Mobilitätswende:Daimler baut Elektro-Stadtbusse für die Hauptstadt

Erster elektrischer Stadtbus von Daimler

Daimler hat in Mainz seinen ersten elektrischen Stadtbus vorgestellt.

(Foto: dpa)

Im nächsten Jahr soll der E-Citaro in Berlin, Hamburg und Mannheim getestet werden. Der Hersteller ist spät dran - in Europa sind schon überall solche Busse unterwegs.

Von Stefan Mayr, Mainz

Viele namhafte und auch eher unbekannte Bus-Hersteller haben schon rein elektrisch betriebene Stadtbusse auf der Straße - nun zieht als erster deutscher Hersteller Daimler nach. Noch in diesem Jahr sollen in Berlin, Hamburg und Mannheim die ersten Batterie-Fahrzeuge im Testbetrieb von Haltestelle zu Haltestelle rollen. In Oslo und Luxemburg werden von 2019 an Serienfahrzeuge fahren. "Qualität geht vor Schnelligkeit", sagt Daimler-Nutzfahrzeug-Chef Martin Daum zum späten Einstieg seines Konzerns. "Nicht die schnellsten setzen sich am Ende durch, sondern die besten."

Am Mittwoch stellte Daimler seinen ersten Stromer-Bus "E-Citaro" vor, hierzu waren etwa 300 städtische Verkehrsbetriebe aus aller Welt in eine Industriehalle in Mainz eingeladen. Berlin und Hamburg hatten schon zuvor 15 respektive 20 Fahrzeuge für das Jahr 2019 bestellt. Allerdings kaufen beide Städte auch ähnlich viele Busse beim polnischen Hersteller Solaris. Dies ist für den Stuttgarter Konzern ungewöhnlich und entspricht nicht wirklich den hohen Ansprüchen der Schwaben mit ihrem stolzen Leitspruch "Das Beste oder nichts".

In Chinas Metropole Shenzhen fahren schon 16 000 E-Busse

Andererseits kann Daimler als Neuling auf dem Markt froh sein, überhaupt an Aufträge heranzukommen. Denn die Konkurrenz ist den Deutschen derzeit voraus; in vielen europäischen Städten gehören Elektro-Stadtbusse längst zum Alltag: In Bologna und Trondheim fahren Fabrikate der Iveco-Tochter Heuliez, in Amsterdam und Eindhoven von VDL und in Trondheim und Malmö von Volvo. In Regensburg fahren seit 2017 E-Busse des italienischen Herstellers Rampini Carlo.

Am radikalsten ging die chinesische Zwölf-Millionen-Metropole Shenzhen vor: Dort wurde der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) komplett auf Elektro-Busse umgestellt, hier fahren mehr als 16 000 E-Fahrzeuge des chinesischen Herstellers BYD herum. Zum Vergleich: Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamts waren 2017 in ganz Deutschland 79 400 Fern- und Stadtbusse zugelassen. Davon waren nur 183 rein elektrisch. 363 hatten Hybrid-Motoren, immerhin 1200 Gas-Antrieb.

Die Volkswagen-Töchter MAN und Scania sind noch später dran als Daimler: Beide Hersteller wollen 2020 in die Serienproduktion einsteigen. MAN wird auf der Nutzfahrzeug-Ausstellung IAA in Hannover im September einen Prototypen des Modells Lion's City E zeigen, danach soll es Erprobungen in Hamburg, München, Wolfsburg und Luxemburg geben.

Die Wende verschlafen?

Haben die Deutschen die Wende des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) weg von den lauten Diesel-Motoren hin zu leisen und lokal emissionsfreien Antrieben verschlafen? Nein, sagt Martin Daum, der im Vorstand für die Nutzfahrzeuge verantwortlich ist. "Daimler bietet eben keine Schönwetterlösungen an", betont er, "sondern nur ausgereifte Produkte, die auch bei allen Bedingungen funktionieren." Also auch auf bergigen Strecken und bei Kälte und Hitze - denn eine wirksame Klimatisierung trotz regelmäßig aufklappender Türen gilt bei ÖPNV-Bussen als größter Energiefresser.

Martin Daums Ziel sei es, wie bei den Verbrennern "auch bei den rein elektrischen Lkws und Bussen der weltweit führende Hersteller zu werden". Derzeit ist er das noch nicht. Den aktuellen Rückstand auf dem Markt will er aufholen, indem er mittelfristig auf Feststoff-Batterien und Brennstoffzellen setzt. Zudem will er den Städten und ihren Verkehrsbetrieben auch ein Beratungs- und Betreuungspaket anbieten: Daimler-Experten analysieren die Bedingungen der einzelnen Buslinien und schlagen die passende Ladeinfrastruktur vor. Sie schulen Fahrer und warten die Busse. So wollen sie den Stadtoberen die Angst vor der neuen Technologie und den dafür nötigen Investitionen nehmen.

Eine halbe Million Euro für den Elektrobus

Angesichts der Schadstoff-Belastung in Innenstädten und drohender Fahrverbote überlegen derzeit viele Kommunen, sich Elektrobusse anzuschaffen. Einige bemängelten bislang aber, dass es noch keine deutschen Fabrikate auf dem Markt gibt.

Nun ist Daimler soweit: Der E-Citaro basiert auf dem konventionellen Diesel-Modell Citaro und wird auf derselben Linie im Daimler-Buswerk Mannheim produziert. Die erste Serie wird zunächst mit Standard-Ladestecker zum nächtlichen Tanken im Depot angeboten, sie hat 150 Kilometer Mindest-Reichweite. 2020 soll der Bus schon 200 Kilometer schaffen - oder gar 250, wenn er mit Feststoffbatterien ausgestattet ist. Für das Jahr 2022 kündigt Daimler zusätzlich eine neue Brennstoffzelle an, sie soll die Reichweite auf 400 Kilometer erhöhen.

Billig ist der erste deutsche Strombus nicht: Ein Exemplar kostet mehr als eine halbe Million Euro. Das ist in etwa doppelt so viel wie der Diesel-Bruder. Doch die Anschaffung könnte sich im Lauf der Jahre amortisieren. Zum Beispiel, wenn die Stadtwerke selbstproduzierten Strom tanken anstatt teuer eingekauften fossilen Kraftstoff. Zudem kann man beim Bund Förderzuschüsse beantragen.

Einen entschlossenen Schritt in Richtung alternative Bus- und Lkw-Antriebe wird der italienische Hersteller Iveco auf der IAA machen. "Unser Messestand wird eine dieselfreie Zone sein", kündigte Iveco-Chef Pierre Lahutte am Mittwoch auf einer Veranstaltung des Verbands der Automobilindustrie (VDA) in Frankfurt an. Neben Batterie-Stadtbussen wird er auch Erdgas-Fahrzeuge zeigen.

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