderheiten soll die neue Dieselmotoren-Generation OM 654 bis zu 80 Prozent weniger Stickoxide ausstoßen als die bisherige Triebwerks-Familie OM 651.

Von Joachim Becker

Der bisherige Mercedes Vierzylinder-Dieselmotor hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. In Abgastests fiel der Ölmotor OM 651 wiederholt durch hohe Emissionen auf (SZ berichtete). Jetzt soll alles besser werden, verspricht Motorenchefentwickler Bernhard Heil. Seit 2012 arbeiten die Stuttgarter an einer komplett neuen Triebwerksfamilie. Ihren Einstand gibt sie nun mit dem Vierzylinder-Diesel OM 654 in der neuen Mercedes E-Klasse. Aber das ist erst der Anfang: Bis 2019 sollen neun komplett neue Motoren in zahllosen Modellvarianten an den Start gehen. Darunter auch die neuen Reihensechszylinder (Ende 2016), die sowohl als Benziner und als Diesel die bisherigen V6-Motoren ablösen.

2,6 Milliarden Euro lässt sich Mercedes den Komplettumbau seines Antriebs-Portfolios kosten. Davon entfallen 1,5 Milliarden Euro auf neue Fertigungslinien in deutschen, chinesischen und amerikanischen Motorfabriken: "Wenn wir so viel Geld einsetzen, dann wollen wir vor allem die investitionsintensiven Maschinen so flexibel wie möglich machen", erklärt Bernhard Heil. Daimler will dem Beispiel von BMW folgen und die Grundmotoren für Diesel und Benziner auf denselben Linien fertigen: "BMW arbeitet mit vielen Gleichteilen bei Diesel- und Benzinmotoren. Wir wären schlecht beraten, wenn wir das nicht steigern könnten", verrät Heil mit einem zufriedenen Lächeln.

Stickoxide um 80 Prozent reduziert

Ein entscheidender Vorteil der neuen Motorenfamilie ist die aufrechte Einbaulage im Motorraum. Statt mit einer 30-Prozent-Neigung zusätzlichen Platz auf der Ansaugseite zu schaffen, werden die neuen Triebwerke aufgerichtet, um der Abgasnachbehandlung mehr Platz einzuräumen. Davon profitieren die Ölbrenner ganz besonders: Ein motornaher Dieselpartikelfilter mit spezieller Beschichtung kann nicht nur Ruß, sondern auch Stickoxide (NOx) aus dem Abgas fischen.

Der nachgeschaltete SCR-Katalysator soll als zweite Reinigungsstufe alle NOx-Reste so zuverlässig beseitigen, dass der neue Motor im realen Fahrbetrieb auf der Straße 80 Prozent weniger Stickoxide ausstößt. "Außerdem haben wir wesentlich weniger Schwankungen bei den Emissionswerten", kündigt Heil an. Damit wollen die Stuttgarter die anspruchsvollen Limits des neuen europäischen Abgastests (Real Driving Emissions) erfüllen, der ab 2017 neben Laborprüfungen auch Messungen im Straßenverkehr vorsieht.

Temperatur soll keinen Einfluss mehr auf Abgaswerte haben

Viel Entwicklungsaufwand haben die Stuttgarter in die Abgasrückführung gesteckt, die nun auch bei kühleren Temperaturen und bei Volllast für geringe Rohemissionen sorgen sollen. In Abgastests des niederländischen Prüfinstituts TNO hatte ein Mercedes C 220 CDI bei 10 Grad Celsius viel zu hohe Stickoxidwerte aufgewiesen. Daimler rechtfertigte das schlechte Ergebnis mit Bauteilschutz: "Wir mussten schmerzlich lernen, dass sich Abgasventile und AGR-Kühler mit den Resten von kondensierten Abgasen zugesetzt haben", so Heil.

Beim bisherigen Vierzylinder-Diesel wurden die Abgase motorfern behandelt: Das System mit Partikelfilter und SCR-Katalysator zog sich bis unter den Fahrersitz hin. Entsprechend spät kamen die langen Zuleitungen und der Katalysator auf Betriebstemperatur. "Deshalb haben wir uns für einen kompletten Neustart entschieden", erklärt der Motorenchefentwickler: "Mit der motornahen Abgasnachbehandlung haben wir weniger Einbauvarianten. Dadurch sparen wir trotz des Technikaufwands Geld."

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