Süddeutsche Zeitung

Mit dem Fahrrad zur Arbeit:Radeln, Sparen, Gewinnen

Ein Fahrrad kann viel mehr sein als ein reines Freizeitobjekt. Immer mehr Angestellte fahren damit zur Arbeit. Das hilft nicht nur der Gesundheit und der Umwelt, sondern hat auch finanzielle Vorteile.

Von Harald Freiberger

Peter Moritz, 50, fährt jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit. Das wäre nichts Besonderes, hätte er es nicht so weit: Der Vater dreier Töchter wohnt in Wiesbaden und arbeitet als IT-Experte bei der Commerzbank in Frankfurt. Die kürzeste Strecke beträgt 45 Kilometer, aber manchmal fährt er eine Extraschleife durch den Taunus, dann können es auch 100 Kilometer werden - einfach. Und das nicht nur zur Sommerzeit. Lediglich bei Glätte oder wenn er wichtige Termine hat, nimmt Moritz mal das Auto. Auf 15 000 Kilometer kommt er so im Jahr mit dem Rad. Seit 14 Jahren macht er das schon. Moritz hat einmal ausgerechnet, wann er die mittlere Entfernung zwischen Erde und Mond, 384 000 Kilometer, zurückgelegt haben wird. In etwa zehn Jahren ist es so weit.

Peter Moritz ist ein Extremfall, aber kein Einzelfall. Und es ist auch kein Zufall, dass er bei der Commerzbank arbeitet. Die Personalabteilung des zweitgrößten deutschen Kreditinstituts fördert ihre Mitarbeiter schon lange, wenn sie statt per Auto oder S-Bahn mit dem Rad zur Arbeit kommen. So können die Beschäftigten seit Mai bis zu zwei Fahrräder leasen und die Leasingrate steuerlich geltend machen.

Noch sind Radfahrer in der Minderheit

250 Mitarbeiter haben das Angebot bereits in Anspruch genommen. Seit September stehen vor den fünf Frankfurter Standorten außerdem 50 Firmenfahrräder. Diese können Mitarbeiter für Kundentermine nutzen oder um zu einem anderen Standort zu kommen. Dafür haben sich bereits 2600 Mitarbeiter registrieren lassen. "Wir fördern die Gesundheit unserer Mitarbeiter, gleichzeitig entlasten wird die Umwelt, indem wir unsere CO₂-Bilanz reduzieren", sagt Personalvorstand Frank Annuscheit.

Noch sind Radler deutlich in der Minderheit: 21 Millionen Deutsche (66 Prozent) fahren mit dem Auto in die Arbeit, aber nur 2,8 Millionen (neun Prozent) mit dem Fahrrad. Doch Markus Beyersdörfer, der das Leasing-Angebot der Commerzbank verantwortet, weiß, dass es immer mehr werden: "Sie haben keine Lust, sich über verstopfte Straßen und die Parkplatzsuche in der Innenstadt zu ärgern", sagt er.

Geld sparen per Fahrrad-Leasing

Einer der Mitarbeiter, der das Leasing-Angebot nutzt, sitzt in Hamburg und heißt Dennis Mischkowski, 33. Der Privatkundenberater hat zwei Fahrräder über den Arbeitgeber geleast, ein Mountainbike und ein Crossrad. Die Leasingraten von rund 90 Euro im Monat werden vom Bruttogehalt abgezogen, er muss dafür einen geldwerten Vorteil von einem Prozent des Anschaffungspreises versteuern, ähnlich wie bei einem Dienstwagen. Unterm Strich spart er Steuern und Sozialabgaben.

Auf diese Weise fördert auch der Fiskus das Radeln. Eine Beispielrechnung für ein Brutto-Tarifgehalt von 4159 Euro im Monat: Wenn der Mitarbeiter ein Rad im Wert von 2100 Euro least, bei dem die monatliche Leasingrate 74 Euro beträgt, liegt sein Nettogehalt nur 49 Euro niedriger, das heißt, er spart 25 Euro Steuern und Sozialabgaben. Unterm Strich kommt ihn das Leasing 20 Prozent billiger, als wenn er das Rad gekauft hätte.

Mischkowski macht wie 400 andere Commerzbanker auch bei der bundesweiten Aktion "Mit dem Rad zur Arbeit" mit, die der Fahrradclub ADFC und die Krankenkasse AOK schon in den 1990er-Jahren aus der Taufe gehoben haben. Der ADFC tut es aus verkehrspolitischen Gründen, er will mehr Arbeitnehmer vom Auto auf das Rad locken. Die AOK will die Gesundheit ihrer Mitglieder fördern.

"Wie in einem Heimatfilm"

Wer mitmacht, verpflichtet sich jedes Jahr, im Sommer mindestens 20-mal den Arbeitsweg oder einen Teil davon mit dem Fahrrad zurückzulegen. Fast 70 000 Beschäftigte haben das in diesem Jahr getan, oft in Gruppen, bei Arbeitgebern wie Daimler, BASF, Telekom, Lufthansa oder Allianz. Gemeinsam haben sie 20,5 Millionen Kilometer zurückgelegt - soviel wie sechseinhalb mal von der Erde zum Mond.

Am Ende gibt es eine Verlosung. Doch das ist nicht die Hauptsache. Es gilt das olympische Prinzip: Dabeisein ist alles. "Vor allem geht es darum, ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es möglich ist, mit dem Rad an den Arbeitsplatz zu kommen", sagt René Filippek vom ADFC. Viele hielten das Rad für ein reines Freizeitgerät und könnten sich gar nicht vorstellen, dass man damit eine Strecke von fünf Kilometern ideal bewältigen könne. Und für schlechtes Wetter gebe es Regenbekleidung. "Wenn man auf dem Firmenparkplatz die Autoschilder sieht, weiß man, dass viele den Arbeitsweg mit dem Rad bewältigen könnten", sagt Filippek. Die Aktion sei ein bisschen wie bei den Weight Watchers: Es wird protokolliert, wer wie oft wie viele Kilometer fährt. Aber es gehe nicht um die Anzahl der Kilometer, sondern darum, dass man es überhaupt tut.

Commerzbank-Mitarbeiter Mischkowski fährt in der Regel einmal die Woche den Heimweg von Hamburg zu seinem Wohnort Lüneburg, 62 Kilometer. "Seit ich das mache, bin ich viel fitter und habe neuen Schwung", sagt er. Der Weg führt ihn vom Hamburger Hafen über den Deich an Wiesen mit Schafen vorbei: "Wie in einem Heimatfilm."

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Quelle:
SZ vom 04.11.2014/harl
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