Monterey Car Week in Kalifornien:Oldtimer-Show als Epizentrum der Eitelkeiten

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Selbst ein Bugatti im Wert von mehreren Millionen Euro braucht hin und wieder Anschubhilfe. (Foto: Bloomberg)

Einmal im Jahr überlagern Schwaden verbrannten Sprits die salzige Meeresluft rund um Pebble Beach in Kalifornien. Unzählige sündteure Klassiker zeigen, warum moderne Autos langweilig sind.

Reportage von Georg Kacher

Um sechs Uhr morgens ist es noch stockdunkel und zapfig-kühl am 18. Loch des Golfkurses von Pebble Beach, zwei Autostunden südlich von San Francisco. Doch die salzige Meeresbrise und das Möwengeschrei werden bereits überlagert von Schwaden unzureichend verbrannten Sprits und dem arrhythmischen Standkonzert dutzender Motoren aus dem Jahre Schnee. Noch im Zwielicht nehmen die Besten der Besten Aufstellung auf dem fein manikürten Grün, bereit für die strenge Prüfung durch die mit Strohhüten und Clipboards ausstaffierten Juroren.

Zehn Stunden später gewinnt ein schwarzer Lancia Astura den Best-of-Show-Pokal. Während es an der Zielrampe Konfetti in den warmen Champagner regnet und der Applaus nicht enden will, halten die Smartphones der Ü-70-Millionäre den leicht verwackelten Einlauf für die Nachwelt fest.

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Binnen Minuten wechseln Unsummen den Besitzer

Zur gleichen Zeit geben kaum Jüngere in den Hügeln von Laguna Seca richtig Stoff. Auf dem Traditionskurs mit der legendären Corkscrew-Mutkurve wird drei Tage lang angegast. 2016 stehen die Rennen im Zeichen der Hundertjahrfeier von BMW. Neben der motorsportfarbenen Meute duellieren sich Cobras und Corvettes, geflügelte Trans-Am-Monster (1966-1972) und ein überkomplettes Formel-1-Starterfeld aus den Jahren 1967 bis 1984. Im Eintrittspreis nicht enthalten sind Sonnencreme, Ohrstöpsel und das Programmheft, das von den meisten Piloten bereitwillig signiert wird - die Monterey Motorsports Reunion bietet Rennsport zum Anfassen, inklusive frei zugänglichem Fahrerlager und Staublunge spätestens bis zum Fünf-Uhr-Kaffee aus dem Plastikbecher.

Während ein paar Hooligans die längst leeren Parkplätze mit immer neuen Donuts malträtieren, macht sich der Geldadel unten am Ozean fein für die abendliche Versteigerungs-Sause. Wo der Hammer fällt, sind die Branchengrößen unter sich: Bonhams auf der noblen Quail Lodge, Mecum neben dem Hyatt, Russo & Steele und Sotheby's mitten in der Stadt, Gooding draußen in Pebble. Für 30 bis 100 Dollar darf man zusehen, wie binnen Minuten Unsummen den Besitzer wechseln. Während ein Sammler in Shorts und Hawaiihemd einen Ferrari nach dem anderen ersteigert, kauft ein anderer am Telefon Autos, die er noch nie live gesehen hat. Qualität und Preise schwanken; Schnäppchen sind selten, denn Monterey ist ein teures Pflaster.

Angesichts der Dichte an Großverdienern kann es sich kaum ein Premium-Hersteller leisten, in Pebble Beach nicht vertreten zu sein. Das Epizentrum der Eitelkeiten ist die Wiese im Innenhof der Lodge, wo Show Cars, Luxuslimousinen und Supersportwagen Spalier stehen. Keinen Preis gibt es für das schönste moderne Auto, in diesem Jahr die Coupéstudie Vision 6 von Maybach. Der opulente, mutig proportionierte 5,70 Meter lange Zweisitzer passt perfekt in die Heimat von Duesenberg, Packard und Pierce-Arrow. Der Cadillac Escala, ein viertüriges Coupé nach Art des Porsche Panamera, ist für ein Oberklasse-Auto aus Detroit ebenfalls erstaunlich gelungen. Ein handwerkliches Meisterstück: der auf fünf Exemplare limitierte, 2,5 Millionen Dollar teure Kode 57 des japanischen Designers Ken Okuyama, der schon an den Ferrari Enzo Hand anlegen durfte.

Der Zitronen-Concours prämiert die hässlichsten Autos

Das Kontrastprogramm zum 2500-Dollar-pro-Nacht-Zimmer und einer Flasche Rotwein zum gleichen Preis heißt Concours d'LeMons und lockt am Samstagvormittag mehr als 700 Schrott-Junkies auf einen Acker bei Seaside. Hier wird prämiert, was anderswo in die Presse wandert: Rostlauben, TÜV-Leichen und nicht zulassungsfähige Eigenbauten wie ein verlängertes MG Midget Cabrio mit drei Sitzreihen. Im Wettbewerb der Zitronen (lemons) hat das PS-Establishment Platzverbot - außer es handelt sich um Blender wie einen Plastik-Ferrari auf Pontiac-Basis oder um Stilblüten wie eines von nur 68 angeblich unfahrbaren Volvo P1900 Cabriolets mit Fiberglas-Karosserie. Die Favoriten in der "Krautten-Wagen-Klasse" sind eine angerostete VW T1 Doppelkabine mit Tesla-Antriebsstrang und ein offener Karmann Ghia mit durchgefaultem Bodenblech, was dem Begriff Fußbremse eine völlig neue Bedeutung verleiht.

Die exklusivste Veranstaltung des Wochenendes ist nicht der Concours am Sonntag, sondern das Freitag-Event auf dem weitläufigen Gelände der Quail Lodge. Hier kostet allein der Eintritt 600 Dollar, es gibt nur 3000 Karten, Speisen und Getränke sind vom Feinsten. An der Carmel Valley Road stehen die Exponate nicht eingezäunt im Pferch, sondern in Gruppen aufgefächert wie die Miuras oder im Schlagschatten des eigenen Heiligenscheins wie der rundum verchromte Falconer Dodici, dessen 9,8-Liter-V12 mit zwei Kompressoren und vier Turbos bis auf 1100 PS hochgezüchtet werden kann. Weil Hubraum durch nichts zu ersetzen ist als durch noch mehr Hubraum, sollten wir den 14,0-Liter-Scott-Hall-Sechszylinder-Reihenmotor nicht vergessen, den Paul Springer in seinen zum Roadster umgebauten Franklin-Leichenwagen installiert hat.

Die Bonham's Versteigerung zieht sich, denn die Schätzwerte sind zu hoch angesetzt, und die Qualität der Autos ist durchwachsen. Die höchste Summe erzielt mit vier Millionen Dollar ein Bugatti Typ 51 Grand Prix. Einen Tag später setzt Gooding mit 160 Fahrzeugen mehr als 129 Millionen Dollar um. Dass das tolle 1957er-Mercedes-S220-Coupé mit 55 000 Dollar eindeutig unterbezahlt ist, verbuchen wir als schmerzliche Erfahrung des Zuspätgekommenen.

Doch noch ehe sie mit dem Schicksal hadern können, bringt das Straßenbild enttäuschte Oldtimer-Jäger auf andere Gedanken. Da mutiert ein bunter Mix aus heiseren Porsches minutenlang zu sägenden Stehzeugen, gleiten drei Duesenbergs brabbelnd im Konvoi zum Dinner, liefern sich F12 und Aventador ein Ampelstart-Brüllduell. Inzwischen schmilzt das Reisebudget wie Eis in der Sonne. Für ein bezahlbares Zimmer muss man 50 Kilometer weit fahren, der Hamburger im Hotel kostet schon mal 20 Dollar, die Ticketpreise für ein volles Dreitageprogramm liegen auf dem Niveau von Bayreuth.

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Leider reicht die Zeit nicht, um sämtlichen Verführungen zu erliegen. Porsche-Liebhaber sollten die Werks Reunion am Rancho Canada Golf Club besuchen, Speed Freaks werden bei den Legends of the Autobahn in Downtown Monterey fündig (beides Freitag), Ferraristi dürfen sich für 45 Dollar den frühen Samstagabend in Carmel im Kreis ihrer Lieblingsmarke vertreiben.

Rot dominiert auch auf dem Concorso Italiano, der sich als Kontrasterlebnis zum benachbarten Zitronen-Corso entpuppt. Hier wird italienisch gesprochen, denn zwischen den PS-starken Verführungen in Rosso andromeda, Rosso fuoco und Rosso farina trifft man auf alte Kämpen wie den früheren Lambo-Testfahrer Valentino Balboni und auf neue Gesichter wie der Markenchef Stefano Domenicali oder Filippo Perini von Ital Design. Wie bestellt spielt der Tonmeister passend zu den Alfas und Lancias Marina von Rocco Granata.

Aus fast der gleichen Ära stammen die Protagonisten der Little Car Show, die schon am Donnerstag in Pacific Grove über die Bühne geht. Die Kandidaten müssen über 40 Jahre alt sein, das Hubraumlimit liegt bei 1,6 Liter, die Parade der schrulligen Zwei- und Viertakter reicht vom Wolseley Hornet über den Fiat 600 Jolly bis zu Exoten wie dem Crosley Super Sport und den Mazda R360 Coupé.

Hier zeigt sich, was modernen Autos abgeht

Am Ende ist es dann doch der Concours d'Elegance, der sich auf der Festplatte der Erinnerung ganz oben einloggt. Allein die Ferrari-Stafetten produzieren großflächige Gänsehaut, die frühen Indy-Zweisitzer schließen - wieder einmal - eine Wissenslücke, die Sonderkarossen auf Fiat-8V-Basis drehen auf wunderbare Weise die Uhr zurück. Mit den Jubiläen haben die Veranstalter dagegen kein glückliches Händchen. Fünf Lamborghini Miura sehen auch Tür an Tür nicht viel anders aus als ein einziger, das Gleiche gilt für die fünf Bizzarrini 5300 und, noch mehr, für die 24 Ford GT40.

Absolut atemberaubend dagegen der Auftritt der Delahaye-Flotte in den Kategorien Vorkrieg, Nachkrieg und mit Karosserie von Chapron. Jedes einzelne der 24 Schaustücke führt dem Betrachter vor Augen, was modernen Automobilen abgeht: diese unglaubliche Liebe zum Detail, die Vielfalt der Werkstoffe und die lasziv-extrovertierte Formgebung - höchste Zeit also für ein engeres Miteinander von Emotion und Effizienz.

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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