"Jetzt fahren wir los mit dem extrem praktischen aber extrem hässlichen Auto", sagt meine Frau zu unserer Tochter, als sie das erste Mal in den Dacia Lodgy steigen. Die verzieht keine Miene, blubbert vor sich hin und drückt lieber ihr Schnuffeltuch. Das ist sie also, die erste Reaktion auf den billigsten Minivan auf dem Markt. Überhaupt Minivan, das ist so ein Wort, bei dem jeder Nicht-Vater die Nase rümpft. Das riecht nach Windeln, Pudding auf den Sitzen, "Emilie"- und "Pascal"-Aufklebern auf der Heckscheibe.
Aber wenn sich die eigene Familie vergrößert, werden andere Dinge als Schnelligkeit, Design oder Fahrspaß bei einem Auto wichtig. Zuverlässigkeit, Stabilität und vor allem Platz. Davon hat der Dacia mehr als genug. Fast 2600 Liter fasst sein Kofferraum bei umgeklappter Rückbank. Mit Sitzreihe passt noch immer ein kompletter Wochenendeinkauf hinein. Und mit Begeisterung räumt meine Frau den Kinderwagen hinein. Aufrecht stehend. Das schafft zu diesem Preis kein anderes Auto. Denn das muss man sich immer wieder vor Augen halten: Der Dacia Lodgy kostet gerade einmal 9990 Euro in der Basisversion. In dieser Preiseregion gibt es bei den meisten anderen Herstellern nicht einmal einen Kleinwagen.
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Leder, das sich wie Plastik anfühlt
Dafür muss man einige Abstriche in Kauf nehmen. Man merkt dem Dacia seinen Preis an. Als ich das erste Mal den Türgriff in der Hand halte, habe ich tatsächlich für einen kurzen Moment Angst, ihn abzureißen. So wie eine Knabberei am Lebkuchenhaus aus "Hänsel und Gretel". Die riesige Kofferraumklappe ist nicht einmal verkleidet. Das nackte Blech starrt mir entgegen. Der Sitz lässt sich nicht weit genug zurück schieben, so dass ich eher wie auf einem Schreibtischstuhl throne. Beim Gas geben bleibt ein ums andere Mal mein Fuß an der Innenverkleidung hängen. Selbst das aufpreispflichtige Leder an Lenkrad und auf den Sitzen fühlt sich irgendwie billig an. Mehr wie das Plastik, das den Rest des Innenraumes beherrscht.
Aber der Dacia tut das, was er soll. Mit gerade einmal 115 PS ist er ausreichend motorisiert, die Schaltung arbeitet tadellos, das Fahrwerk ist robust, aber nicht unangenehm. Und ABS, ESP und Servolenkung gibt es mittlerweile auch serienmäßig. Der Dacia ist ein Auto für alle jene, die sich ein Fahrzeug aus dem fundamentalsten Grund überhaupt zulegen: um von A nach B zu kommen. Denen Image und Aussehen vollkommen egal sind. Die nicht bereit sind ein halbes Jahresgehalt und mehr für ein Auto auszugeben. Nur damit die richtige Marke auf dem Kühlergrill prangt.
Ein Gebrauchtwagen im Neuzustand
Dass sich die Deutschen vor allem Neuwagen zulegen, ist sowieso ein Mythos. Fast zwei Drittel der Neuwagenkäufe jedes Jahr sind Firmenzulassungen. Der größte Teil der Autofahrer kauft gebrauchte Fahrzeuge. Mit steigender Tendenz. Für die ist der Dacia Lodgy mit der jahrelang bewährten Technik aus älteren Renault-Modellen eine echte Alternative. Er ist ein Gebrauchtwagen im Neuzustand. Wer ein vergleichbares Auto zum gleichen Preis möchte, muss mehrere Jahre Verschleiß und Laufleistungen ab 100 000 Kilometern in Kauf nehmen.
Das Problem ist nur: Für viele sind Autos auch ein ästhetisches Objekt. Auch für mich. Wenn man schon Geld ausgibt, dann doch für etwas, dass man auch optisch ansprechend findet. Zwar sieht der Dacia Lodgy nicht mehr so schlimm aus wie die ersten Modelle der Rumänen, die ein Ostblockcharme umwehte, doch noch immer stimmen die Proportionen nicht. Ein viel zu langer Radstand, ein sehr hohes Dach. Der Dacia ist eher ein Kastenwagen auf Kleinwagenniveau. Ein Minivan durch und durch. Versuchen Sie das mal einer Partnerin zu erklären, die Modedesign studiert hat. Wie in meinem Fall.
Für die Ästheten unter den Autokäufern hat Renault den neuen Espace entworfen. Der war einmal wie der Dacia: ein Auto für die Großfamilie, getreu dem Motto "Form follows function". Ein typischer Minivan: groß und geräumig. Sexy war er nicht. Also ließ sich Renault bei der Neuauflage von der Klasse inspirieren, die die größten Wachstumsraten aufweist: SUVs. Das Ergebnis nennt sich dann Crossover. Der Espace will laut Hersteller alles sein: SUV, Van und Limousine. Und das auch noch hübsch verpackt.
Zumindest letzteres ist gelungen. Die Frau sagt: "Der ist aber schön!" Die Freunde: "Das ist ja wie in einem Raumschiff!" Nur die Tochter, die drückt ihre Backe weiterhin ans Schnuffeltuch. Und tatsächlich sieht der Espace von außen aus wie ein Van aus dem Weltraum. Auf riesigen Rädern.
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Im Inneren geht es noch tiefer ins All. Ich bin begeistert. Hier hat sich der Designer wirklich Mühe gegeben. Das könnte auch eine Steuereinheit bei "Star Trek" sein. Mit genauso vielen Spielereien. Was es da alles gibt! Ein Display, so groß wie ein iPad Mini, das auch so gut funktioniert! Ein Fahrmodus, in dem der Sitz automatisch den Rücken von Mama und Papa massiert! Ein Head-up-Display, das wie ein Visier ausfährt! Kameras, Abstandsmesser, Fahrassistenzsysteme! Und verschiedene Innenbeleuchtungen, die der eigenen Stimmung angepasst werden können. Die Frau ruft sofort: "Stell mal auf Lila!" Braucht man das? Nein. Macht es trotzdem Spaß? Natürlich!
Bloß kein Minivan-Mief
Bei so viel Ablenkung vergesse ich fast das Fahren. Das kann der Renault nämlich auch. Der Unterschied zum Dacia ist gravierend. Im neuen Espace reist die ganze Familie wie auf Wolken. Vom Straßenbelag bekommt man kaum etwas mit, der Van gleitet eher, als dass er fährt. Sofort schläft die Tochter ein. Die Innenausstattung ist makellos, mit viel Leder, das sich auch so anfasst. Die Automatik arbeitet kaum merklich, die verschiedenen Fahrmodi tun das, was ihr Name verspricht: Eco, Normal und Sport. Das ist tatsächlich ziemlich beeindruckend. Der Espace versucht alles, um den Mief des Minivans loszuwerden. Als Werbefigur kaufte man sogar Schauspieler Kevin Spacey ein. Hier schreit alles: Das ist nicht nur ein Fortbewegungsmittel, das ist ein Lebensgefühl!
Bis der Blick auf den Preis fällt. 33 500 Euro. So viel ist mindestens für den Espace fällig, in der schwächsten Motorisierung mit 130 PS. Ein teures Lebensgefühl, das mehr als dreimal so viel kostet, wie der Dacia Lodgy. Ist der Renault deswegen dreimal so gut wie sein rumänischer Bruder? Ja. Ist er deswegen das bessere Familienauto? Nein. Der Dacia kann alles, was der Espace auch kann. Zumindest das, was man wirklich braucht. Er fährt, er hat Platz, er ist billig. Und besitzt im Vergleich zum Renault einen entscheidenden Vorteil: Er ist nicht allzu hübsch. Wenn hier der Nachwuchs seinen Schokoriegel quer über das Sitzpolster zieht oder mit einem Filzstift die Inneneinrichtung dekoriert, schmerzt es bei weitem nicht so sehr, wie im Espace. Praktisch, aber ganz schön hässlich sein kann eben auch Vorteile haben.