Mittelklasse-Limousine im Fahrbericht:BMW hat dem 5er die Ecken und Kanten abgeschliffen

Der neue BMW 5er.

Die Preise für die neue BMW-5er-Limousine starten bei 45 200 Euro.

(Foto: BMW Group)

Der neue Business-BMW macht kaum etwas falsch, aber er macht auch nicht alles richtig. Und die traditionsbewussten Fans fragen sich: Wo sind die Emotionen geblieben?

Test von Georg Kacher

Schnörkelloses Design und erfrischende Dynamik: Der 5er hat den Geschmack des zahlungskräftigen Publikums getroffen. Als sportlichste Businesslimousine verwies er Mercedes E-Klasse und Audi A6 auf die Plätze. Jetzt soll der Nachfolger den Platz an der Sonne weitere sieben Jahre lang verteidigen. Also wurden 100 Kilogramm Gewicht abgespeckt und der Anzug nur etwas aufgebügelt. Dazu kommen sparsamere Antriebe, ein familien- und langstrecken-kompatibler Komfort sowie erstmals LED-Licht ohne Aufpreis und ein Fächer von Assistenzsystemen.

Hat BMW auch diesmal alles richtig gemacht? Testfahrten im 540i und 530d xDrive geben Aufschluss.

Endlich ein Innenraum auf Mittelklasseniveau

Der neue 5er ist im Prinzip ein kleiner 7er, welchen man in der Version mit kurzem Radstand aus dem Programm nehmen könnte, ohne dass es auffallen würde. Die Werkstoffe im Innenraum sind jetzt endlich auf Mittelklasseniveau, die Ausstattung hat auf Wunsch Oberklasseformat, die Verbrauchswerte reflektieren auf dem Papier die Genügsamkeit der Kleinwagenklasse. Das alles war zu erwarten.

Überrascht haben uns dagegen neue Qualitäten wie das sehr niedrige Geräuschniveau und das geschmeidige Fahrwerk. Auch der Diesel ist ab sofort ein Leisetreter, der 540i klingt sogar unter Volllast artig, beide Modelle sind selbst ohne die von Audi und Mercedes propagierte Luftfederung richtig komfortabel. Wie zu erwarten, wirkt die Runflat-Variante bis 50 km/h etwas spröder.

Die Preise starten bei 45 200 Euro

Die meisten Kunden werden sich aus Budgetgründen vermutlich für einen Vierzylinder entscheiden. Trotzdem beginnt die Preisliste erst bei 45 200 Euro für den 520d Schalter mit 140 kW (190 PS). Auch der 530i mit 185 kW (252 PS) ist jetzt ein 2,0-Liter-Vierzylinder. Trotzdem kostet er bereits 49 800 Euro. Als günstigster Sechszylinder steht der 530d (195 kW / 265 PS) mit 54 300 Euro im Programm. Alle Versionen außer dem Plug-in-Hybrid können mit Allradantrieb bestellt werden, der im M550i mit (340 kW / 462 PS) und 550d (300 kW / 408 PS) Serie ist.

BMW hat zwar Stahlfelgen und Xenonlicht aus dem Programm genommen, doch die Aufpreisliste ist so dick wie das Telefonbuch von Mühldorf am Inn. Das große Assistenzpaket, Navigation und Telefonie schlagen mit 5000 Euro zu Buche. Der schlüssellose Komfortzugang kostet den Kunden 890 Euro - darf's auch ein bisschen weniger sein?

Perfektion statt Emotion

Weil man nicht nur in Ingolstadt auf Vorsprung durch Technik setzt, gibt's den 5er auf Wunsch mit xDrive, Wankstabilisierung, Integral-Aktiv-Lenkung (beaufschlagt alle vier Räder), Sportbremse und Verstelldämpfern. Macht 7950 Euro - aber macht es auch Sinn? Allrad kann in unseren Breiten durchaus nützlich sein, der Mehrwert der übrigen Bausteine erschließt sich erst beim Einparken oder auf dem Weg in den Grenzbereich. Auch ohne diese Extras verzögert die siebte 5er-Generation nachhaltig, baut rasch Grip auf, bringt die Kraft nahezu verlustfrei auf den Boden, wechselt zielgenau die Richtung und gibt dem Fahrer das Gefühl, in bester Obhut zu sein.

Diese fahrdynamische Balance macht den BMW zum kompetenten Allrounder, doch die Begeisterung hält sich anfänglich in Grenzen, denn Kompetenz ist eben auch ein Schritt hin zu Perfektion und ein Schritt weg von Emotion. Dem G30 fehlen ein paar Ecken und Kanten, ein paar Spitzen und Allüren, die man bewusst abgeschliffen und weggebügelt hat. Die Rede ist von zackigem Einlenken, dem reflexartigen Biss beim Tritt auf die Bremse, den Hummeln im Heck am Kurvenausgang, dem harten Hochschaltkick bei voller Beschleunigung, dem latenten Drang der Maschine, den Menschen zu fordern.

Die Sprachsteuerung überzeugt vollkommen

Vielleicht hat sich dieses fordernde Element auch nur verlagert, und zwar auf die Bedienebene. Wobei sich die Frage stellt, wofür es gut sein soll, bis Tempo 210 für ein paar Sekunden die Hände vom Lenkrad und die Augen von der Straße nehmen zu können? Was hilft ein weitgehend redundanter Touchscreen, wenn ihn selbst groß Gewachsene nur nach Verbeugung erreichen können? Ist der über den Blinker aktivierte, aber wiederholt abgebrochene automatische Spurwechselversuch wirklich eine Vertrauen bildende Maßnahme?

Doch wo Schatten ist, ist auch Licht. Die tolle Sprachsteuerung überzeugt auf der ganzen Linie, das größere Head-up-Display setzt wieder Maßstäbe, die Parkplatzsuche übernimmt künftig das Auto. Trotzdem macht sich am Ende eine gewisse Hilflosigkeit breit, denn die geballte Ergonomie-Offensive hat Aufmerksamkeit und Energie gekostet. Statt abgelenkt in Untermenüs zu kramen und Tastenfolgen zu verinnerlichen, wünscht man sich, mit dem Auto reden zu können - zum Beispiel, um Kurzbefehle zu deponieren, die über das hinausgehen, was die Lenkradtasten können.

Der neue 5er macht kaum etwas falsch, aber er macht auch nicht alles richtig. Ein erschwingliches M-Performance-Modell wäre ein nettes Friedensangebot an die Gusseisernen, die nächste Stufe des Bedienkonzepts muss ab 2018 entzerren und vereinfachen, die Faszination der Digitalisierung darf nicht zum Selbstzweck werden. In Bezug auf voll autonomes Fahren und Elektromobilität straft diesen BMW (und den neuen 3er) das Schicksal der frühen Geburt, aber gegen A6 und E-Klasse sollte es trotzdem reichen für die zwischenzeitliche Poleposition.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: