Mini und die Zukunft:Weniger soll mehr sein

Mini-Konzeptstudie Superleggera.

Die Roadsterstudie von Mini könnte 2017 auf den Markt kommen, mit einer Kombination aus Elektro- und Benzinmotor.

(Foto: dpa-tmn)

Vor nicht allzu langer Zeit standen bei Mini alle Zeichen auf Expansion und Wachstum. Damit ist jetzt Schluss. Weniger grell, aber dafür nachhaltiger will die Lifestyle-Marke werden. Und anstatt vieler Modelle sollen es "Superheroes" richten.

Von Georg Kacher

Die Mini-Absatzzahlen für 2014 sind im Vergleich zum Vorjahr nicht berühmt, aber das ist kein Grund zur Sorge, denn jeder Modellwechsel hat eine flache Anlaufkurve für den Nachfolger und eine gewisse Kaufzurückhaltung für jene Varianten zur Folge, die zeitnah abgelöst werden. In den nächsten Monaten präsentiert die BMW-Tochter den formal nur bedingt überzeugenden Viertürer und die zweite Auflage des Clubman, die mit vier Türen und deutlich mehr Platz auf Kundenfang geht.

Vor nicht allzu langer Zeit standen bei Mini alle Zeichen auf Expansion und Wachstum. Dreizehn verschiedene Kandidaten buhlten um die Gunst der Entscheider: Zweitürer, Viertürer, Clubman, Countryman, Cabrio, Coupé, Roadster, Limousine, Paceman, Rocketman, SUV, Minivan, Traveller. "Eine derart extreme Spreizung ist Nonsense", befand der Vorstandsvorsitzende Norbert Reithofer, und damit war klar, dass er Mini anders zu positionieren gedachte. "Weniger grell, aber dafür nachhaltiger. Und nicht per se als Vollsortimenter, sondern als sinnvolle Ergänzung zum Project-i-Portfolio und zu den UKL-Modellen von BMW."

Auf Vorstandsebene betreut Peter Schwarzenbauer seit gut einem Jahr die Marke Mini. Der auch für Rolls-Royce und die Zweiradsparte zuständige Topmanager hat klare Vorstellungen, wo die Reise hingeht. "Ich sehe wenig Sinn in einer großen Variantenvielfalt. Stattdessen würde ich mich lieber auf einige wenige Kernmodelle konzentrieren, für die wir den Begriff Superheroes geprägt haben. Jeder Superheld besitzt einen starken und eigenständigen Charakter. Diesen Anspruch erfüllen das Steilheck, der Countryman, zumindest eine offene Version und eine oder zwei weitere Spielarten." Hat auch das Superleggera Concept, das die SZ kürzlich im Rahmen des Concorso d'Eleganza gefahren hat, das Zeug zum Superhero? "Absolut - dieses Auto könnte der Marke noch mehr Schärfe verleihen. Es ist noch zu früh, um das Projekt abschließend zu beurteilen, aber schon das technische Konzept sprengt den Rahmen einer gewöhnlichen Designstudie."

Mittler zwischen den Welten

Worin besteht der Reiz des blauen offenen Zweisitzers, den Mini-Chefdesigner Anders Warming gemeinsam mit Louis de Fabribeckers, Chefgestalter des italienischen Karosseriebauers Touring, auf schwarz lackierte 19-Zoll-Räder gestellt hat? Zum einen funktioniert die Mini-Vision als Mittler zwischen zwei Welten - der englischen Roadster-Tradition nach dem Vorbild von MGA, Sprite und Spitfire, und der italienischen Schönwetter-Barchetta mit Notverdeck, minimalistischer Ergonomie und handgedengelter Alukarosse. Zum anderen stimmt an diesem Auto einfach alles, vom gekonnt verfremdeten Marken-Make-up über die gar nicht kleinwagenmäßigen Proportionen bis zu Details wie der neu interpretierten Heckfinne. Besonders gut gefallen können das kommode Interieur, das moderne und trotzdem Mini-typische Instrumentarium sowie das luftige Cockpit ohne Seitenscheiben. Auch der Fahreindruck ist positiv: knackige Lenkung, aufmerksame Bremsen, satte Straßenlage. Nur leistungsmäßig macht die Studie wenig her. Sie bewegt sich rein elektrisch, und das nur mit maximal 20 km/h.

Weil mit diesem provisorischen Antriebskonzept kein Blumenstrauß zu gewinnen wäre, plant BMW für das Serienmodell, das 2017 auf den Markt kommen könnte, eine Koalition aus E-Maschine und Verbrenner mit einer Systemleistung von rund 200 PS. Nach dem Vorbild des i8 würden die Vorderräder elektrisch und die Hinterräder von einem Benzinmotor angetrieben werden. Vorläufig erste Wahl sind ein etwa 120 PS starkes Zweizylinder-Aggregat der Motorradsparte und ein Stromer mit 80 PS. Im Prinzip sind der Antriebs-Kombinatorik kaum Grenzen gesetzt. "Wir können skalieren", erklärt Peter Schwarzenbauer, "Zweizylinder, Dreizylinder oder Vierzylinder - alles ist möglich." Dass die geplanten BMW Plug-in-Hybride auf der gleichen UKL-Plattform, der Zweier Active Tourer und der Nachfolger des X1, anders ausgelegt sind, unterstreicht nur die Variabilität des Modulbaukastens. Obwohl die gemeinsam mit Toyota in Angriff genommene Neuauflage des Z4 bereits relativ weit gediehen ist, hat der Entwicklungsvorstand Herbert Diess dem Vernehmen nach auch auf den Mini Superleggera ein Auge geworfen. Schließlich ließe sich auf gleicher Basis mit vergleichsweise wenig Aufwand ein stärker motorisierter Z2 realisieren, dessen Skaleneffekte die Controller freundlich stimmen müssten.

Mini muss ein Elektrofahrzeug anbieten

Peter Schwarzenbauer ist vorsichtig optimistisch. "Wenn die Studie so gut ankommt wie erhofft, werden wir über den nächsten Schritt nachdenken. Unabhängig vom Superleggera steht es für mich außer Zweifel, dass Mini als urbane Marke in nicht allzu ferner Zukunft ein Elektrofahrzeug anbieten muss. Ich bin in diesem Zusammenhang übrigens zuversichtlich, dass die Entwicklung kleinerer, leichterer und stärkerer Batterien schneller voranschreitet als allgemein erwartet."

In diesem Fall könnte Mini neben dem gesetzten Countryman II Plug-in-Hybrid und dem Superleggera mittelfristig ein elektrisch angetriebenes Stadtauto auf den Markt bringen - vielleicht sogar in Form des viel zitierten ultrakompakten Mini-Mini. BMW hat zwar den angedachten i1 und den kleinen Joy wieder verworfen, doch wenn sich die kostenseitig optimierte nächste Evolutionsstufe von Project i entsprechend breiter ausrollen lässt, stünden beiden Marken neue Optionen offen. Ein echter Mini E ohne die Packageing-Kompromisse der ersten Serie erscheint schon deshalb unabdingbar, weil spätestens 2020 in vielen Städten das elektrische Fahren zur Pflicht werden dürfte.

"Der Kunde verlangt diese Flexibilität, und er wird sie bekommen"

Es gibt zwar noch keine offizielle Bestätigung für das neue Mini Cabrio, doch diverse Erlkönigfotos lassen kaum Zweifel daran, dass schon 2015 der Nachfolger des offenen Viersitzers zu den Händlern rollen wird. Ganz sicher bleibt der vom Markenvorstand als Superheld geadelte Countryman im Programm. Es könnte allerdings sein, dass sich der nächste Mini Softroader stärker in Richtung SUV verändert - schließlich glänzt genau dieses Segment seit Jahren mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten. Obwohl die Länge von 4,10 auf 4,30 Meter zunehmen soll, bleibt der Countryman II der kleinste kompakte Premium-Crossover. Ein weiterer fix eingeplanter Mini-Neuzugang hat intern viele Namen: Minivan, MAT (Multi-Activity Tourer), Roomba, Minibus. Der kultig gestylte Bus ist ein vergleichsweise langer und flacher Kurzhauber mit variablem Innenraum, innovativem Türkonzept und optionalem Allradantrieb. So wie sich der nächste Countryman die Erbanlagen mit dem X1-Nachfolger teilt, so ist der längere Zweier Grand Tourer die genetische Entsprechung des Minibus. "Die neue Mini-Generation deckt eine Bandbreite von ungefähr 3700 bis knapp 4500 Millimeter Außenlänge ab", verrät Vorstand Schwarzenbauer. "Der Kunde verlangt diese Flexibilität, und er wird sie bekommen."

Der Mini III beweist, dass BMW seine Hausaufgaben gemacht und die Plattform in allen wesentlichen Elementen weiterentwickelt hat. Noch kennen wir allerdings nur den Fronttriebler, und noch wissen wir nicht, wie sich die beiden Marken fahrdynamisch voneinander abgrenzen. Differenziert wird natürlich auch über Motoren und Getriebe. Mini muss mit der alten Sechsgangautomatik vorlieb nehmen, BMW bekommt den Achtgang-Selbstschalter von ZF. Eine Doppelkupplungs-Option ist allerdings in Arbeit.

"Die Kunst besteht darin, die alte Technologie geordnet herunterzufahren"

Mini hat mehr Dreizylinder im Programm als BMW, bleibt aber bei den stärkeren Modellen dem Vierzylinder treu. Die neuen, besonders sparsamen Kurzhuber - der 1,2-Liter-Dreizylinder und der 1,6-Liter-Vierzylinder - dürften vor allem im Zeichen der vier Buchstaben Furore machen. Vernetzt werden die UKL-Derivate übrigens nicht nur in Bezug auf Antrieb und Fahrwerk, auch die evolutionsfähige Elektronikplattform kann modell- und markenübergreifend eingesetzt werden. Bei Batterien, E-Motoren und Leistungselektronik bieten sich Querverbindungen zum Project i an. "Die Kunst besteht darin, die alte Technologie geordnet herunterzufahren und die neue Technik sukzessive hochzufahren," sagt BMW-Chef Reithofer. "Dieser Prozess kann schnell gehen - oder sich über 20 Jahre hinziehen."

Natürlich ist der Superleggera ein lustiges Auto mit Haben-Wollen-Effekt: gelungenes Design, tolle Ausstrahlung, viel Fahrspaß, mit geschätzt 35 000 Euro noch bezahlbar. Doch mindestens so nachhaltig wie die emotionale Kernbotschaft ist das Innenleben mit seiner breit gefächerten Varianz. Unter der Karosserie verbirgt sich nämlich die Schnittstelle der Mini- und BMW-Welt mit Elementen von Project i. Klar, Audi verfolgt mit seinen MQB-Derivaten inklusive E-quattro und E-tron ähnliche Ziele, und auch Mercedes will die MFA2-Architektur des A-/B-Klasse-Nachfolgers grün einfärben. Doch die Vielfalt der UKL-Spielarten, der Vorsprung in Bezug auf Zeitplan und Inhalte, die durchgängige Premiumpositionierung und das rasch wachsende Stückzahlgerüst lassen die Strategie der Münchner in einem besonders positiven Licht erscheinen. Wenn BMW so weitermacht, könnte es - Mini sei Dank - sogar gelingen, bis 2030 den Produkten ein durchgängig CO₂-neutrales Zeugnis auszustellen.

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