Mobilitäts-Trends:Einmal in die Neuzeit, bitte

File illustration picture showing the logo of car-sharing service app Uber on a smartphone next to the picture of an official German taxi sign

Wettbewerber: Fahrdienste wie Uber machen dem angestammten Taxigeschäft zunehmend Konkurrenz.

(Foto: REUTERS)
  • Im Taxigewerbe wird schlecht verdient. Mit Angeboten wie Uber drohen nun auch internetbasierte Wettbewerber, die Gewinne noch weiter zu schrumpfen.
  • Für Fahrgäste ist der technische Fortschritt erfreulich und kompliziert zugleich. Je größer das Angebot, desto undurchsichtiger.
  • Doch es gibt auch Zwischenlösungen, die aus Verbrauchersicht interessant sind.

Von Steve Przybilla

Ein Mann, ein Taxi: Im TV-Tatort aus Münster ist der Vater des Kommissars ein Lohnkutscher. Ständig ist an seiner Karre etwas kaputt, und das Geld natürlich knapp. Also muss der Alt-68er im Nebenjob Marihuana verkaufen, um die Reparaturen an seinem Alt-Taxi zu bezahlen.

Die Zeiten sind nicht nur im Fernsehen hart. Auch im echten Leben sieht die wirtschaftliche Lage vieler Taxifahrer alles andere als rosig aus. Das Modell der rollenden Ich-AG existiert wirklich; auf rund 93 000 Taxen und Mietwagen kommen 36 000 Unternehmer in Deutschland. Obwohl die Zahl der Taxischeine streng reglementiert ist, herrscht bisweilen ein erbitterter Verteilungskampf, bei dem internetbasierte Wettbewerber kräftig aufholen. Viel bleibt den Kutschern, wie sich die Taxifahrer selbst nennen, am Ende nicht. Der monatliche Bruttoverdienst beträgt laut Branchenverband BZP im Schnitt gerade einmal 1470 Euro, ausgehend von einer 40-Stunden-Woche unter Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns.

Wie sehr sich viele Kutscher inzwischen in ihrer Existenz bedroht sehen, zeigte sich vor einem Jahr. Am 11. Juni 2014 protestierten Taxifahrer in ganz Europa gegen den amerikanischen Beförderungsdienst Uber, der zunehmend in ihrem Revier wildert. Das Geschäftsmodell von Uber ist unter Arbeitsrechtlern umstritten: Statt selbst Mitarbeiter zu beschäftigen, vermittelt das Unternehmen diejenigen, die bereit sind, sich freiberuflich hinters Steuer zu setzen. Uber lebt von der Vermittlungsgebühr, während die Fahrer sich mit einem mageren Verdienst begnügen müssen, der meist unterhalb der regulären Taxitarife liegt. Allein die Kunden profitieren, zumindest solange Uber seine Konkurrenz nicht vollständig verdrängt. Dann nämlich könnten die Preise schnell wieder steigen.

Taxler verdienen am Trinkgeld

Seit einigen Jahren streiten Gerichte weltweit darüber, ob Ubers Geschäftsmodell grundsätzlich zulässig ist - und was das Ganze für die Fahrgäste bedeutet. In Deutschland ist die Sache relativ klar: Wer Personen kommerziell befördert, braucht einen Taxischein. Auch Uber kommt daran nicht vorbei. Nach einem Urteil des Landgerichts Frankfurt senkte das Unternehmen deshalb die Fahrpreise auf 0,35 Euro pro Kilometer - der Selbstkostenpreis auf dem Niveau von Mitfahrzentralen. "Uber schaltet einen Gang zurück", hieß es daraufhin in einer Pressemitteilung des Unternehmens. Und: "Selbstverständlich respektieren wir das deutsche Rechtssystem."

Ob das so ist, darf bezweifelt werden. Wenn Uber-Chefstratege David Plouffe auf dem Weltverkehrsforum in Leipzig von Recht und Gesetz spricht, dann benutzt er nicht selten den Begriff "pre-GPS". Soll heißen: Die meisten Gesetze des Transportgewerbes stammen aus einer Zeit, in der es weder Navis noch Handys gab - folglich seien sie auf die heutige Zeit auch nicht anwendbar. Umberto de Pretto, Generalsekretär der internationalen Taxi-Gewerkschaft IRU, konterte in der Leipziger Expertenrunde: Das Geschäftsgebaren von Uber hielt de Pretto schlicht für illegal. "Regeln gibt es aus guten Gründen", sagt der Gewerkschafter, "außer natürlich, Sie glauben an Anarchie."

Was im Schatten der Uber-Debatte aber oft vergessen wird: Auch die Taxibranche nimmt es mit den Vorschriften oft nicht so genau. "In Städten wie Stuttgart werden etwa 40 Prozent der Flotte von Anbietern betrieben, die betriebswirtschaftlich gar nicht existieren könnten", sagt Thomas Krause, Geschäftsführer einer Consulting-Firma, die Kommunen und Genehmigungsbehörden in Taxi-Fragen berät. Krause ist überzeugt: "Wenn das, was in der Bilanz steht, der Wahrheit entsprechen würde, könnten viele Betriebe gar nicht existieren." Viele rechneten sich künstlich arm, besonders in Großstädten liege vieles im Argen. "Hier sind vor allem die Genehmigungsbehörden gefragt, die in der Vergangenheit mehr oder weniger flächendeckend weggeschaut haben", sagt Krause. Es gebe aber auch positive Beispiele, etwa aus Hamburg. Seit der Senat dort eine harte Linie fahre, seien dort deutlich weniger illegale Taxis auf den Straßen unterwegs.

Vereint im Kampf gegen Uber - aber sonst?

Auch "normale" Taxen lassen sich seit Längerem über Apps wie "Taxi Deutschland" oder "Cab4Me" bundesweit ordern. "In 90 Prozent der Städte funktioniert das schon", beteuert Michael Müller, Vorsitzender des Branchenverbandes BZP. Die Auseinandersetzungen mit Uber hätten das zerklüftete Gewerbe zusammengeschweißt: "Ein gemeinsamer Gegner eint."

Und doch sorgen auch Apps, die nichts mit Uber zu tun haben, für Streit. So erwirkten die Stuttgarter Taxifahrer eine einstweilige Verfügung gegen die App "MyTaxi", die zum Daimler-Konzern gehört. "MyTaxi" hatte einen Rabatt von 50 Prozent auf Taxi-Bestellungen angeboten - "wettbewerbswidrig nach vorläufiger Rechtsauffassung", urteilte die Richterin, da in Deutschland die lokalen Behörden die Taxipreise festlegen. Auch das endgültige Urteil, das in dieser Woche gefällt wurde, hat die Rabattaktion für unzulässig erklärt.

Großes und undurchsichtiges Angebot

Für Fahrgäste ist der rasante technische Fortschritt erfreulich und kompliziert zugleich. Erfreulich, weil schon ein Smartphone genügt, um das nächstgelegene Taxi/Uber/Mietauto zu rufen. Kompliziert, weil die Zahl der Angebote rapide steigt - und damit die Frage, welches denn nun das richtige ist. Taxi-Gewerkschafter Umberto de Pretto stellt die Gretchenfrage: "Fast jeder hat einen Führerschein, aber bedeutet das auch, dass man dadurch automatisch ein Taxiunternehmer wird?" Bevor man irgendwo einsteige, solle man ein paar grundsätzliche Überlegungen anstellen: Ist das Fahrzeug legal unterwegs? Bestehen technische Mängel? Verfügt der Fahrer über eine ausreichende Versicherung? Die Stoßrichtung ist klar: Um mit Ja zu antworten, muss der Fahrgast ein "echtes" Taxi bestellen.

Doch es gibt auch Zwischenlösungen, die aus Verbrauchersicht interessant sind, gerade für längere Strecken. Auf Portalen wie "Blablacar" etwa stellen Privatpersonen ihre Fahrten ins Netz. Diese sind häufig günstiger als die Bahn oder Fernbusse, weil Privatfahrer keinen Gewinn machen dürfen. Ein Beispiel: Wer sich auf Blablacar umschaut, kann eine Fahrt von Köln nach München schon für 28 Euro ergattern. Die Bahn verlangt für dieselbe Strecke regulär 142 Euro - und selbst der 29-Euro-Sparpreis wäre einen Deut teurer als das Angebot der Mitfahrzentrale.

Auch konventionelle Taxis lassen sich per App ordern

Ein weiterer Vorteil: Nach dem Ebay-Prinzip können Mitfahrer ihren Kutscher bewerten - und umgekehrt. "Weil sie das wissen, fahren die Leute deutlich vorsichtiger", sagt Blablacar-Gründer Frédéric Mazzella. Bei einer Umfrage unter den Nutzern habe man herausgefunden, dass 75 Prozent die Verkehrsregeln "genau befolgen", sobald Mitfahrer im Auto sitzen (der Vergleich zur Alleinfahrt wäre spannend, erschließt sich aus der Umfrage aber leider nicht). Wer auf blank geputzte Karosserien und neueste Technik keinen Wert legt, kann inzwischen sogar komplette Autos - ohne Fahrer - von Privatpersonen mieten. Portale wie "Tamyca" führen Besitzer und Interessenten zusammen und verdienen, ähnlich wie Uber, ihrerseits an der Vermittlung.

Was für nichtkommerzielle Anbieter gilt, ist bei alteingesessenen Unternehmen nicht anders. Die meisten Urlauber buchen ihren Mietwagen heute nicht mehr am Madrider Flughafen, wo er sündhaft teuer ist, sondern klicken sich zuvor durch heimische Portale wie "Billiger Mietwagen.de" oder "Sunnycars". Dort lassen sich nicht nur Preise und Ausstattungsmerkmale vergleichen, sondern auch die Qualität der lokalen Vermieter. Eine Hinterhofklitsche, die nur Rostlauben anbietet, wird spätestens nach der dritten Kundenbewertung ihr Geschäftsgebaren gründlich ändern müssen.

Bleibt nur ein Wermutstropfen, den die sogenannte Shared Economy mit sich bringt: Selbst der letzte Winkel der Fortbewegung wird kommerzialisiert, blechen statt trampen ist angesagt. Wer über Blablacar, Uber, MyTaxi oder Tamyca ein Auto bestellt, handelt immer auch ein bisschen wie auf einer Singlebörse: Suchen, bis das Ergebnis hundertprozentig passt. Mit Abenteuer und Roadtrip-Romantik hat das alles nichts mehr zu tun. Was würde bloß Alt-Hippie Herbert Thiel aus dem Tatort dazu sagen? Und wer würde noch bei ihm einsteigen?

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