Motoren der Zukunft:Abrechnung in Wien

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Auf dem 30. Motoren-Symposium endete offiziell die Ära des Verbrennungsmotors als ausschließliche Antriebsquelle im Auto.

Joachim Becker

König Otto hat fertig. Pünktlich zum 30. Wiener Motorensymposium fand die offizielle Abdankung in der Wiener Hofburg statt. 1000 Spezialisten für Verbrennungsmotoren erwiesen dem einstigen Alleinherrscher die letzte Ehre. Künftig wird es keinen Königsweg für Kraftmaschinen mehr geben, stattdessen sollen sich allerlei elektrische Assistenten und (Zusatz-)Antriebe den Platz unter der Motorhaube teilen.

Kompliziert: Das Hybrid-System mit Motorsteuerung im BMW X6 umfasst mehr als 26.000 Betriebszustände. (Foto: Foto: BMW)

Ganz aufs Altenteil verabschieden will Hans Peter Lenz den Benziner oder Diesel aber noch nicht. Es werde keinen disruptiven Technologie-Wechsel für alle Fahrzeugtypen geben, prophezeite der renommierte Professor. Vielmehr ebne der Hybrid den Weg zur Elektromobilität mit Hilfsmotor (Range Extender) für größere Reichweiten.

Klingt da eine späte Anerkennung für den Toyota Prius an, der als Diesel-Rivale in Wien immer argwöhnisch beäugt worden war? Koei Saga nahm die Schleuderwende zum Hochvoltantrieb mit Genugtuung zur Kenntnis: "Dieser Kongress hat gezeigt, dass unsere Entscheidung vor mehr als 15 Jahren richtig war", sagte der Leiter Toyota Hybrid-Entwicklung.

Die ersten Hybride galten als teure, schwere und extrem komplexe Antriebsalternativen. Mittlerweile produzieren die Japaner kostendeckend und düpieren damit europäische und amerikanische Hersteller: "Wir haben den Aufwand für das Hochvoltsystem von der ersten zur zweiten Generation um 70 Prozent gesenkt und sparen mit dem Modellwechsel zum neuen Prius noch einmal 40 Prozent ein", erklärte Koei Saga.

Wie viel Forschung und Entwicklung in diesen Zahlen stecken, hat BMW beim BMW X6 ActiveHybrid erfahren: "Das Gesamtsystem mit Motorsteuerung umfasst zirka 26.000 Applikationsgrößen und etwa 500 neue hybridspezifische Diagnosen", berichtete Manfred Klüting, verantwortlich für die BMW Fahrzeugintegration. Mit dem Aufwand steigen die finanziellen Risiken bei der Einführung des Hybridantriebs - auch für Systemlieferanten wie Bosch und Continental.

"Im Geschäftsbereich Powertrain verlieren wir momentan Geld", gesteht Karl-Thomas Neumann. "Wenn wir bis 2015 Hybride nur in homöopathischen Stückzahlen verkaufen, haben wir ein Riesenproblem", klagt der Continental-Geschäftsführer. Den Teufelskreis aus Anfangsinvestitionen, hohen Verkaufspreisen und entsprechend geringen Stückzahlen werden hiesige Hersteller nicht so schnell durchbrechen.

Der neue Mercedes S 400 Hybrid ist dafür das beste Beispiel: Selbst bei einem Aufpreis von 9163 Euro gegenüber dem vergleichbaren Benziner ohne E-Motor spielt er seine horrenden Entwicklungskosten nicht herein. Für die Kunden rechnet sich der Sparantrieb ebenfalls (noch) nicht - ein S 350 CDI ist 12.316 Euro günstiger und im Alltag sparsamer.

Trotzdem führt in höheren Fahrzeugklassen kein Weg an den Zwillingsantrieben vorbei: Strafforderungen der EU in Höhe von einigen tausend Euro pro Fahrzeug drohen, wenn der Flottenausstoß bis 2015 nicht auf 130 Gramm CO2 pro Kilometer sinkt. Davon sind vor allem die deutschen Automobilhersteller meilenweit entfernt: Mercedes lag im vergangenen Jahr bei 188 g/km, Audi erreichte 176, selbst VW schnitt mit 166 g/km im Normzyklus schlechter ab als BMW. Dort reduzierte man den CO2-Flottenausstoß innerhalb von zwei Jahren von 190 auf 160 g/km.

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Auf dem Wiener Motorensymposium ließen BMW Spitzenmanager keinen Zweifel daran, dass die weißblaue Marke das Emissionsziel 2015 erreichen werde. "In naher Zukunft werden wir die Full- und Mild-Hybridtechnologie vom X6 und Siebener ActiveHybrid auf die kostensensiblere Mittel- und Kompaktklasse ausrollen", kündigte der Leiter der Antriebsentwicklung, Peter Langen, an. Eine Acht-Gang-Automatik von ZF soll außerdem in der gesamten BMW Modellpalette den Verbrauch um sechs Prozent gegenüber den aktuellen Sechs-Gang-Automaten senken. In Kombination mit einer Start-Stopp-Funktion werden die neuen Wandler den Kraftstoffbedarf nochmals um mehr als drei Prozent reduzieren.

Für Freude am Sparen sorgt auch die Umstellung auf Direkteinspritzung und Turboaufladung. Zum einen, weil das Drehmoment der Vierzylinder-Benziner schon kurz über Leerlaufdrehzahl auf mehr als 300 Newtonmeter steigt. Zum anderen, weil die vollvariable Ventilsteuerung Valvetronic rund acht Prozent Kraftstoff spart. Das feinmechanische Kunstwerk im Zylinderkopf hat all jene verblüfft, die zukunftsfähige Lösungen allein von der Elektronik erwarten.

Wohin konsequentes Downsizing führt, zeigte VW. Nach dem Erfolg des 1.4 TSI stellten die Wolfsburger ihren neuen 1,2-Liter-Ottomotor mit 77 kW Leistung vor. Ein Golf begnügt sich mit 5,4 Liter Super, wenn zum Zwei-Ventil-Vierzylinder ein Doppelkupplungsgetriebe tritt. Die angekündigte BlueMotion-Version mit Start-Stopp-Funktion wird voraussichtlich weniger als fünf Liter verbrauchen und die Schwelle von 120 g/km CO2 unterschreiten. Damit genehmigt sich der neue Einstiegsbenziner zwar einen knappen Liter mehr als ein Toyota Prius, allerdings dürfte er rund 5000 Euro billiger sein als das Hybridmodell. Abgerechnet wird zum Schluss, wenn die realen Kosten für die CO2-Ersparnis feststehen. Dann hat der Kunde das Wort - und König Otto könnte sein Comeback erleben.

© SZ vom 18.5.2009/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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