Mobilität der Zukunft:Im Aufsitzmäher durch die Lüfte

Pop.Up Next Audi Italdesign Airbus

"Pop.Up Next" ist eine Passagierkabine, die sich mit einem Auto- oder einem Flugmodul koppeln lässt.

(Foto: Audi)

Schon bald sollen autonome Flugtaxis Realität werden. Viele deutsche Firmen treiben deren Entwicklung voran. Das zentrale Problem ist für alle dasselbe: die Sicherheit.

Von Joachim Becker

Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Bislang sind Elektroflieger eher Technikspielzeuge. Dass Drohnen auch Personen transportieren, erscheint als ziemlich mutige Geschäftsidee. Wenn so eine XXL-Drohne abhebt, ist das Aufsehen jedoch gewaltig. Der Chiphersteller Intel ließ Anfang des Jahres einen zweisitzigen Volocopter über die Bühne schweben. Das hochfrequente Surren von 18 Rotoren erinnerte an eine Horde elektrischer Rasenmäher. Zum Glück wurde das Biest auf der Elektronikmesse CES nur kurz hinter Gittern vorgeführt. Dann kehrte Intel-Chef Brian Krzanich auf den Boden der Tatsachen zurück - und redete über autonomes Fahren.

Wie ihre großen Vorbilder machen Kleinhubschrauber viel Wind, wenn sie senkrecht starten und landen. Der Unterschied ist das viel geringere Gewicht von wenigen Hundert Kilogramm, der elektrische Antrieb und eine stadtverträgliche Lärmentwicklung. Können solche VTOL ("Vertical Take-Off and Landing") helfen, den urbanen Verkehr zu entlasten? "Unser Volocopter spart Zeit, ist sicher, emissionsfrei und leise. Er ist das modernste Fortbewegungsmittel für Städte weltweit", behaupten die Gründer des Start-ups aus dem baden-württembergischen Bruchsal. "Wir glauben: Fliegen für alle soll kein Traum bleiben, sondern Realität werden."

Nicht nur Menschen mit Höhenangst sehen die dritte Dimension des Nahverkehrs dagegen als Bedrohung. Nach dem tödlichen Unfall mit einem Uber-Testauto vor wenigen Wochen stehen selbststeuernde Maschinen unter verstärkter öffentlicher Beobachtung. Gesteigert wird das Unbehagen gegenüber der raumgreifenden Robotertechnik durch die Schwarmgröße. Wo heute schon einzelne Drohnen als Störenfriede empfunden werden, muss ein Himmel voller Lufttaxis ohne Piloten wie ein futuristischer Alptraum erscheinen.

Trotzdem haben die Passagierdrohnen Aufwind. Einer, der keine Angst davor hat, dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt, ist Markus Söder. Vorige Woche schafften es die noch weitgehend unbekannten Flugobjekte in die Regierungserklärung des bayerischen Ministerpräsidenten. "Das Flugtaxi ist ein Verkehrsmittel der Zukunft. Bayern hat hier schon starke Firmen", erklärte Söder, "wir wollen die führende Pilot- und Produktionsregion werden." Einer der Technologieleuchttürme, auf den er sich bezieht, ist der "Pop.Up Next": Audi, Italdesign und Airbus tüfteln an einer futuristischen Passagierkabine, die sich entweder mit einem Auto- oder einem Flugmodul koppeln lässt.

Der Jungfernflug soll Ende 2018 stattfinden

Was selbst Audi-Einkaufsvorstand Bernd Martens als "ambitionierte Vision" bezeichnet, hat zumindest Ähnlichkeiten mit dem City-Airbus, den der Konzern auch in Taufkirchen bei München entwickelt. Dort wurde jüngst der Bodenprüfstand für elektrisches Fliegen eingeweiht. Auf dem ersten vollelektrischen Prüfstand kann die gesamte Antriebssystemkette erprobt werden - von der Flugsteuerung bis hin zu den dynamischen Belastungen der Propeller. Sobald der elektrische Antrieb von Siemens seine Reife auf der Anlage nachgewiesen hat, wird er Mitte 2018 in den Demonstrator "Iron-Bird" integriert. Der Jungfernflug soll Ende 2018 stattfinden. Schon jetzt ist der "Eisenvogel" einer der Stars auf der gerade laufenden Internationalen Luftfahrtmesse (ILA) in Berlin.

Neben den Großfliegern auf dem Flugfeld in Berlin-Schönefeld nehmen sich die batteriebetriebenen Senkrechtstarter äußerst bescheiden aus. Trotzdem spricht die ILA bereits vom "Durchbruch beim unbemannten Fliegen": "Weltweit entwickeln Ingenieure völlig neue Konzepte und Geschäftsmodelle wie autonome Flugtaxis." Ob und wann der City-Airbus in Serie geht, ist aber unsicher. Momentan haben Start-ups wie Lilium Aviation die Nase vorn. Die junge Firma aus Gilching bei München will mit ihrem elektrischen Drehflügler mit Stummelflügeln nicht nur 30, sondern 300 Kilometer weit fliegen. Auch das Tempo ist mit 300 Stundenkilometer schneller als beim Volocopter. Doch das zentrale Problem bleibt für alle Ultraleichtflugzeuge dasselbe: die Sicherheit.

Genauso hohe Hürden wie beim autonomen Fahren

So schön das Bild von den fliegenden Gondeln auch ist, die Menschen und Güter ohne Tragseil transportieren: Keine Stadt wird derartige UFOs über den Köpfen ihrer Bewohner dulden, wenn die Systeme nicht sicher funktionieren. Im September 2017 schwebte ein Volocopter beim Jungfernflug acht Minuten unfallfrei und autonom zwischen den Hochhäusern von Dubai: Das Emirat will bis 2030 ein Viertel seines Verkehrs auf autonomen Transport umstellen. Eine unbemannte Flugdrohne mit 290 Kilogramm Leergewicht muss aber nicht nur in tückischen Windströmungen sicher navigieren, sondern immun gegen Hackerangriffe sein. Deshalb sind die Mini-Helikopter vor allem eine Wette auf die Verlässlichkeit der Digitalisierung.

Ohne streng überwachte Flugkorridore und eine enge Netzanbindung an eine Leitstelle mit der Möglichkeit zur Fernsteuerung wird die neue Freiheit des Fliegens nicht gelingen. Deshalb ist das Rechenbeispiel, das Lilium für den Transport von Manhattan zum New Yorker Flughafen JFK aufmacht, reichlich optimistisch: Die Flugpioniere wollen die 26 Kilometer lange Taxistrecke mit einer Stunde Fahrtzeit durch einen Fünf-Minuten-Flug ersetzen. Statt eines Taxi-Preises von 56 bis 73 Dollar soll der Taxiflug ohne Chauffeur weniger als die Hälfte kosten und mittelfristig nur sechs Dollar betragen.

Letztlich sind die technischen und regulatorischen Hürden jedoch genauso hoch wie beim autonomen Fahren. Deshalb bedankt sich Volocopter-Mitgründer Alex Zosel für die warmen Worte des bayerischen Ministerpräsidenten: "Wir freuen uns sehr über diese Ankündigung, weil jede politische Unterstützung das Zulassungsverfahren in Deutschland und Europa beschleunigen kann." Volocopter verfügt zwar über eine vorläufige Fluglizenz in Deutschland, doch mit autonomen Objekten kennt sich bei den Behörden noch keiner aus. Der Marsch durch die Instanzen dürfte herausfordernd werden.

Daimler sieht bei Volocopter dennoch mehr Chancen als Risiken: 2017 haben sich die Stuttgarter in einer Finanzierungsrunde mit über 30 Millionen Euro als Anker-Investor und Technologie-Partner beteiligt. "Für uns als integrierten Mobilitätsanbieter war es selbstverständlich, dass wir uns schon 2015 mit Volocopter und anderen Konzepten beschäftigt haben", sagt Susanne Hahn. Die Leiterin von Daimlers "Innovationsmaschine" Lab1886 sitzt im Beirat von Volocopter und sieht gute Fortschritte in der Abstimmung mit den Behörden: "Eventuell wird autonomes Fliegen sogar schneller realisiert werden als autonomes Fahren. Dann kann die zweite Dimension der Mobilität von der dritten durchaus profitieren."

An Geld mangelt es den Start-ups nicht

Tatsächlich laufen beide Entwicklungen parallel. Bei Batterietechnik, Automatisierung und der Serienfertigung von Leichtbauteilen profitieren sowohl Autohersteller als auch Luftfahrtpioniere von denselben technischen Fortschritten. An Geld mangelt es den Start-ups jedenfalls nicht. Im vergangenen Herbst hat Lilium Aviation 80 Millionen Euro für die nächste Entwicklungsstufe seines Fluggeräts eingesammelt. Zu den Geldgebern gehörte auch der chinesische Internetriese Tencent. Volocopter hat seinerseits den Chiphersteller Intel als Partner für alle Rechenaufgaben an Bord geholt.

Der bemannte Erstflug mit Intel-Chef Brian Krzanich und die Volocopter-Flugpremiere während der CES waren vor allem eins: gute Unterhaltung. Sie sollte auch von den jüngst bekannt gewordenen Sicherheitslücken bei Intel-Chips ablenken.

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