Mikrochips von Infineon:Lebensretter, die immer billiger werden

Radarsensor von Infineon im Auto

Der Vorteil von Radarsensoren gegenüber kamerabasierten Systemen: Sie funktionieren auch bei Dunkelheit oder schlechter Sicht.

(Foto: Ansgar Pudenz; Infineon)

Radarsensoren sind inzwischen so erschwinglich, dass sie selbst in Kleinwagen eingesetzt werden. Sie leisten deshalb einen immer größeren Beitrag zur Verkehrssicherheit - vor allem für Fußgänger und Radfahrer.

Von Peter Fahrenholz

Es wird ein bisschen so sein wie bei der Vergabe großer Sportereignisse. Wenn der Präsident der Fifa oder des Internationalen Olympischen Komitees einen Umschlag öffnet und den Zettel herauszieht, auf dem steht, welches Land oder welche Stadt den Zuschlag erhalten hat. Am Mittwoch wird Bundespräsident Joachim Gauck im Rahmen einer großen Gala einen solchen Umschlag öffnen und verkünden, wer den diesjährigen Deutschen Zukunftspreis gewonnen hat. Und dann wird Ralf Bornefeld wissen, ob auch der allerletzte Schritt geglückt ist, ob seine Mannschaft auf Gaucks Zettel steht.

Bornefeld leitet den Geschäftsbereich "Sense & Control" beim Münchner Halbleiterhersteller Infineon und bildet zusammen mit seinen Kollegen Walter Hartner und Rudolf Lachner eines der drei Teams, die die Endrunde erreicht haben. Eines von ihnen wird die Jury zum Sieger küren.

Der Deutsche Zukunftspreis ist einer der renommiertesten Wissenschaftspreise in Deutschland, nicht nur, weil er mit 250 000 Euro dotiert ist und vom Bundespräsidenten verliehen wird. Um diesen Preis kann man sich nicht bewerben, man muss von einer der Institutionen, die laut Statuten dazu berechtigt sind, vorgeschlagen werden. Und es reicht auch nicht, einfach nur eine möglicherweise bahnbrechende Idee zu haben, wichtig ist auch, dass daraus marktfähige Produkte und damit neue Arbeitsplätze entstehen.

Die Hälfte der Verkehrstoten sitzt nicht in einem Auto

Im Fall von Ralf Bornefeld und seinem Infineon-Team geht es um Radarsysteme im Auto, die die aktive Sicherheit erhöhen und damit Leben retten können, weil sie Unfälle verhüten.

Wenn Bornefeld die Bedeutung von Radarsystemen im Auto erklären will, nennt er gerne eine Zahl: 25 700. So viele Verkehrstote hat es im Jahr 2014 in Europa gegeben. "50 Prozent davon saßen nicht im Auto". Es waren Fußgänger, spielende Kinder, Rad- oder Motorradfahrer. Mit Radarsensoren, die von modernen Mikrochips gesteuert werden, könnten viele Opfer vermieden werden. Sie können den Abstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen automatisch konstant halten, Notbremsungen einleiten oder selbständig durchführen, den toten Winkel überwachen, vor nahendem Querverkehr warnen. Und sie funktionieren, anders als kamerabasierte Systeme, auch bei Dunkelheit oder schlechter Sicht.

Endlich tauglich für den Massenmarkt

Rudolf Lachner, Ralf Bornefeld und Walter Hartner von Infineon

Erfinder auf der Couch: Rudolf Lachner, Ralf Bornefeld und Walter Hartner (von links) wurden für den Deutschen Zukunftspreis nominiert.

(Foto: Ansgar Pudenz; Infineon)

Die Leistung von Bornefeld und seinem Team besteht, grob vereinfacht, darin, dass sie diese Chips entwickelt haben und sie im Laufe mehrerer Jahre so preisgünstig gemacht haben, dass die damit ausgerüsteten Radarsysteme, die etwa von Bosch gebaut werden, auch für Mittelklasseautos und Kleinwagen angeboten werden können - und damit für den Massenmarkt.

Als die Radartechnologie 1998 erstmals in einem S-Klasse-Mercedes angeboten wurde, hat der Sensor, der für die Abstandsregelung eingesetzt wurde, umgerechnet 2 500 Euro gekostet - und war damit nur für das Luxussegment einsetzbar. Dass die Module, die Bosch seit 2009 anbietet, immer billiger wurden, hat mit zwei innovativen Leistungen der Infineon-Ingenieure zu tun. Es ist ihnen gelungen, die Chips, die Radarwellen im Bereich von 77 Gigahertz senden und empfangen müssen, statt aus sündteurem Galliumarsenid in einer Silizium-Germanium-Technologie zu bauen. Damit lassen sie sich weit kostengünstiger produzieren, ähnlich wie die Chips für Computer oder Handys. Und sie haben für diese Hochleistungschips ein Gehäuse entwickelt, das den Einbau in das Endprodukt, den Radarsensor, weit einfacher und damit preiswerter macht.

Ein Radarsensor im Smart kostet nur 250 Euro Aufpreis

Ein Radarsensor im aktuellen Smart kostet nach Bornefelds Angaben nur noch 250 Euro Aufpreis. "Das ist eine Preisschwelle, wo der Kunde nicht abgehalten wird, das zu kaufen", sagt Bornefeld, glaubt aber, dass die Chips "noch mal halb so teuer werden müssen wie heute". Denn dann werde es möglich werden, Sensoren nicht nur vorne und hinten einzubauen, sondern ein Auto rundherum damit auszurüsten und damit einen "Sicherheitskokon" zu schaffen.

Der Markt dafür ist da, Prognosen gehen bei Radarsensoren von Wachstumsraten von 40 Prozent pro Jahr aus. Die Bedingungen für den Zukunftspreis hätte das Bornefeld-Team auf jeden Fall erfüllt. Aber das gilt für die beiden Konkurrenten ebenso. Team zwei hat die Technologie des 3-D-Drucks so weiterentwickelt, dass sich damit auch Metallteile für Flugzeuge herstellen lassen und Team drei hat eine neue Therapie für Leute erarbeitet, die an Lungenhochdruck leiden. "Alle drei Teams liegen auf Augenhöhe", sagt Bornefeld. Dass seine Nervosität jetzt von Tag zu Tag steigt, hat aber nicht nur mit der wachsenden Spannung vor der Preisverleihung zu tun, sondern auch mit dem medialen Rahmen der Festgala. "Ich war", sagt Bornfeld, " noch nie im Fernsehen."

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